Die vorliegende Arbeit ist der Frage nachgegangen, ob Frauen und Männer für vergleichbare Delikte anders verurteilt werden. Von Interesse waren dabei mögliche Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Strafzumessung sowie der Anwendung der die Schuldfähigkeit regelnden §§20 und 21 StGB sowie hinsichtlich der Berücksichtigung strafmildernder und strafverschärfender Umstände bei der Urteilsbegründung. Die Untersuchungsstichprobe bestand dabei aus 40 weiblichen und 40 männlichen, anhand verschiedener Eckdaten (s. u.) gematchten, teilweise psychisch kranken RechtsbrecherInnen, die am Institut für Forensische Psychiatrie der Charité Berlin begutachtet wurden. Der Untersuchungszeitraum umfasste die Jahre 1988 bis 2007. Zur Anwendung kam die retrospektive Aktenanalyse. Datenbasis bildeten die im Institut aufbewahrten Aktenunterlagen, die unter anderem psychiatrische Sachverständigengutachten, gerichtliche Urteile und Auszüge aus dem Bundeszentralregister beinhalteten. Im Ergebnis der Arbeit ist festzuhalten, dass sich im Hinblick auf die Strafzumessung keine signifikanten Unterschiede bezüglich eines Freispruchs, der Einstellung des Verfahrens, der Verhängung einer Geldstrafe (wobei die Höhe nicht berücksichtigt wurde) oder einer Haftstrafe auf Bewährung ergeben haben. Allerdings wurden Männer signifikant häufiger zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt als Frauen. Trotz eines erkennbaren Trends konnte bei hoher Standardabweichung kein signifikanter Unterschied zwischen den Untersuchungsgruppen in Bezug auf die angeordnete Gesamthaftdauer gefunden werden. Ein weiteres Ergebnis der vorliegenden Untersuchung ist ein Trend hinsichtlich der Anordnung der Maßregel, die bei den Frauen dreimal häufiger ausgesprochen wurde. Keine bedeutsamen Unterschiede fanden sich hinsichtlich der Zuerkennung von Schuldfähigkeit. Als schuldvermindert nach §21 StGB wurden jeweils ein Fünftel der Männer und Frauen und als schuldunfähig nach §20 StGB etwa ein Fünftel der Männer und ein Viertel der Frauen beurteilt. Ebenfalls keine signifikanten Unterschiede konnten bei der Anwendung der strafmildernden und strafverschärfenden Umstände zwischen den beiden Untersuchungsgruppen festgestellt werden. Das Vorhandensein von strafmildernden Umständen, wie das Ablegen eines Geständnisses, Zeigen von Reue, ein Bewusstsein von Schuld und entsprechendes Verhalten, belastende Lebensumstände, sowie das Vorliegen der die §§20 und 21 StGB beschreibenden Eingangskriterien, wurde gleichermaßen sowohl in der männlichen als auch in der weiblichen Untersuchungsgruppe berücksichtigt. Entsprechend zeigte sich auch der Einfluss der strafverschärfenden Faktoren, wie das Vorhandensein von Vorstrafen, insbesondere von Gewaltdelinquenz vor dem Indexdelikt, sowie Reuelosigkeit in beiden Gruppen im gleichen Maße. Ein weiterer signifikanter Unterschied bestand im Bezug auf den Aufenthaltsort während der Begutachtung durch den psychiatrischen oder psychologischen Gutachter. Ein Drittel der männlichen und ein Fünftel der weiblichen Probanden befand sich zu diesem Zeitpunkt in Haft, in Freiheit befanden sich ein Viertel der Frauen und nur ein Zehntel der Männer. Um Störeinflüsse weitgehend zu vermeiden bzw. zu minimieren wurde in dieser Arbeit darauf geachtet, dass wesentliche Faktoren wie Alter der Probanden, Deliktart, Vorstrafenbelastung, psychiatrische Diagnose, psychosoziale Situation der Probanden vergleichbar waren. Nicht berücksichtigt werden konnten in dieser Arbeit Variablen wie die genaueren Tatumstände, Vorbereitung bzw. das Verhalten nach der Tat sowie Motive des Täters. Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass ein möglicher Grund für den gefundenen Unterschied darin liegen könnte, dass keine exakte Übereinstimmung in den Hauptdiagnosen der beiden Untersuchungsgruppen hergestellt werden konnte. Bei einem Drittel der Männer ist keine psychische Erkrankung diagnostiziert worden. Die häufigere Anordnung der Haftstrafen ohne Bewährung sowie die häufigere Unterbringung in der Untersuchungshaft könnten dadurch erklärt werden. Bei einem Drittel der Frauen ist dagegen eine affektive Störung diagnostiziert worden, so dass sie möglicherweise aus diesem Grund häufiger im psychiatrischen Krankenhaus gem. §63 untergebracht wurden. Betrachtet man die vorliegenden Ergebnisse, so kann die Forschungsfrage, ob Frauen vor Gericht anders behandelt werden als Männer, nicht eindeutig bejaht werden. Die hiesigen Befunde sprechen vielmehr dafür, dass Männer und Frauen mit vergleichbaren Delikten und vergleichbarer strafrechtlicher Vorgeschichte vom Gericht weitgehend gleich beurteilt werden.
The present study examined the question of whether women and men are sentenced differently for similar delicts. The study sample consisted of 40 males and 40 females, matched on the basis of various key data (see below), partially mentally ill lawbreaker, who were examined at the Institute of Forensic Psychiatry of the Charité Berlin. The investigation period covered the years 1988 to 2007. The overall outcome of this work is that in terms of sentencing, no significant differences regarding the acquittal, the termination of the proceedings, the imposition of a fine (although the amount was not included) or a prison sentence on probation have been detected. However, men were significantly more often sentenced to prison without parole than women. Despite an apparent trend, at high standard deviation, we could find no significant difference between the study groups in relation to the total period of the ordered imprisonment. Another result of this investigation is a trend in the order of the measure, which was spoken out three times more common among women. Another significant difference was the residence during the assessment by the psychiatric or psychological expert. A third of men and one fifth of women were at that time in prison, in freedom there were one quarter of women and only one tenth of men. To avoid or minimize disturbances, the attention was paid in this work that essential factors such as age, type of the delict, previous criminal record, psychiatric diagnosis, psychosocial situation of the subjects were comparable. The variables such as the exact circumstances of the offense, preparation and behavior after the crime as well as motives of the perpetrator could not be considered in this work. Finally, it should be noted that one possible reason for the found difference is that no exact match could be made in the main diagnoses of the two study groups. More frequent order of imprisonment without parole, and more frequent placement in prison could be explained by it. In one third of women, a mood disorder was diagnosed so that possibly that was the reason why they were placed in the psychiatric hospital in accordance to § 63 StGB. Considering the present results, the research question whether women are treated differently than men in court, cannot be clearly affirmed. The local findings rather speak that men and women with similar crimes and similar criminal history are largely judged equal in the court.