Biologische Alterungsvorgänge führen zum fortschreitenden Verlust der physischen und psychischen Anpassungsfähigkeit an die Lebensvorgänge. Die altersgebundenen Leistungsverluste einzelner Organsysteme drücken sich vor allem in herabgesetzter Adaptationskapazität und verminderter Reservekapazität aus. Ein Beispiel hierfür ist die rasche Dekompensation von inneren Organen (Herz, Niere), die verzögerte Mobilisation (mit oder ohne zusätzliche Komplikationen) und der rasche Abbau kognitiver Leistungen. Die Mangelernährung nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Die daraus entstehenden Risiken und Erkrankungen wurden in den letzten Jahren zunehmend erkannt. Als Konsequenz muss daher versucht werden, entsprechende standardisierte Screeningverfahren und Interventionsmöglichkeiten in der Altersmedizin zu etablieren. In der vorgelegten Arbeit wird dargestellt, wie Mangelernährungsassessment und andere Assessmentverfahren miteinander verbunden werden und neue Diagnostiktools in den klinischen Alltag etabliert werden können. Das Ziel der vorliegenden Arbeiten war, multimorbide Patienten mit altersgebundenen Leistungsverlusten einzelner Organsysteme mittels neuartiger Assessmentverfahren besser charakterisieren zu können und differenzierte Therapien in den klinischen Alltag zu integrieren. Schwerpunkte der Untersuchungen waren: • Charakterisierung von Faktoren, die eine Mangelernährung anzeigen können • Verknüpfung geriatrischer Assessment Tools • Evaluation und Entwicklung neuer Bestimmungsverfahren für den Energiebedarf geriatrischer Patienten • Standardisierte Erfassung der GFR unter Berücksichtigung der Körperzusammensetzung geriatrischer Patienten • Erfassung ernährungsrelevanter Risikofaktoren für den kognitiven Abbau • Unterstützung der orofacialen Therapie durch standardisierte Ernährungstherapieabläufe Die Untersuchungen wurden • mit Hilfe der indirekten Kaloriemetrie, BIA und diverser anthropometrischer Untersuchungsverfahren • durch vergleichende Untersuchungen diverser Assessmenttools • mittels spezieller Blutparameter durchgeführt. Wir haben die in der Literatur beschriebenen diversen Studien und verschiedenen Tools zur Diagnostik der Mangelernährung bei älteren Patienten evaluiert. In dem Vergleich der 5 gängigsten Verfahren wird die Schwierigkeit deutlich, dass man sich entweder für eine sehr ausführliche und gründliche Erhebung einer Mangelernährung mit einem deutlich höheren Zeitaufwand oder schnell durchführbare Tests mit geringerem Zeitbedarf, aber eingeschränkter Aussagefähigkeit, entscheiden muss. Die eigenen Untersuchungen zeigten dabei auf, dass der BMI, der in vielen Institutionen als ein Standardparameter für Mangelernährung gilt, bei betagten Menschen nicht brauchbar ist. BMI kann lediglich für Verlaufskontrollen hinzugezogen werden. Im Bezug auf Genauigkeit und Berücksichtigung von den multimorbiden Gesamtkonstellationen des geriatrischen Patienten ist bislang der MNA-Bogen zu empfehlen. Im klinischen Alltag ist jedoch gerade die Datenerhebung in Bezug auf Selbsteinschätzung zum Ernährungszustand bei geriatrischen Patienten in einem Akut-Krankenhaus nicht adäquat durchführbar, so dass eine Analyse der zielführenden Parameter für einen Mangelernährungszustand durchgeführt wurde. Die Faktoren wurden mittels einer linearen Regressionsanalyse in Bezug auf die klinische Diagnose einer Mangelernährung erhoben und bestehen aus: 1\. Gewichtsverlust innerhalb der letzten 3 Monate 2\. Mobilität 3\. BMI 4\. Anzahl der vollständig verzehrten Nahrungsportionen pro Tag 5\. Flüssigkeitsaufnahme pro Tag 6\. Nahrungsaufnahme Modus 7\. Allgemeiner Gesundheitszustand Ein effektives Assessment sollte daher diese Faktoren berücksichtigen, wobei es nicht zwingend notwendig ist, dass in einem solitären Assessmentbogen diese Faktoren erhoben werden. In unseren Untersuchungen konnten 6 der 7 Items aus parallel durchgeführten Assessmentverfahren in der Geriatrie erhoben werden. Dadurch wird ein erheblicher Zeitaufwand eingespart und die Compliance von Patienten und Untersuchern verbessert. Mangelernährung berührt nicht nur das Thema der allgemeinen Leistungsschwäche mit erhöhter Inaktivität und zunehmendem Sturzrisiko, sondern stellt auch im Rahmen der Wundheilung einen wichtigen Risikofaktor dar. Wie verschiedene Assessmenttools und Screnningtools im klinischen Alltag einer Akutgeriatrie sinnvoll miteinander vernetzt werden können, zeigt unsere Arbeit in Bezug auf die Risikoerfassung für Mangelernährung und Decubitus. In der Arbeit konnte eine signifikante Übereinstimmung bei der Risikoskalierung und damit der klare klinische Bezug zueinander hergestellt werden. Auch die Erfassung des Energiebedarfs zur Vermeidung eines Mangelernährungszustandes ist in der Altersmedizin ebenfalls noch nicht standardisiert und in den Klinikalltag integriert. Weltweit existieren circa 32 verschiedene Schätzformeln für die Bestimmung des Grundenergieumsatzes und des aktivitätsabhängigen Gesamtenergiebedarfs von geriatrischen Patienten. Unsere Messungen mittels indirekter Kalorimetrie deckten die Schwächen der derzeit verfügbaren Formeln auf und wiesen eine Überschätzung des Bedarfs von 10-40% bei betagten Patienten auf. Die möglichst präzise Einstellung des Stoffwechsels mit Ernährungssubstraten bei multimorbiden Patienten hat in Bezug auf mögliche Komplikationen, wie z. B. Hyperglykämien mit Komplikationen in der Wundheilung, Harnwegsinfekten oder Pneumonien einen hohen Stellenwert. In der linearen Regressionsanalyse diverser Parameter wurde deutlich, dass die bereits seit mehreren Jahren bekannte BIA wertvolle Informationen liefert. Die BIA führte zu einer deutlichen Verbesserung der Annäherung an den tatsächlichen Energiebedarf, weil die stoffwechselaktiven Kompartimente (Muskelmasse und Organe) und tatsächlich gemessene spezifische Charakteristika berücksichtigt werden. Wir haben unter Berücksichtigung verschiedener Ausrüstungsbedingungen in geriatrischen Kliniken drei verschiedene Lösungsmöglichkeiten erarbeitet: 1\. Die Mifflin & St. Jeor Formel weist die beste Korrelation mit der Indirekten Kaloriemetrie auf und wird für den klinischen Einsatz bei multimorbiden Patienten empfohlen. 2\. Ist ein BIA Gerät vorhanden, so sollte in der Formel das tatsächliche Körpergewicht durch die LBM ersetzt werden. 3\. Bei komplizierten metabolischen Situationen und längerer Ernährungstherapie (Monate/Jahre) sollte eine begleitende Kotrolle mittels indirekter Kalorimetrie erfolgen. Die BIA unterstützt auch andere Untersuchungen wie z.B. die Nierenfunktion. Die Abnahme des Muskelkompartiments mit dem Alter und damit des Energiebedarfs gehen auch einher mit der Abnahme der Creatinine Clearance im Alter. Die derzeit noch gängigen Bestimmungen zur Abschätzung der Nierenfunktion bei alten Menschen mittels Kreatinin und Harnstoff müssen nach den erhobenen eigenen Daten kritisch bewertet werden und sollten nur in der Verbindung mit der standardisierten Erfassung der GFR mittels CG-, der MDRD- Formel oder der um die LBM korrigierten CG-Formel erweitert werden. Wir konnten deutlich machen, dass die Erhebung der GFR durch die Berücksichtigung der LBM mittels BIA deutlich verbessert wurde. Dies sind wichtige Erkenntnisse für den klinischen Alltag in der Geriatrie, da ein Hauptcharakteristikum für den geriatrischen Patienten nicht nur die Multimorbidität, sondern auch die dadurch resultierende Multimedikation mit zunehmender Interaktions- und Komplikationsrate ist. Wir evaluierten die am häufigsten eingesetzten Substanzen in der Therapie von multimorbiden Patienten unserer Klinik und identifizierten ein hohes Risiko von bis zu 70% für eine Fehldosierung. Die korrekte Erfassung der Nierenfunktion bei geriatrischen Patienten ist wichtig für eine möglichst komplikationsfreie medikamentöse Therapie, aber auch für die Abschätzung des Hydratationszustandes und der Ernährungsbesonderheiten der Patienten. Mangelernährungszustände äußern sich häufig auch in kognitiven Störungen. Sie sind ein wichtiges Problem der Altersmedizin und beginnen meist als Mild Cognitive Impairment, und manifestieren sich im Verlauf in ausgeprägter Form als Morbus Alzheimer oder vaskuläre Demenz. Im Bezug auf kognitive Störungen spielen hierbei der erhöhte Hcys-Spiegel und die nicht ausreichende Aufnahme von Folsäure eine Rolle. Das sogenannte Mild Cognitive Impairment ist derzeit noch nicht gut standardisiert erfassbar, da hierfür keine standardisierten empfindlichen Assessment-Methoden und Screening- Parameter in der Geriatrie etabliert sind. Aus diesem Grunde werden Zusatzfaktoren oder auch Risikofaktoren evaluiert. In der durchgeführten Arbeit konnte jedoch gezeigt werden, dass Folsäure bei der Diagnostik im Rahmen des Mild Cognitive Impairment nicht zu Verbesserung der Diagnostik führen kann. Die Datenlage zeigt aber, dass Hyperhomocysteinämien im Rahmen von Gefäßerkrankungen mit vaskulären Demenzen und Morbus Alzheimer assoziiert sind. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die präventive Folsäureanreicherung in den Grundnahrungsmitteln (in den USA durchgeführt seit 1996) hierbei als hilfreich erweist. Wir konnten aber zeigen, dass durch Folsäuresubstitution ein normaler Hcys-Spiegel wiederhergestellt werden kann. Sichere Zugangswege in Bezug auf die Applikation von klinischer Ernährung sind bei kognitiv eingeschränkten Patienten, wie aber auch bei motorisch eingeschränkten Patienten im Rahmen eines Apoplex wichtig. Im Rahmen des multidisziplinären Ansatzes der Therapien bei geriatrischen Patienten ist daher untersucht worden, inwieweit eine frühzeitige PEG-Anlage die logopädische bzw. orofaciale Therapie unterstützt und damit bessere klinische Ergebnisse erzielt werden können. Die rasche Sicherstellung einer ausgewogenen bilanzierten Ernährung und die daraus resultierende bessere metabolische Stabilisierung des Patienten mit Unterstützung der kognitiven Leistungsfähigkeit war Gegenstand der Untersuchung. Es zeigte sich, dass zwar eine Anlage einer PEG mit Komplikationen vergesellschaft ist, aber eine konsequente Therapieindikationsstellung nach standardisiertem Assessment in Bezug auf Schluckstörungen vorteilhaft ist. Die frühzeitige Erfassung der Schluckstörung und die Einteilung in eine leichte oder schwere Form sichern eine spezifischere Indikationsstellung für eine PEG-Anlage. Damit wird das Risiko, dass Patienten dehydriert oder nicht ausreichend mit Ernährungssubstraten versorgt werden oder aus diesem Grunde eine Therapieverzögerung mit Komplikationen eintreten könnte, verhindert. Wie lassen sich die erhobenen wissenschaftlichen Daten in den klinischen Alltag einer Akutgeriatrie implementieren? 1\. Die 7 wichtigen Items für die Risikoerfassung bezüglich einer Mangelernährung wurden in die Routineassessments der verschiedenen Therapeutengruppen integriert. 2\. Die Bestimmung der Körperzusammensetzung mittels BIA erfolgt routinemäßig in Kombination mit dem Aufnahme-EKG. 3\. Bei der Festlegung der Ernährungstherapie wird der Energiebedarf bei geriatrischen Patienten mittels der Formel nach Mifflin-St.Jeor und dem jeweiligen Aktivitätsfaktor ermittlet. 4\. Die LBM geht in die standardisierte Berechnung von Energiebedarf und GFR direkt bei stationärer Aufnahme mit ein. 5\. Mangelernährungspatienten mit kognitiven Einschränkungen werden überwiegend mit Folsäure substituiert. 6\. Bei Patienten mit neurogenen Dysphagien wird das Ziel verfolgt, standardisiert innerhalb der ersten 10 Tage den Schweregrad der Schluckstörung zu erfassen und die Notwendigkeit einer PEG-Anlage festzulegen. Ob diese Maßnahmen die vereinzelt vorliegenden internationalen Studienergebnisse bestätigen oder die Situation für geriatrische Patienten bezüglich Reduktion von Komplikationen, Verkürzung der Liegezeiten, Erhalt oder Wiederherstellung von größtmöglicher Alltagsfähigkeit verbessern können, ist nun Gegenstand weiterer Untersuchungen.
Biological ageing processes lead to continuing loss of the physical and psychological abilities to adapt to life processes. The age depending functional impairment of several organ systems is mainly expressed in decreased adaption capacity and reduced reserve capacity. Malnutrition plays a central role. This work shows how malnutrition assessment and other assessment methods can be combined und a new diagnostic tool in the clinical daily routine can be established. The main points of this work are: Characterization of factors which can identify malnutrition, combination of geriatric assessment tools, development and evaluation of determination proceedings for the energy need of geriatric patients, Standardized recording of the GFR (glomerular filtration rate) considering the body composition of geriatric patients, detection of nutritional risk factors for cognitive decline and support of the orophacial therapy with standardized nutrition therapy proceedings. Malnutrition touches not only the general performance weakness with increased inactivity and risk of falling but also presents a risk factor in wound healing. Our work shows how different assessment and screening tools can useful be combined in the daily routine in acute geriatrics with regard to the risk management for malnutrition and decubitus. A significant match in the risk scaling could be found and with that the clear clinical relationship could be established. How can the scientific data be implemented in the clinical daily routine? 1\. The seven most important items for the risk management of malnutrition have been integrated in the routine assessment of the different therapist groups. 2\. The measurement of the body composition by means of BIA is routinely done together with the electrocardiogram at hospital admission. 3\. During determination of the nutritional therapy the energy need of patients is calculated by means of the Mifflin-St. Jeor formula together with the respective activity level. 4\. The LBM is included in the standardized calculation of the energy needs and in the GFR direct after hospital admission. 5\. Folic acid is supplemented mainly in all patients with malnutrition and cognitive impairment. 6\. Patients with neurological dysphagia mainly receive dysphagia diagnostics by a speech therapist within 10 days after admission to determine the need of a PEG placement. Wether these actions confirm the current international studies or the situation for geriatric patients concerning reduction of complications, shorter hospital stay, preservation or restoration of greatest possible ability in everyday tasks is objective of further research.