Bei chronisch psychisch kranken Patienten besteht die Notwendigkeit einer Langzeitbewältigung ihrer Erkrankungen. Nach einer stationären, psychosomatischen Rehabilitation stehen sie vor der Aufgabe, eine weitergehende Förderung und Verstetigung von erworbenen Bewältigungsstrategien sowie deren Transfer in den Alltag zu gewährleisten. Zur Unterstützung werden hierfür Nachsorgeaktivitäten (z.B. Selbsthilfegruppen) von Rehabilitationskliniken empfohlen. Das Projekt Internet-Forum Seehof wurde für das Rehabilitationszentrum Seehof (DRV) bzw. die Abteilung für Verhaltenstherapie und Psychosomatik konzipiert und bietet allen chronisch psychisch kranken Patienten bei Entlassung eine Nachsorge in Form einer zeit- und ortsunabhängigen Internet-Selbsthilfe an. Zunächst wurde für o.g. Patienten (n = 1842) ein selbstbestimmtes Internet-Forum Seehof als reines Selbsthilfeangebot konzipiert und installiert. Nach 1 Jahr Durchführungszeitraum wurde ein zweites, identisches, jedoch um eine Moderation erweitertes Internet-Selbsthilfeangebot für ebenfalls 1 Jahr mit einer neuen, vergleichbaren Patientengruppe (n = 893) durchgeführt und untersucht. Die Moderatorin stellte gesundheitsförderliche Diskussionsthemen (z.B. zu Möglichkeiten der Krankheitsbewältigung) bereit, regte zu konstruktiven Textbeiträgen und Interaktionsverhaltensweisen an. Die empirische Untersuchung soll Daten bzw. Aussagen über die Art und Weise der Benutzung, die Determinanten und die Effekte der Nutzungssituation in den Internet-Selbsthilfe-Foren liefern. Außerdem wird untersucht, ob sich diesbezüglich Unterschiede zwischen den zwei verschiedenen Internet- Selbsthilfeangeboten ergeben. Ein entsprechend vorab formulierter Forschungsfragen entwickeltes Kategoriensystem erfasst das Vorkommen, den Umfang und die Ausrichtung (z.B. konstruktiv, destruktiv) von gesundheitsförderlichen Gesprächsthemen (z.B. über Bewältigungsstrategien), von gesundheitsförderlichen Gruppenwirkfaktoren (z.B. emotionale Unterstützung) und typischen Medienmerkmalen (z.B. Anonymität) in den Internet-Foren bzw. den textbasierten Patientenbeiträgen. Die für die einzelnen Kategorien des Kategoriensystems berechneten Reliabilitäts- bzw. Cronbachs-Alpha-Koeffizienten liegen zwischen r=.82 und r=.95 (bei jeweils p < 0.01). Ergebnisse: Im selbstbestimmten Internet-Forum haben sich von 1842 informierten Patienten 144 (8%) angemeldet. 46 (32 %) der angemeldeten Patienten haben Beiträge geschrieben. Im moderierten Internet-Forum haben sich von 893 informierten Patienten 76 (8,5 %) angemeldet und 33 (ca. 43 %) der angemeldeten Patienten haben aktiv und damit tendenziell (jedoch nicht signifikant) mehr Beiträge verfasst, als dies im selbstbestimmten Forum der Fall ist. Im Vergleich zur Beteiligungsrate von etwa 8% in den Internet-Foren zeigte sich in demselben einjährigen Untersuchungszeitraum eine geringere Patientenbeteiligung von lediglich 3% an der IRENA-Nachsorgegruppe, die „face- to-face“, orts- und zeitgebunden in der Reha-Klinik Seehof stattfindet. Die Nutzer beider Foren sind bezüglich soziodemografischer Merkmale und ICD-10-Diagnosen (vorwiegend aus den Bereichen F1, F3, F4 und F6) vergleichbar. Die Foren-Nutzer beider Foren unterscheiden sich hinsichtlich der ICD-10-F-Diagnosen nicht von den Nicht-Nutzern (weisen somit typische Diagnosen psychisch kranker Rehabilitanden auf), sind im Vergleich zu Nicht- Nutzern jedoch signifikant jünger, überwiegend weiblich, gebildeter, arbeiten aktuell entweder Vollzeit oder sind arbeitslos, besitzen tendenziell einen mindestens einfachen, meist mittleren Beamten-/Angestelltenstatus und haben vornehmlich einen vollstationären Rehabilitationsklinik-Aufenthalt hinter sich. Die Foren-Nutzer nehmen durchschnittlich 50-60 Tage in ihrem Forum teil, verfassen durchschnittlich ca. 7-15 Beiträge (im moderierten Forum ist die Beitragsmenge tendenziell, jedoch nicht signifikant größer), schreiben überwiegend anonym und vorwiegend asynchron zu unterschiedlichen Tages- und Abendzeiten. Dabei nehmen sie interaktiv aufeinander Bezug, antworten signifikant mehr auf Beiträge von Mitpatienten, als dass sie neue Beiträge schreiben. Sie schaffen in ihren Foren-Beiträgen eine vornehmlich neutral- positive Grundstimmung, die im moderierten Forum signifikant ausgeprägter ist als im selbstbestimmten Forum. In beiden Foren äußern sich die Patienten signifikant mehr zu „gesundheitsförderlichen Gesprächsthemen“, als dass sie Small-Talk betreiben. In beiden Foren tragen die Patienten maßgeblich zur Ausbildung von „gesundheitsförderlichen Gruppenwirkfaktoren“ bei. Im Gegensatz zum selbstbestimmten Forum zeigen sich im moderierten Forum zum einen signifikant mehr Äußerungen zu gesundheitsförderlichen Gesprächsthemen, zum anderen bilden sich signifikant verstärkt „gesundheitsförderliche Wirkfaktoren“ aus (Gruppenkohäsion, emotionale Unterstützung und Selbstöffnung der Teilnehmer). Schlussfolgerung: Die ausgetauschten Inhalte und Gruppenwirkfaktoren sind in beiden Internet-Foren mehrheitlich auf Gesundheitsthemen bezogen wie ebenso auf gegenseitige Unterstützung und Beratung hin ausgerichtet. Das Konzept „moderiertes Internet-Forum“ ist insbesondere zu befürworten, da es sich als kommunikativer und vermehrt in der Lage erwies, den Austausch gesundheitsförderlicher Inhalte und Prozesse hervorzubringen. Die Nutzung von Internet-Foren kann demzufolge als eine Selbsthilfemaßnahme und somit als eine Variante rehabilitativer Nachsorge angesehen werden kann. Eine weiterführende Erhebung von Kosten-Nutzen- und Wirksamkeitsdaten wäre wünschenswert, um Aussagen über die therapeutische Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen treffen zu können und den technischen, organisatorischen und personellen Aufwand zu rechtfertigen.
After having received an in-patient-treatment in a psychosomatic rehabilitation, chronic mentally ill patients need to cope with their diseases on a long term base. They are confronted with the task to sustain and develop the acquired coping strategies as well as to integrate them into their everyday life. To support these efforts, rehabilitation clinics recommend follow-up care (e.g. through self-help groups). The project “Online discussion group Seehof” was designed for the rehabilitation center Seehof (DRV), in particular for the department for behavior therapy and psychosomatic medicine. It offers follow-up care independent of time and place by means of internet- based self-help and addresses patients suffering from chronic mental disorders at the time of discharge. An autonomous online discussion forum was planned and set up for the patients (n = 1842) mentioned above, first as a plain self- help service. After one year of use, a second identical online discussion board was set up for a new comparable group of patients (n = 893) also for one year with the difference of adding a forum moderation. The moderator initiated discussion about subjects beneficial to the patients’ health (e.g. coping strategies) and encouraged constructive messages and interaction. This empirical study analyzes the use, the determinants and the effects of the two online self-help groups. Further, it investigates whether there are differences between the two settings in that regard. A set of categories was designed, based on previously developed research questions. It records the occurrence, the extent and the direction (e.g. constructive, destructive) of beneficial topics (e.g. about coping strategies), of beneficial group determinants (e.g. emotional support) and typical characteristics of the communication medium (e.g. anonymity) in the postings of the patients taking part in the discussion groups. The reliability coefficients (Cronbach's alpha) of the categories are between r=.82 and r=.95 (with p < 0.01). Results: In the autonomous online self-help group, 144 (8 %) of 1842 invited patients registered. 46 (32 %) of these registered patients wrote messages. In the moderated group, 76 (8.5 %) of 893 invited patients registered and 33 of them (ca. 43%) sent postings. The moderated group thus sent (non significant) more messages than the autonomous group. The participation rate of ca. 8 % of the patients in the online discussion groups was higher compared to the participation rate of only 3 % who took part in the IRENA follow-up group, which was conducted face-to-face, location- and time-dependent in the rehabilitation center Seehof during the same investigation period of one year. The users of both online self-help groups are comparable in regard to socio- demographic attributes and ICD-10-diagnoses (mostly F1, F3, F4 and F6). The users of the online self-help groups don’t differ from the non-users concerning the ICD-10-F-Diagnoses (thus showing typical diagnoses of mentally ill rehabilitants), but compared to the non-users they are significantly younger, mostly female, well-educated, unemployed or working fulltime, having at least a lower, mostly a middle, civil servant or employee status and in the majority of cases have received an in-patient treatment. The users of the online self-help groups participate on average 50-60 days in the online discussion forums, post approximately 7-15 messages (the amount of postings is a little but not significantly bigger), post mostly anonymously and asychronical at various times of day and evening. They refer interactively to each other, reply significantly more frequent to other patients than writing new messages. Through their postings they create a mainly neutral-positive atmosphere, that is significantly more pronounced in the moderated online forum than in the autonomous one. In both online discussion groups, the patients significantly more address “beneficial topics” than doing small talk. In both online forums, the patients relevantly contributed to build up “beneficial group determinants”. In opposition to the autonomous forum, the moderated forum contained significantly more messages about beneficial topics and significantly more “beneficial determinants” (group cohesion, emotional support and self-disclosure) emerged. Conclusion: The discussions and group determinants mainly focus health issues as well as mutual support and advice. The concept of a “moderated internet forum” is to be favored, in particular as it is more communicative and it more often produces the exchange of beneficial content and processes. The employment of online discussion groups therefore can be regarded as a self-help method and thus as an alternative way of providing rehabilitative follow-up care. It would be desirable to collect further data with respect to cost-benefit-issues and efficacy, in order to be able to assess the therapeutic efficacy of the actions carried out and to justify the technical, organizational and personal effort.