Gemäß §17 Nr.1 des deutschen Tierschutzgesetzes darf ein Wirbeltier nur bei Vorliegen eines „vernünftigen“, d.h. von der Allgemeinheit akzeptierten Grundes getötet werden. (Lorz/Metzger, 1999; Kluge, 2002) Diese Akzeptanz schien im Falle des Tötens überzähliger Zootiere zu fehlen. Ein Beispiel: Nachdem im Februar 1998 zwei Braunbären im Zoo Leipzig getötet wurden, wurde in den Medien ausführlich darüber berichtet. Etwa 250 Menschen versammelten sich zu einem Andachtsgottesdienst für die beiden getöteten Bären und der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes rief zum landesweiten Boykott Zoologischer Gärten auf. Fraglich war bislang, inwieweit es sich bei diesem Protest um eine repräsentative Ablehnung handelt, die von der Mehrheit der Bevölkerung vertreten wird, oder ob diese Reaktion von den Medien gefördert wurde und tatsächlich nur der Haltung einer Minderheit entspricht. Da bisher keine empirischen Daten über die Einstellung der Bevölkerung zu dieser Problematik vorliegen, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Umfrage „zum Umgang mit überzähligen Tieren in Zoologischen Gärten“ durchgeführt. Bei der Wahl der Befragtengruppe wurde angestrebt, Personen anzusprechen, bei denen von einer hohen Bereitschaft, sich mit der Rolle Zoologischer Gärten und dem Umgang mit Zootieren auseinanderzusetzen, ausgegangen werden konnte. Daher wurde die Umfrage unter Besuchern in Zoologischen Gärten durchgeführt. Als Befragungsorte wurden der Tiergarten Nürnberg (1. bis 17. Januar 2007) und der Zoo Leipzig (1. bis 10. März 2007) gewählt. Insgesamt wurden 1006 Besucher befragt (511 Personen im Tiergarten Nürnberg und 495 im Zoo Leipzig). Um zu gewährleisten, dass allen Befragten die gleiche Information zur Verfügung stand und um eine Beeinflussung bei der Beantwortung zu vermeiden, wurden die Daten mittels eines Fragebogens (siehe 3.3 Fragebogen) erhoben, der von den Befragten selbstständig ausgefüllt wurde. Für die Feststellung, ob die demographische Struktur der Befragten von der deutschen Allgemeinbevölkerung abweicht, wurden die Daten denen von Standarddemographien gegenübergestellt. Dieser Vergleich ergab, dass bei der vorliegenden Erhebung die jüngeren Altersgruppen (16-25 und 26-45 Jahre), Frauen sowie Personen mit höherem Bildungsabschluss (Abitur/Fachabitur und Hochschulabschluss/Fachhochschulabschluss) überrepräsentiert waren. Allerdings bestanden bei Umfragen unter Besuchern im Zoo Frankfurt 2005 und im Zoo Leipzig 2005 die gleichen Abweichungen von der deutschen Standarddemographie. Somit scheint die ermittelte demographische Struktur charakteristisch für Zoobesucher zu sein. Um eine Aussage über die Repräsentanz der Erhebung zu erhalten, wurde untersucht, ob auffällige Differenzen zwischen den Antworten an den beiden Befragungsorten bestanden. Hierbei konnten für keine der untersuchten Fragen deutliche Abweichungen festgestellt werden. Die Ergebnisse aus dem Tiergarten Nürnberg und dem Zoo Leipzig zeigten sogar eine ausgeprägte Übereinstimmung, was auf eine hohe Repräsentanz der Erhebung schließen lässt. Zu Beginn des Fragebogens wurde den Befragten vorgestellt, welche Argumente von Seiten der Zoos angeführt werden, die Vermehrung der Zootiere auch dann nicht zu verhindern, wenn es zu überzähligen Tieren kommen kann. Genannt wurden hier die Ermöglichung von Fortpflanzungsverhalten, die Aufzucht von Jungtieren und das Leben im Familienverband sowie der Verzicht auf Geburtenkontrolle bei Nebenwirkungen oder Verhaltensstörungen, die Erhaltungszucht bedrohter Tierarten, die wissenschaftliche Forschung und die Bildung der Besucher. Diese Argumente sollten von den Besuchern ihrer Bedeutung entsprechend zwischen sehr wichtig und nicht wichtig eingestuft werden (Frage 1). Bei der nächsten Frage sollten sie bewerten, welches dieser Argumente ihrer Meinung nach auch die Tötung eines Tieres rechtfertigen könnte (Frage 2). Für beide Fragestellungen ergab sich die Reihenfolge: Erhaltungszucht > artgerechte Haltung > Tiergesundheit > Wissenschaft > Bildung der Besucher. Anschließend sollten die Befragten angeben, ob sie es prinzipiell akzeptieren würden, wenn nach vollzogener Abwägung im Einzelfall die Entscheidung zur Tötung getroffen wird (Frage 3). Diese Frage wurde mit 55,6 % von der Mehrheit bejaht, wobei die Zustimmung bei den älteren Befragten deutlich höher ausfiel als bei den jüngeren und zudem bei Männern deutlich höher als bei Frauen. Mit 34,4 % lehnte ca. ein Drittel die Tötung grundsätzlich ab und 8,4 % waren unentschieden. Insgesamt war nach Meinung der Besucher die Voraussetzung ausschlaggebend, dass die Entscheidung zum Wohle der Tiere getroffen wird. So war für die Befragten die Tötung vor dem Hintergrund der Erhaltungszucht, artgerechten Tierhaltung und Tiergesundheit eher gerechtfertigt als zur Förderung von Forschung und Bildung. Ganz deutlich wurde durch die Ergebnisse der Umfrage, dass der Großteil der Besucher sich zwar für die Thematik interessierte und Stellung bezog, jedoch nicht aktiv in die Entscheidung einbezogen werden wollte (95,4 %, Frage 6) und auch die Einbeziehung der Öffentlichkeit nicht für sinnvoll erachtete (86,2 %, Frage 7). Bei der Frage, wer an der Entscheidung beteiligt sein sollte, entfielen die meisten Stimmen auf den Zootierarzt, den zuständigen Pfleger und externe Fachleute (Frage 6). Auch nach dem Begriff des „vernünftigen Grundes“ zur Tötung eines Wirbeltieres im deutschen Tierschutzgesetz muss in Fällen, welche, wie die Tötung überzähliger Zootiere, nicht speziell gesetzlich geregelt sind, der Handelnde selbst in Form einer Güter- und Pflichtenabwägung prüfen, ob die Tat gerechtfertigt ist. Diese Abwägung muss für jeden Einzelfall individuell vollzogen werden, weil die jeweiligen Ausgangssituationen sehr stark variieren können. So ist die Entscheidung bei überzähligen Zootieren abhängig von der betreffenden Tierart, ihrem Fortpflanzungs-, Aufzucht- und Sozialverhalten, ihrem Gefährdungsstatus, zur Verfügung stehenden kontrazeptiven Möglichkeiten sowie der Zoologischen Einrichtung, ihren räumlichen Kapazitäten, finanziellen Mittel und vielen weiteren Faktoren. Diese umfassende Prüfung aller begleitenden Umstände und Alternativmöglichkeiten kann und will von der Öffentlichkeit nicht geleistet werden. Wie schwierig die Gesamtthematik für Fachfremde tatsächlich zu erfassen ist, zeigen auch die z.T. widersprüchlichen Antworten der Befragten. So stimmten die meisten in Frage 2 dafür, dass die Erhaltungszucht bedrohter Tierarten einen rechtfertigenden Grund für die Tötung überzähliger Zootiere darstellt (z.B. wenn ein Individuum genetisch überrepräsentiert ist und nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden kann), bei der Frage welche Tiere grundsätzlich von der Tötung ausgeschlossen werden sollten (Frage 5), gab jedoch der überwiegende Teil „bedrohte Tierarten“ an. Dennoch müssen die gesellschaftlichen Wertvorstellungen über die Rechtfertigung zur Tötung von Tieren die Grundlage dieser Entscheidung bilden. Diese Forderung ergibt sich sowohl aus der Formulierung des „vernünftigen Grundes“ seitens der Gesetzgebung als auch durch die Tatsache, dass Zoologische Gärten als öffentliche Institutionen ihr Handeln jederzeit begründen müssen. Wie mit den Ergebnissen der vorliegenden Erhebung nachgewiesen werden konnte, entspricht die ablehnende Position zur Tötung eines überzähligen Zootieres nicht dem mehrheitlichen Meinungsbild der Befragten, denn die Mehrheit akzeptierte die Tötung im Einzelfall. Als wesentliche Bedingung für die Zustimmung ergab sich, dass die Entscheidung verantwortungsvoll im Sinne der Tiere getroffen wird. Zudem hat die Studie gezeigt, dass die Akzeptanz durch Information weiter gefördert werden kann. So war der Anteil an zustimmenden Antworten unter den Befragten, denen die Problematik bereits bekannt war (Frage 8), deutlich höher als bei den Probanden, denen die Thematik bisher unbekannt war. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können Zoologischen Gärten ermutigen, mit dem Thema der Tötung überzähliger Tiere offener umzugehen. Sie gewinnen in der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit, dass sie ihre Entscheidung gewissenhaft und im Sinne der Tiere treffen, wenn sie offen zu ihren Handlungen stehen und die Gründe erläutern.
According to German animal protection law (§17 Nr.1) it is only allowed to kill a vertebrate if a “reasonable”, communally accepted cause can be shown. (Lorz/Metzger, 1999; Kluge, 2002) This sort of acceptance seems to be missing in the case of killing surplus zoo animals. For example, in the aftermath of the killing of two brown bears in the Zoo Leipzig in February 1998, the following media response was huge. About 250 people gathered for a devotional church service in honour of the two bears and the president of “Deutscher Tierschutzbund” appealed for a nationwide boycott of zoological gardens. So far it has been questionable to what extent this sort of protest constitutes a representative rejection shared by the majority of the population, or if this reaction has been raised by the media and represents only the position of a minority group. Since empirical data regarding the population´s attitude concerning this issue is missing so far, an opinion poll "about the treatment of surplus animals in zoological gardens" has been conducted for this paper. In choosing the respondents, the aim was to question persons, were a keen willingness to deal with a role of a zoological garden and their handling of zoo animals could be assumed. Therefore the poll was conducted at zoological gardens. The chosen polling places were the "Tiergarten Nuernberg" (January 1st to 17th 2007) and the Zoo Leipzig (march 1st to 10th 2007). In total, 1006 persons were questioned (511 persons at "Tiergarten Nuernberg" and 495 at the "Zoo Leipzig"). To ensure that all interviewees had access to the same level of information, and to avoid influencing their response, the data was collected by means of a questionnaire (see 3.3 Fragebogen), which was answered independently by the respondents. In order to appraise whether the demographic segmentation of the interviewees deviated from the German general population, the data was contrasted against standard demographics. This comparison showed that the younger segments (16-25 and 26-45 years), females as well as persons of higher educational achievement were over-represented in the enquiry. However, the same deviation for the standard demographics can be found in surveys conducted at the Zoo Frankfurt and the Zoo Leipzig in 2005. Therefore it seems that the determined demographic structure is distinctive for visitors of zoological gardens. To assert whether the enquiry be representative, conspicuous differences between the answers at each polling site were investigated. No significant differences could be found between the scrutinized questions. On the contrary, the results from the “Tiergarten Nuernberg” and the “Zoo Leipzig”, distinctly conform to each other, which implies a high representation of this enquiry. At the beginning of the questionnaire, the arguments put forward by zoological gardens as to why they allow the reproduction of zoo animals even if that leads to surplus animals were stated. The arguments mentioned were as follows: to retain reproductive and breeding behaviour, to keep animals in their natural social environment, to abandon birth control in case of adverse effects or behavioural disorders, to breed endangered species in conservation programmes and furthermore scientific research and education of the visitors. The interviewees were asked to rank each of these arguments between "very important" and "not important" (question 1). In the next question they were asked to rank which of these arguments could, in their opinion, justify the killing of an animal (question 2). Those two questions resulted in the following order: breeding programmes > appropriate husbandry > animal health > science > education of visitors. Subsequently the interviewees were asked to indicate if they would in principle accept, after consideration, the decision to kill an animal in an individual case (question 3). A majority of 55,6 % agreed with this question, whereupon the acceptance of older people proved to be significantly higher than that of younger people and was higher with males than with females. With 34,4% about one third rejected killing an surplus animal on principle and 8,4 % were undecided. Collectively all visitors felt that it was important such decision has to be made to the benefit of the animals. To the interviewees, killing in the context of breeding programmes, appropriate husbandry and animal health was seen as being more justifiable than for the advancement of science and education. Very noticeable in the results is that, while a majority of visitors are interested in the subject matter and have formed an opinion, they don't want to be actively included in the decision making process (95,4 %, question 6) and, furthermore, don't consider the participation of the general public to be sensible (86,2 %, question 7). Questioned on who should be included in the decision making process, most votes were cast in favour of the zoo veterinarian, the responsible curator and external experts (question 6). Even with the concept of a "reasonable cause" for the killing of vertebrates under German animal protection law, the responsible acting person must, in cases that are not especially addressed by this law, like the of killing surplus zoo animals, justify his actions in consideration of goods and responsibilities. This consideration must take place in each individual case, because the influencing factors can vary strongly. The final judgement is dependent on the species concerned, their reproductive, breeding and social behaviours, their endangered status, the availability of contraceptive methods as well as the zoological facilities, their available space capacity, financial funds and many other factors. Such an in-depth assessment of all the surrounding circumstances and alternative solutions cannot be achieved by the general public. How difficult it is for someone not familiar with the subject to comprehend the entire issue with all its different aspects can also be shown by the fact that some interviewees gave contradictory answers. The majority of the interviewees voted in question 2 for breeding programmes of endangered species as a justifiable reason for the killing of surplus zoo animals (for example, if an individual´s genetic code is over-represented and can no longer be used for breeding), in the question which species should not be killed in general (question 5), most interviewees chose “endangered species”. Yet common moral concepts must form the basis of whether to kill an animal is justifiable. This demand is determined both through the phrasing of a "reasonable cause" in the legislation and by the fact that zoological gardens, as public institutions, are always accountable to the public for their actions. The results of this enquiry have proved that, of those interviewed, most are not opposed to the idea of surplus zoo animals being killed. The basis for such acceptance is that a responsible decision be made in the interests of the animals. Furthermore, the study has proven that this acceptance can be aided by providing more information, since the amount of positive answers was significantly higher among those previously familiar with the issue, than among those unfamiliar with the subject matter (question 8). The results of this study should encourage zoological gardens to deal more openly with the topic of killing surplus zoo animals. They win more creditability with the public, if they would publicly stand behind their actions and illustrate that such decisions are made conscientiously and for the benefit of the animals.