Der Alveolarfortsatz des Kiefers ist ein komplexes knöchernes Gebilde, dessen Erhalt und Umbau von den darin enthaltenen Zähnen abhängig ist. Schon vor ihrem Durchbruch haben die Zähne eine modulierende Wirkung auf den umgebenden Knochen. Über die pränatalen Wachstumsvorgänge des Kieferknochens und die genaue Gestaltentwicklung der Mandibula im Bereich der Zahnanlagen ist bislang vergleichsweise wenig bekannt, obgleich zahlreiche Signalmoleküle entdeckt wurden, die im sogenannten Tooth-Bone-Interface bei der Gewebedifferenzierung eine Rolle spielen. Eine dreidimensionale Darstellung des Kieferknochens und der beteiligten, umliegenden Strukturen sowie zelluläre Untersuchungen an der Knochenoberfläche, wie sie hier vorgenommen wurden, ermöglichen einen Erkenntnisgewinn zur Morphogenese des Knochens und dessen Umbau. In der vorliegender Arbeit wurde die menschliche Mandibula anhand von acht Schnittserien humaner Embryonen einer Scheitel-Steiß-Länge (SSL) von 19 bis 68 mm (ca. 7.-10. Woche post conceptionem) zunächst mikroskopisch untersucht. Die Milchzahnanlagen befanden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien vom Leisten- über das Knospen- bis hin zum Kappenstadium. Mit Hilfe der Software analySIS® (Olympus Soft Imaging Solutions, Münster, Germany) wurden dann vier der Schnittserien exemplarisch dreidimensional rekonstruiert, die Knochenoberfläche im Bereich der Zahnanlagen auf das dort vorherrschende Knochenumbauverhalten (Appositions-, Resorptions- und Ruhezonen) histomorphologisch untersucht und im 3D-Modell entsprechend dargestellt. Anschließend erfolgte eine systematische Abstandsmessung. Aus den Ergebnissen dieser Studie lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: 1\. Bereits in den frühen embryonalen Entwicklungsstadien wurde eine auffällige räumliche Nähe zwischen den Zahnanlagen und der Mandibula beobachtet. Da beim Alveolarfortsatz in diesen Stadien strukturelle Unterschiede zum posteruptiven Alveolarfortsatz bestehen, sollten die betreffenden pränatalen Strukturen nomenklatorisch differenziert betrachtet werden. Die Mandibula bildet zunächst eine knöcherne Rinne um die Zahnknospen bzw. Zahnkappen. Bei einem 8 Wochen alten Embryo besteht die Rinne aus 3 Kompartimenten: einem anterioren Kompartiment für die Anlagen der Milchschneidezähne, einem eigenen Knochenfach für die Milcheckzahnanlage und einem posterioren Kompartiment für die Anlagen der Milchmolaren. Im gesamten, hier untersuchten Entwicklungszeitraum blieben die Incisivi und Molaren ohne vollständige Septen. 2\. In der untersuchten Entwicklungsperiode ossifiziert die Mandibula im Bereich der Zahnanlagen nur desmal. Zunächst wird die knöcherne Rinne aktiv, d. h. rein appositionell um die Zahnanlagen gebildet. Ab der 9. Woche dann senken sich die Zahnanlagen tiefer in die knöchernen Fächer ein und Resorptionszonen werden erstmalig am Boden der Krypten sichtbar. Mit fortschreitender Entwicklung der Zahnanlagen finden ausgeprägte Knochenumbauvorgänge innerhalb der Anbau-, Abbau und Ruhezonen statt. Die Kompartimente vergrößern sich zentrifugal, da die Außenflächen der Knochenapposition und die den Zahnanlagen zugewandten Innenflächen der Knochenresorption unterliegen. Dabei bleibt die vestibuläre Lamelle der knöchernen Rinne in allen untersuchten Stadien stets ausgeprägter als die linguale. 3\. Die Zahnanlagen weisen Abstände zwischen 25 und 258 μm zum umgebenden Knochen auf. Bis zum Knospenstadium findet trotz geringer Abstände zur Zahnanlage appositionelles Knochenwachstum statt. Erst nach dem Beginn des Knochenumbaus (9. Woche) scheinen geringe Abstände zwischen Zahnanlage und umgebendem Knochen Resorptionsvorgänge an der Knochenoberfläche zu begünstigen. Die Abstände der Zahnanlagen zueinander verändern sich innerhalb der generellen Leiste stetig. Die vorliegenden 3D-Modelle mit ihrer genaueren Darstellung der Knochenumbauvorgänge können als morphologische Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Klärung der Rolle der mechanischen Kräfte in den biomechanischen Regulierungsprozessen sowie in der Ermittlung biochemischer Signalwege des sogenannten Tooth-Bone-Interface während der Odontogenese dienen.
The alveolar process of the jaw is a highly complex bony structure, the maintenance and remodeling of which are dependent on the teeth embedded in it. Even prior to their eruption the teeth have a modulating effect on the formation of the surrounding bone. In spite of the discovery of numerous molecular pathways, which play a role in cell differentiation within the so called tooth-bone-interface, our knowledge of the exact formation of the mandible, and the spatial relationship between the dental primordia and the surrounding bone is rather limited. A three-dimensional visualization of the mandible and the surrounding structures along with a histological analysis of the cells remodeling the bony surfaces allow us to gain further knowledge of this aspect of morphogenesis. Therefore, human mandibles were microscopically examined based on eight serial sections of embryos ranging from 19 to 68 mm crown-rump-length (CRL) (approx. 7th to 10th week post conceptionem). The deciduous teeth were in the earlier stages of development, presented as lamina, bud and cap stages. Four of the serial sections were then exemplarily reconstructed three-dimensionally using the software analySIS® (Olympus Soft Imaging Solutions, Münster, Germany). The bony surfaces of the mandible were histomorphologically examined to reveal the locally predominant bone remodeling behavior (apposition, resorption and resting areas), which was then marked in color within the created 3D-models. Subsequently, systematic distance measurements were conducted within the sections as well as within the 3D-reconstructions. The results of this study led to the following main conclusions: 1\. In the early stages of the embryonic development a noticeable spatial proximity was observed between the tooth germs and the mandible. Due to structural differences of the mandible between these stages to the post- eruptive alveolar process, a differentiated nomenclature should be applied for the prenatal structures. The mandible initially forms a bony groove around the tooth buds respectively caps. In an 8 week-old embryo this groove contains 3 compartments: an anterior compartment for the germs of the deciduous incisors, a proprietary crypt for the germ of the deciduous canine and a posterior compartment for the germs of the deciduous molars. In the present study the incisors and the molars are not separated by complete septa. 2\. In the examined specimens only intramembranous ossification of the mandible was observed in the area of the tooth germs. Initially, up to the 8th week, the bony groove is actively formed around the tooth germs solely by bone apposition. Then, beginning from the 9th week, the tooth buds become located deeper within the bony compartments and for the first time areas of bone resorption become visible at the bottom of the crypts. As the development of the tooth germs proceeds, distinct bone remodeling processes can be observed within the apposition, resorption and resting areas. The bony compartments enlarge centrifugally, since the outer surfaces of the bone are characterized by bone apposition, whereas the inner surfaces facing the tooth germs are characterized by bone resorption. In all stages examined, the vestibular lamella of the bony groove always remains higher than the lingual lamella. 3\. The measurements showed distances of 25 to 258 μm between the tooth germs and the surrounding bone. Up to the bud stage, appositional bone growth takes place despite small distances to the tooth primordia. It seems that only after the beginning of bone remodeling small distances between the tooth germ and the surrounding bone trigger bone resorption. Throughout the stages of development examined, the tooth germs show changing intermediate distances within the general dental lamina. The presented 3D-models of embryologic human mandibles with their detailed information on the bone remodeling processes can provide the morphological basis for further research on identifying biochemical signal pathways and mechanical influences of the structures involved within the so called tooth-bone-interface during odontogenesis.