Die Pneumenzephalographie, die radiologische Abbildung der Hirnventrikel mittels injizierter Luft, ist ein in der heutigen Medizin obsoletes Verfahren. Sie spielte allerdings von den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bis zur Einführung der Angiographie und der Computertomographie, als erstes bildgebendes Verfahren in der Medizingeschichte mit dem man noch zu Lebzeiten ins Gehirn der Patienten blicken konnte, eine wichtige Rolle in der neurologischen und psychiatrischen Diagnostik. Diese Arbeit stellt anhand zeitgenössischer Publikationen und historischer Krankenakten die Entwicklung, Verbreitung und Anwendung des Verfahrens in Deutschland dar. Dabei wird die Rolle der damaligen ideologischen Strömungen sowie anderer wissenschaftlichen Kontroversen, wie die Diskussion über der Entstehung von traumatischen Neurosen beschrieben. Das Verfahren wurde von dem US-Amerikaner Walter Edward Dandy und vom Deutschen Adolf Bingel parallel und unabhängig voneinander entwickelt. Die Pneumenzephalographie diente neben der Hirntumor- und Hydrozephalusdiagnostik auch der Untersuchung psychischer Erkrankugen, wie z. B. der Schizophrenie. Vor dem Hintergrund der ab den 1920er Jahren in Deutschland immer stärker gewordenen Eugenikbewegung und Rassenideologie sowie der im Dritten Reich anlaufenden Sterilisationen und Euthanasieaktionen wurden mit dem Verfahren auch Aussagen über die Wertigkeit des Menschen getroffen. Da das Verfahren mit erheblichen Beschwerden und Risiken seitens der Patienten verbunden war, konkurrierte das oberste Gebort des ärztlichen Handelns, das „primum nil nocere”, stark mit dem damaligen Forschungsdrang der Mediziner. So ersieht man das deutlich aus den Krankenakten der Städtischen Nervenklinik für Kinder und Jugendliche in Berlin in der Zeit zwischen 1942 bis 1945. Hier wurde die Pneumenzephalographie bei den behandelten Kindern systematisch und in einigen Fällen auch experimentell angewendet.
Pneumoencephalography, a medical procedure to show up the brain ventricles on an X-Ray-picture after the injection of air, is outdated in the modern medicine. However, it played an important role in the diagnosis of neurological and psychiatric diseases from the beginning of the 1920s until the introduction of angiography and computed tomography in the 1970s. Pneumoencephalography was the first medical imaging procedure to allow the examination of live patients’ brains. This paper explores the development, spreading and use of this procedure in Germany by means of historical documents and records. Ideological tendencies and other scientific controversies which played a role in its history will be represented. Pneumoencephalography was developed parallel and independently by the American Walter Edward Dandy and the German Adolf Bingel. Besides the diagnosis of braintumors and hydrocephalus, it served for the examination of psychiatric diseases, like schizophrenia. Against the background of eugenics, sterilisation and euthanasia in the Nazi Germany pneumoencephalography was also used to measure the worth of human life. Because the use of the pneumoencephalography was connected with severe complaints and health risks of the patients, the fundamental principle of the medicine, „primum nil nocere” strongly competed with the use of this medical procedure. This will be displayed by historical medical records of a neurological and psychiatric clinic for children in Berlin („Städtische Nervenklinik für Kinder und Jugendliche”). In this clinic children were examined by the pneumoencephalography systematically and in some cases experimentally.