Die Tiermedizin, früher ein von Männern dominiertes Berufsfeld, hat in den letzten 15 Jahren einen bedeutenden Anstieg an weiblichen Studienanfängern erfahren. Heute sind über 85 % der Tiermedizinstudierenden Frauen. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Absolventen/innen, die sich für eine Karriere in der Nutztiermedizin entscheiden. Immer mehr Praktiker, vor allem in ländlichen Gegenden, beklagen den Mangel an tierärztlichem Nachwuchs. Sowohl die Feminisierung als auch der Nutztierärztemangel stellen ein international auftretendes Phänomen dar. Unter Tierärzten und in der Fachliteratur wird lebhaft diskutiert, ob zwischen diesen beiden Trends ein Zusammenhang besteht. Vor allem in Australien, Kanada und den USA wurden bereits umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. In Deutschland gab es bisher keine aussagekräftigen Daten aus wissenschaftlichen Erhebungen zu dieser Thematik. Als mögliche Ursache wird, neben dem gestiegenen Frauenanteil unter den Studierenden, vor allem das schlechte Image der Nutztierpraxis diskutiert. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es herauszufinden, ob männliche und weibliche Studierende die Wahl für ein Tätigkeitsfeld nach dem Studium aufgrund unterschiedlicher Motivationen und Interessen treffen, wie die Vorlieben und Vorstellungen der Studierenden in Bezug auf ihr späteres Berufsleben aussehen und ob es Abweichungen zwischen den Vorstellungen der Studierenden und dem Berufsalltag von Assistenztierärzten/innen gibt. Um diese Fragen zu klären, habe ich eine schriftliche Befragung unter 1.498 Studierenden des ersten und neunten Semesters an den fünf deutschen tiermedizinischen Ausbildungsstätten durchgeführt (Rücklaufquote 80,3 %). Um den Abgleich zwischen den Vorstellungen der Studierenden und dem Berufsalltag von Assistenztierärzten/innen vornehmen zu können, habe ich darüber hinaus in einer zweiten Untersuchung 810 Assistenztierärzten/innen in ganz Deutschland befragt, die bereits über mehrjährige Berufserfahrung verfügten und in den Jahren 2004/2005 ihre Approbation erhalten hatten (Rücklaufquote 54,8 %). Die gewonnenen Daten zeigen, dass männliche Studierende (23,4 %) eher zu einer Karriere in der Nutztiermedizin tendieren als weibliche (12,0 %). Außerdem entschieden sich Studierende aus einer ländlichen Gegend mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Nutztierpraxis (55,6 %), als Studierende mit einem städtischen Hintergrund (18,1 %). Darüber hinaus weisen die Ergebnisse auf einen starken speziesspezifischen Zusammenhang zwischen den Vorlieben der Studierenden hinsichtlich eines Tätigkeitsfeldes und der Art der Tiere, die sie oder ihre Familien hielten, hin. Studierende, die ausschließlich Kleintiere hielten, zeigten ein starkes Interesse an der Kleintierpraxis (erwartete Häufigkeit 130,9, tatsächliche Häufigkeit 172). Hingegen bevorzugten Studierende, die Nutztiere ausschließlich oder zusammen mit Pferden und/oder Kleintieren hielten, eine Tätigkeit in der Nutztierpraxis (erwartete Häufigkeit 12,5, tatsächliche Häufigkeit 26). In Hinblick auf das Berufsbild ergaben sich die größten Unterschiede zwischen den Vorstellungen der Studierenden und den Angaben der Assistenztierärzte/innen bei der Beurteilung der Arbeitszeiten und der Verdienstmöglichkeiten. Während etwa gleich viele Studierende der Aussage zustimmten, gute Verdienstmöglichkeiten in der Kleintier- (45,6 %) bzw. der Nutztierpraxis zu haben (42,0 %), stimmten dem nur 16,0 % der Assistenztierärzte/innen aus dem Kleintierbereich, hingegen 39,7 % aus dem Nutztierbereich, zu. Weitestgehende Übereinstimmungen zwischen den beiden Gruppen gab es unter anderem bei der Aussage, dass die Arbeit in der Nutztierpraxis hart, körperlich anstrengend und schmutzig sei. Die Ergebnisse der Untersuchungen deuten an, dass für die Wahl des Tätigkeitsfel- des im Anschluss an das Studium die Herkunft, die gehaltenen Haustiere und das Geschlecht wichtige Einflussfaktoren darstellen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Vorstellungen der Studierenden über die Nutztierpraxis in großen Teilen mit dem Berufsalltag der Assistenztierärzte/innen übereinstimmen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es die bestehenden Praxisstrukturen in der Nutztierpraxis sind, die eine Karriere in diesem Bereich unattraktiv für den tierärztlichen Nachwuchs machen.
Over the past 15 years, veterinary medicine, previously a male-dominated profession has experienced a significant increase in the number of women applying for veteri-nary colleges. Today approximately 85% of veterinary students are female. Parallel to this development, there has been a decline in the number of graduates entering food supply veterinary medicine careers. More and more food animal veterinarians, foremost in rural areas, are complaining about their problems in recruiting young professionals for their practice. Feminization as well as the shortage of food animal veterinarians is an international phenomenon. In veterinary practice and scientific literature it has been discussed if these two trends are related. Mainly in Australia, Canada and the USA extensive research has been conducted about this subject. In Germany there is a significant lack of scientific data about this topic. In addition to the feminization as possible cause for the shortage of food animal veterinarians, the poor image of food animal practice has been discussed. The objective of this study was to investigate if female veterinary students make their career choices based on different influences and interests compared to male stu-dents, to identify the demands and prospects of today’s students concerning their professional career and if there are deviations between the students’ prospects and the daily work routine of young professionals. To determine these factors and their influence, I conducted a survey in 2007/2008 amongst 1.498 first- and fifth-year stu-dents, including all German veterinary faculties (response rate 80,3%). To compare the prospects of the students with the work routine of professionals I conducted a second survey amongst 810 young professionals from all over Germany (response rate 54,8%). The collected data showed that male students were more likely to favour a career in food animal practice (23,4%) than female students (12,0%). Students from rural ar- eas were more often committed to food animal practice (55,6%) than students with urban background (18,1%). Moreover, analyses revealed strong species- specific associations between students´ employment preferences and the kinds of animals they or their families had owned or kept. Students who had owned exclusively com-panion animals displayed a strong bias toward employment in small animal practice (expected frequency 130,9, observed frequency 172). However, students who had owned food animals exclusively or together with horses and/or small animals showed an increased preference for food animal practice (expected frequency 12,5, observed frequency 26). Major differences concerning the students’ occupational image and the work routine of young professionals were evident regarding working hours and potential earnings. An equal number of students agreed with the statement that in small animal (45,6%) and food animal (42,0%) practice the earnings were good, whereas only 16,0% of the small animal veterinarians and 39,7% of the food animal veterinarians agreed to that statement. Among other things, strong accordance between the two groups has been found concerning the statement that work in food animal practice would be hard, physically demanding, and dirty. The findings indicate that the factors background (rural or urban), gender and kept animals have influence on the choice of a career path after veterinary college. Fur-thermore the findings point out that the prospects of veterinary students for the most part concur with the vocational reality of food animal practitioners. This indicates that existing structures in food animal practice are unattractive for young veterinarians.