Die Osteoporose ist eine systemische Knochenstoffwechselerkrankung, welche aufgrund einer Minderung der Knochenfestigkeit mit einem deutlich erhöhten Risiko für Fragilitätsfrakturen verbunden ist. Da mit jeder bereits aufgetretenen Fragilitätsfraktur das Risiko für eine Folgefraktur um ein mehrfaches steigt, ist es daher von großer Wichtigkeit, noch vor dem ersten Frakturereignis die Personen zu identifizieren, die an einer Osteoporose erkrankt sind. Der radiologisch-diagnostische Ansatz liegt hierbei in der morphologischen Quantifizierung der Knochenfestigkeit. Derzeitiger diagnostischer Standard sind sogenannte densitometrische Verfahren, die über eine indirekte Bestimmung des knöchernen Kalzium- oder Hydroxylapatitgehaltes die Knochenmineraldichte (=BMD aus dem englischen „bone mineral density“) bestimmen. Obwohl ein Großteil der Knochenfestigkeit (ca. 60-70%) von der BMD abhängig ist, haben jedoch große epidemiologische Studien zeigen können, dass sich Fragilitätsfrakturen allein durch densitometrische Messungen, wie z.B. die quantitative Computertomographie (QCT), nicht vorhersagen lassen. Ursächlich für die Diskrepanz zwischen Osteodensitometrie und Frakturvorhersagekraft ist die Tatsache, dass für die Beurteilung der Knochenfestigkeit neben der knöchernen Masse an sich u.a. auch die räumliche Verteilung dieser Masse relevant ist. Mit dem konzeptionellen Überbau der sogenannten Knochenqualität wird daher all den knöchernen Eigenschaften und Einflussfaktoren Rechnung getragen, die neben der BMD die Festigkeit eines Knochens bedingen. Dazu zählen u.a. die Geometrie eines Knochens, die knöcherne Umbaurate als auch die Makro- und Mikroarchitektur des trabekulären und kortikalen Knochens, welche die knöchernen Einzelkompartimente darstellen. In Bezug auf eine bessere Frakturvorhersage hat sich insbesondere die Betrachtung der trabekulären Mikroarchitektur und die mit ihr verbundene Strukturanalyse als wegweisend erwiesen. Etliche Studien konnten dabei belegen, dass ein erhöhtes Frakturrisiko mit signifikanten Störungen der trabekulären Mikroarchitektur einhergeht. Trotz gleichbleibender BMD können schon geringe Alterationen im trabekulären Netzwerk die Knochenfestigkeit beeinträchtigen. Die Mehrzahl der Studien, die sich mit der Osteoporose und der trabekulären Strukturanalyse befasst haben, wurde aufgrund der geringen Trabekelgröße (80-200 μm) unter Laborbedingungen mit Mikro-Computertomographen (μCT) durchgeführt. μCTs bilden die „wahre“ trabekuläre Struktur bei einer räumlichen Auflösung von bis zu 1 μm ab, sind jedoch auf Messungen an explantierten Knochenproben beschränkt. Eine Ausnahme sind jedoch die sogenannten HR-pQCT (aus dem englischen „high resolutional peripheral quantitative computed tomography) Systeme. Mittels HR-pQCT (Auflösung 41-246 μm) können an peripheren anatomischen Regionen, wie der distalen Tibia und dem distalen Radius, in-vivo Messungen des trabekulären und kortikalen Knochens durchgeführt werden, der Zugang zu diesen Geräten ist jedoch weltweit auf nur einzelne Forschungsinstitute begrenzt (Originalarbeit 5). Obwohl für die Diagnostik der Osteoporose die Wichtigkeit der trabekulären Strukturanalyse belegt ist, ist die entsprechende klinisch-radiologische Umsetzung und ihre Anwendbarkeit an weit zugänglichen Geräten in der Praxis nicht ausreichend geprüft worden. Die in dieser Habilitationsschrift vereinten Originalarbeiten 1 bis 7 haben sich daher unter Anwendung jeweils klinisch praktikabler Untersuchungsbedingungen, mit der trabekulären Strukturanalyse und der Vorhersagbarkeit der Knochenfestigkeit bzw. Frakturprävalenz befasst. In den – durch die Elsbeth Bonhoff-Stiftung geförderten – Originalarbeiten 1, 2, 4 und 7 wurde evaluiert, wie gut sich die trabekuläre Struktur in einem klinischen Setting abbilden lässt. Zu diesem Zweck hat unsere Arbeitsgruppe in Kooperation mit dem Institut für Radiologie an der University at San Francisco (UCSF) ein experimentelles Studiendesign entwickelt, welches an 15 intakten Ganzkörperpräparaten und 20 intakten Handpräparaten aus dem Institut für Anatomie (Charité Universitätsmedizin Berlin) durchgeführt wurde. Zunächst wurden die (Ganz-)Körperpräparate entsprechend klinischer Protokolle in der Gantry des Multidetektor-Computertomographen (MDCT) platziert und untersucht. Bei den untersuchten Körperregionen handelte es sich um die Lendenwirbelkörper 1 bis 3 (Originalarbeit 1), den rechten proximalen Femur (Originalarbeit 2), beide Calcanei (Originalarbeit 7) und um die Regionen des distalen Radius (Originalarbeit 4). Mittels MDCT wurden dann die BMD und trabekuläre Struktur- und teilweise auch Texturparameter (errechnet aus der Verteilung der Grauwerte) abgleitet. Um die MDCT Strukturparameter mit der realen trabekulären Struktur zu vergleichen, wurden aus den untersuchten Körperregionen die Knochen explantiert und mittels hochaufgelöster Referenzmethoden erneut gemessen. Es zeigte sich letztlich, dass mittels MDCT die trabekuläre Struktur aufgrund großer Limitationen in der Auflösung nur sehr stark eingeschränkt abzubilden ist. Mit dem angewandtem Studiendesign konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass mit simulierten klinischen Untersuchungsbedingungen einzig der Parameter BV/TV (=bone volume/total volume) mit durchweg hohen bis sehr hohen Korrelationen (r = 0,75-0,96) zu reproduzieren ist. Zu bedenken ist hierbei jedoch, das BV/TV im eigentlichen Sinne kein Strukturparameter, sondern eine Art Knochendichteparameter ist, der den Anteil des Knochenvolumens in Bezug zum Gesamtvolumen setzt. Auch wenn die strukturanalytischen Ansätze anscheinend nur für BV/TV anwendbar sind, zeigten sich in Originalarbeit 2 beim Vergleich von Texturparametern mit den Strukturparameter Tb.Sp (=trabecular separation) und Tb.N (=trabecular number) sehr hohe Korrelationen (r = 0,83-0,86), so dass der Schluss gezogen werden kann, dass texturanalytische Verfahren geeigneter sind, um die trabekuläre Struktur zu beschreiben. An der University of California at San Francisco wurden in kleineren Patientenstudien (Originalarbeit 5 und 6), alternativ zur MDCT, mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und HR-pQCT trabekuläre Strukturparameter ermittelt und in Kombination mit Parametern des kortikalen Knochens betrachtet. Es zeigten sich in beiden Studien inverse Wechselbeziehungen zwischen diesen beiden Knochenkompartimenten. Zusätzlich wiesen in der Originalarbeit 6 die trabekulären Strukturparameter am distalen Radius hoch signifikante Korrelationen (r=0,59, p<0,0001) zur lokalen, mittels QCT gemessenen BMD auf. Perspektivisch ließe sich dies evtl. dazu nutzen, die mittels Osteodensitometrie erfolgenden Verlaufskontrollen in der Osteoporose- Therapie partiell durch MRT Verlaufskontrollen zu ersetzen. In Bezug auf die Differenzierung zwischen einer Fraktur-gefährdeten Gruppe und einer Kontrollgruppe (Originalarbeit 5), erwies sich am distalen Radius die mittels HR-pQCT gemessene Porosität des kortikalen Knochens – im Vergleich zur trabekulären Struktur – als wegweisender. So manifestierte sich in der Fraktur-gefährdeten Gruppe eine um 151% erhöhte Porosität (p<0,05), wohingegen keine statistisch signifikanten Veränderungen in der trabekulären Mikroarchitektur nachweisbar waren. In den Originalarbeiten 1 und 7 wurden die Knochenproben der Lendenwirbelkörper und Calcanei zusätzlich virtuellen und realen biomechanischen Tests unterzogen – durchgeführt durch die UCSF und das AO Forschungsinstitut in Davos – und in Bezug gesetzt zur BMD und zu den trabekulären Struktur- und Texturparametern. Es zeigte sich in beiden Arbeiten, dass die BMD als Einzelparameter entgegen der Ausgangshypothese der Parameter mit der höchsten prädiktiven Kraft zur Beurteilung der Knochenfestigkeit war (R2 = 0,56 – 0,60). Sämtliche Strukturparameter waren der BMD diesbezüglich unterlegen. Die prädiktive Kraft der BMD konnte sogar weiter gesteigert werden (R2 = 0,72 – 0,80), indem selbige mit Texturparametern kombiniert wurde. Für die Differenzierung zwischen Patienten mit Fraktur und denen ohne erwiesen sich auch in Originalarbeit 3 – eine Kooperation mit der Universität Hall in Tirol und der Universität Innsbruck – die Texturparameter und die BMD als geeignet. Es zeigte sich sogar, dass eine Vorhersage bzgl. des Frakturtyps bzw. bzgl. des Verlaufes der Frakturlinie im proximalen Femur möglich ist. Fazit ist demnach: Aus klinisch-radiologischer Sicht ist der trabekuläre Knochen nur mit sehr starken Einschränkungen darstellbar. Mit Ausnahme der HR-pQCT, zu der es aber nur limitierten Zugang über wenige Forschungsinstitute gibt, versagen strukturanalytische Ansätze in der Praxis. Trotz alledem kann die Diagnostik der Osteoporose verbessert werden, in dem die etablierte BMD-Messung mit trabekulären Texturparametern ergänzt und kombiniert wird.
Osteoporosis is a systemic disorder of bone metabolism associated with a very high risk of fragility fractures due to loss of bone stability. Each osteoporotic fracture multiplies the risk of suffering another fracture. Therefore, it is very important to identify individuals at risk before the first fracture occurs. The radiologist’s approach to the diagnosis of osteoporosis is to morphologically quantify bone stability. Currently, the standard diagnostic tests are based on densitometry, which means that they determine bone mineral density (BMD) by indirectly measuring calcium or hydroxyapatide content of bone. While bone stability is mainly determined by BMD (approx. 60-70%), large epidemiologic studies have shown that densitometric methods such as quantitative computed tomography (QCT) alone do not adequately predict the risk of osteoporotic fractures. The inadequacy of osteodensitometry in estimating the fracture risk is attributable to the fact that bone stability is not determined by bone mass alone. Other factors are involved such as how the bone mass is distributed. The concept of bone quality aims at integrating all properties of bone and all factors that determine bone stability besides BMD. Among others, these properties include bone geometry, the bone conversion rate, and the macro- and microarchitecture of trabecular and cortical bone – which constitute the two bone compartments. Assessment of trabecular microarchitecture by structural analysis have proven pivotal for a better prediction of fracture risk. Numerous studies have shown that an increased fracture risk is associated with significant alterations in trabecular microarchitecture. With BMD being the same, already slight changes in the trabecular network can impair bone stability. Most studies of trabecular structure in osteoporosis were performed as laboratory experiments using micro-computed tomography (μCT) due to the small trabecular size (80-200 μm). μCT depicts “true” trabecular structure with a spatial resolution of up to 1 μm; however, it can only be performed on ex-vivo bone specimens. An exception are so-called high-resolution peripheral quantitative computed tomography systems (HR-pQCT), which have a resolution of 41-246 μm and allow in vivo measurement of trabecular and cortical bone in peripheral anatomy such as the distal tibia and the distal radius. Only a few research centers worldwide have access to this equipment (Original article 5). While the importance of trabecular structure analysis for the diagnosis of osteoporosis is well established, only little research has been done on the translation into radiological practice and the assessment of trabecular structures using widely available techniques. This habilitation thesis compiles seven original articles (1 to 7) that investigated trabecular structure analysis and its predictive value for bone stability or fracture prevalence under conditions that can be used in clinical routine. Four of the studies compiled here (original articles 1, 2, 4, and 7) were supported by a grant from the Elsbeth Bonhoff Foundation. These four studies investigated how trabecular structure can be assessed under clinical conditions. For this purpose, our study group, in cooperation with the Department of Radiology of the University of California, San Francisco (UCSF), developed an experimental study design involving the use of 15 complete bodies and 20 intact hands from the Institute for Anatomy (Charité - Universitätsmedizin Berlin). In a first step, the bodies and hands were placed in the gantry of a multidetector computed tomography system (MDCT) and examined using clinical protocols. The skeletal regions examined were lumbar vertebrae 1 to 3 (original article 1), the right proximal femur (original article 2), the two calcanei (original article 7), and the regions of the distal radius (original article 4). In these studies, MDCT was used to determine BMD and trabecular structure parameters as well as, in some instances, textural parameters (calculated from the distribution of gray-scale values). For comparison of MDCT-derived structural parameters with the true trabecular structure, the bones from the target regions examined by CT were explanted and assessed with high-resolution reference techniques. Overall, the results show that MDCT is limited by poor resolution in depicting trabecular structure. With the study design used, our group found that, under simulated clinical conditions, BV/TV (bone volume/total volume) was the only parameter that could be consistently reproduced with high to very high correlations (r = 0.75-0.96). However, it must be noted that BV/TV is not a proper structural parameter but rather a type of bone density parameter, which expresses bone volume in relation to total volume. Although it appears that the structural analysis approaches are only valid for BV/TV, original article 2 demonstrates very high correlations for the comparison of textural parameters with two structural parameters - Tb.Sp (trabecular separation) and Tb.N (=trabecular number) (r = 0.83-0.86). These findings suggest that textural analysis may be more suitable for assessing trabecular structure. Smaller patient studies conducted at the University of California, San Francisco (original articles 5 and 6) determined trabecular structure parameters using magnetic resonance imaging (MRI) and HR-pQCT, as alternatives to MDCT, and analyzed these in conjunction with parameters of cortical bone. Both studies revealed inverse relationships between these two bone compartments. In addition, original article 6 showed trabecular structural parameters determined in the distal radius to highly significantly correlate (r=0.59, p<0.0001) with local BMD determined by QCT. This opens up the perspective that MRI follow-up might partially replace follow-up using osteodensitometry in patients on osteoporosis treatment. With regard to the differentiation of a group of patients at risk of fracture and a control group (original article 5), the porosity of cortical bone measured in the distal radius by means of HR-pQCT turned out to be more promising compared with trabecular structure. In this study, porosity was 151% higher in the group at risk of fracture (p<0.05), whereas no statistically significant difference in trabecular microarchitecture was revealed. In original articles 1 and 7, bone specimens from the lumbar vertebrae and calcanei were additionally subjected to virtual and real biomechanical tests – conducted by UCSF and the AO Research Institute in Davos – and the results were related to BMD and to parameters of trabecular bone and texture. In both studies, the initial hypothesis was refuted and BMD turned out to be the parameter with the highest predictive power for assessing bone stability when used alone (R2 = 0.56 – 0.60). All structural parameters were inferior to BMD in this respect. The predictive power of BMD could even be enhanced further (R2 = 0.72 – 0.80) by combining it with textural parameters. Textural parameters and BMD were also found to be suitable for separating patients with and without fractures in original article 3, which presents a study conducted in cooperation with Hall University in Tirol and Innsbruck University. This study even showed that the fracture type or the course of the fracture line in the proximal femur could be predicted. In conclusion, the studies outlined indicate that, from the clinical radiologist’s perspective, assessment of the trabecular bone by imaging is of little value. Except for HR-pQCT, which, however, is only available at a few research centers, bone assessment using structural analysis does not stand the test of practice. Nevertheless, the diagnostic evaluation of osteoporosis can be improved by supplementing and combining established BMD measurement with trabecular texture parameters.