Diese Arbeit widmet sich dem Auslandsstudium von japanischen Medizinern zwischen 1868 und 1900 in deutschsprachigen Ländern und dessen Beitrag zur Professionalisierung der westlichen Medizin in Japan. Die ausgewählten Akteure erhielten ausnahmslos nach ihrem Auslandsstudium Medizinprofessuren an der Tōkyō-Universität (Todai) oder ihren Vorgängerinstitutionen. Im Fokus der Arbeit steht ihre Studien- und Lebenspraxis während des Auslandsaufenthalts. Zusätzlich werden die Zusammenhänge zwischen ihren Lebenserfahrungen im Ausland und der Herausbildung der so genannten deutschen Ära in der japanischen Medizingeschichte der Meiji-Zeit dargestellt. Indem das Auslandsstudium aus der Sicht der Akteure betrachtet wurde, statt, wie in der bisherigen Forschung üblich, ausschließlich aus Sicht der Meiji-Regierung, konnte gezeigt werden, dass die Interessen der Akteure am Fortbestand des Auslandsstudiums in deutschsprachigen Ländern eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die Akteure wurden in der vorliegenden Studie aufgrund zweier Kriterien, dem Grad ihrer Deutschkenntnisse und ihrem Ausbildungsstand in westlicher Medizin vor ihren Reisen nach Europa, in drei Gruppen eingeteilt. Beides hatte entscheidenden Einfluss auf die gesetzten Studienziele und auf die Handlungslogik während ihres Auslandsstudiums. Alle betrachteten Akteure sahen die Medizin in Deutschland als das Vorbild für die Professionalisierung der westlichen Medizin in Japan, die sie folglich nach Japan transferieren wollten. Insgesamt strebten die Akteure in ihrer Praxis während des Auslandsstudiums eine Anhäufung von symbolischem Kapital als Schüler deutscher Mediziner an. Dieses Kapital benötigten sie, um sich vor der japanischen Öffentlichkeit, der Regierung und den anderen japanischen Medizinern als Begründer einer westlich orientierten japanischen Medizin zu präsentieren. Eine zunehmende Identifikation der Akteure mit der deutschen Medizin im Laufe des Auslandsstudiums ist an ihrer Praxis auf verschiedenen Ebenen erkennbar. Die von ihnen angeeigneten Methoden, etwa die auf mikroskopischen Untersuchungen basierende Diagnostik und Erforschung von Krankheiten, wurden von ihnen nach ihrer Rückkehr in der eigenen Forschung und klinischen Arbeit angewandt und in der Ausbildung in Japan an die Studenten weitergegeben. Die deutsche Sprache nutzten sie in der öffentlichen wie auch der privaten Sphäre, etwa für das Publizieren ihrer Forschungsergebnisse in deutschen Medizinzeitschriften oder für das Schreiben des eigenen Tagebuchs. Durch Anpassung ihrer äußeren Erscheinung wurden sie in Japan nach ihrer Rückkehr als Schüler der deutschen Mediziner wahrgenommen. Ihr Engagement nach dem Ersten Weltkrieg für die Bewahrung der Erinnerung an die Bedeutung der deutschen Medizin für die japanische, die durch die Feindschaft der beiden Staaten im Weltkrieg gefährdet war, zeigte sich in öffentlichen Bekenntnissen zu den japanisch-deutschen Beziehungen und in der Fortführung von Erinnerungsfeiern für die deutschen Mediziner Rudolf Virchow und Robert Koch in Japan, die als Ikonen der deutschen Medizin galten. Die Namen ihrer deutschen Lehrer hielten sie durch die aktive Beteiligung an der Anschaffung von deren Nachlässen durch japanische Einrichtungen als erkennbare Symbole der deutschen Herkunft der japanischen Medizin nach der Meiji-Zeit sichtbar.
This book deals with Japanese physicians who studied abroad between 1868 and 1914 in the German language area and their influence on the professionalization of western medicine in Japan. The actors of my research became professors of medicine at Tokyo Imperial University or at its predecessors after returning from their studies abroad. This study focuses on their studying and living practices while staying in Europe. I will also describe the relationship between their learning and living practices and the development of the so-called German era within the Japanese medical history of the Meiji period. In contrast to previous research studies, in this book the practices of Japanese physicians studying abroad are interpreted from the perspective of the actors rather than from the perspective of the Meiji- government. In doing so, it can be shown that the interest of the actors is essential for the continued existence of the Japanese study abroad program in the German language countries. The actors of my research are divided into three different groups according to their German language skills and the medical training they had received before travelling to Europe. These two factors have a decisive influence on the goals the actors pursued in their studies and on the logic of their actions during their studies abroad. All actors of my research regarded German medicine as a model for Japan and intended to transfer it in order to improve the medical profession in Japan. They strived for the accumulation of symbolic capital in describing themselves as pupils of German physicians during their studies abroad. Only with the help of this capital can they represent themselves to be founders of Japanese western medicine in the eyes of the Japanese public, the Japanese government and other Japanese physicians. The increasing identification of the actors with the German medicine in the ongoing process of their studies in Europe can be identified in their practices on different levels. After they had returned to Japan they applied the methods they had acquired, like the diagnosis and investigation of diseases based on microscopic analyses, in their research and clinical activities and passed them on to their students. They continued to use the German language both in public and private circles, for instance for publishing their research results in German medical journals or for writing private diaries. They were recognized as pupils of German physicians because in their bodily representation they tried to imitate their German teachers. The outbreak of World War One endangered the exchange in medicine between Germany and Japan because of the antagonism of the two countries in this war. After the war the actors of my research engaged themselves in reminding the Japanese public of the importance of the Japanese-German relationship. They carried on commemorating the German physicians Rudolf Virchow and Robert Koch who were icons of German medicine. They also promoted the acquisition of the legacies of their German teachers by Japanese institutions. In doing so, the names of their German teachers served as symbols to remind the Japanese public of the German origin of Japanese medicine during Meiji-time.