Rudolf Virchow (1821-1902) gilt als einer der bedeutendsten Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Auf ihn geht unter anderem die Zellularpathologie als bis heute gültige Grundlage des biologischen und medizinischen Verständnisses vom Aufbau des menschlichen Körpers zurück. Er war tätig als Arzt, Pathologe, Hygieniker, Politiker, Anthropologe, Ethnologe und Vor- und Frühgeschichtler, außerdem beschäftigte er sich Zeit seines Lebens mit dem Aufbau verschiedener Sammlungen, vor allem seiner Sammlung patho-anatomischer Präparate. Teile dieser Sammlung sowie ältere Objekte aus anderen Berliner Sammlungen finden sich noch heute im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité (BMM). Der besonders alte Teilbestand von 147 Schädelpräparaten aus den Jahren 1757-1945 wurde im Rahmen dieser Arbeit wissenschaftlich erschlossen, bestimmt, katalogisiert und einer möglichen weiteren Forschung zugänglich gemacht. Eine Bearbeitung der Virchow´schen Sammlung pathologisch veränderter Schädel erschien aber auch deshalb interessant, da der menschliche Schädel als Zentralobjekt im wissenschaftlichen Werk Rudolf Virchows gelten kann. Sein Interesse verlagerte sich im Laufe seines Lebens von eher pathologischen Fragestellungen in die Anthropologie, wobei er in beiden Fächern disziplinbegründend wirkte. Der Übergang von der Pathologie zur Anthropologie unter Beibehaltung des Schädels als Forschungsobjekt von 1844 bis in die 1870er Jahre wird nachgezeichnet. Seinen Ausgang nahm Virchows Interesse an Schädeln bereits in seiner ersten Berliner Amtszeit, als er als Assistent und später Nachfolger des Pathologen und Zeichners Robert Froriep (1804-1861) in der Prosektur der Charité arbeitete. Durch einige erhalten gebliebene Schädelpräparate dieser Zeit sowie schriftliche Zeugnisse lassen sich die ersten Schritte Rudolf Virchows auf dem Gebiet der Schädelpathologie abstecken. Nach Virchows Berufung als Professor für pathologische Anatomie nach Würzburg folgten einige maßgebliche Aufsätze zu sich am Schädel manifestierenden Erkrankungen wie den Kraniosynostosen, dem Kretinismus sowie der Rachitis. In diesen wurden Teilergebnisse publiziert, welche 1857 in der entscheidenden Arbeit Entwicklung des Schädelgrundes in gesundem und krankhaftem Zustand zusammengeführt wurden, gleichzeitig öffnete sich die Perspektive Virchows hin zu ethnologischen Schädelformen und damit zur Anthropologie. Jedoch dauerte es noch ein weiteres Jahrzehnt, bis Virchow selbst als Anthropologe tätig wurde. Es folgte die Institutionalisierung der Anthropologie in Deutschland unter maßgeblicher Führung Virchows und eine bis zu seinem Lebensende nicht abreißende Folge von anthropologischen Veröffentlichungen, die häufig Schädel zum Gegenstand hatten.
Rudolf Virchow (1821-1902) is considered to be one of the most important scientists of the 19th century. He developed the Cellular pathology, to this day the biological and medical basis in understanding the constitution of the human body. He was active as a physician, pathologist, hygienist, politician, anthropologist, ethnologist and prehistorian. For his whole life he was also engaged in the constitution of several collections, especially his collection of patho-anatomical specimens. Parts of this collection as well as several older objects from other Berlin collections are today located within the Berlin Museum of Medical History of the Charité (BMM). One especially old sub- stock of 147 skull specimens dating from 1757 to 1945 has been scientifically described and catalogued for this thesis, and the specimens are now accessible to potential further exploration. The research on Virchow’s collection of pathologically altered skulls is also interesting because the human skull remains a central object in the scientific work of Rudolf Virchow. During his lifetime, his interest in skulls shifted life from more pathological problems towards anthropology, two scientific disciplines he essentially founded. The transition from pathology to anthropology, maintaining the skull as central study object from 1844 until the 1870ies is presented in this analysis. Virchow´s interest in skulls emerged from his first tenure at Berlin Charité hospital where he was assistant and later successor of the prosector Robert Froriep (1804-1861), pathologist and drawer. His first steps on the field of skull pathology can be traced with the help of some preserved specimens and written sources. After Virchows appointment to a professorship for pathological anatomy in Würzburg he wrote some relevant articles about diseases manifesting themselves on the skull such as craniosynostosis, cretinism, and rachitis. In these articles he published partial results which he later summarized in his crucial study Entwicklung des Schädelgrundes in gesundem und krankhaftem Zustand from 1857 in which Virchow opened his perspective towards ethnology and anthropology. It took however another ten years until he started to work as an anthropologist. The institutionalization of anthropology in Germany was achieved mainly by Virchow, and he published on anthropological topics till the end of his life, in many cases about skulls.