Der Versuch, das Menschliche in seiner Widersprüchlichkeit sichtbar zu machen, gerät bei Alfred Döblin zu einer groß angelegten literarischen Aktion. Gegenstand der Arbeit ist die Interpretation der beiden Döblinschen Werke "Berge Meere und Giganten" und "Amazonas" im Kontext von Theorien der Macht und der Souveränität. Beide Romane werden als autarke Werke behandelt. Gerade weil sich der Leser einer sehr umfangreichen Textmenge gegenübergestellt sieht, in der eine Vielzahl von Figuren in einer Vielzahl von Geschichten agieren, erfolgt die Interpretation eng am Text (close reading). Bei der Erschließung der Romane bildet der theoretische Kontext das konnotative Netz für die Interpretation. Um das Menschliche sichtbar zu machen, schildert Döblin in seinen Werken extreme Szenarien als Normalität. In "Amazonas" und "Berge Meere und Giganten" arrangiert er eine ungeheure Anzahl von Figuren. Einige treten nur kurz in Erscheinung, um wieder im Mosaik der Ereignisse zu verschwinden. Hauptfiguren gibt es nicht. Die Herrscher-Figuren sind weniger als Charaktere denn als Typen angelegt. Die Motivation ihrer Handlungen erschließt sich nicht aus einer irgendwie gearteten charakterlichen Eigenschaft, sondern ist nur deutbar im Kontext des gesamten literarischen Arrangements – aus der Herrschaftsstruktur, der nutzbar gemachten Ideologie, den mythologischen Bezügen und den Machtverhältnissen. Zentraler Anspruch der Arbeit ist es, die Figurenkonstellationen zu erschließen. Welcher Herrscher agiert wie in welchen Situationen? Welche Ereignisse zeitigen welche Konsequenzen für die handelnden Figuren? Anhand der Figurenkonstellationen in den Werken wird im Verlauf der Arbeit gezeigt, wie mythische Elemente bei Döblin mit geschichtlichen Formen souveräner Herrschaft verbunden sind. Der Souverän erscheint als Machtsubjekt am äußersten Pol, das die Schwelle zwischen Besinnungslosigkeit und Rationalität zu beherrschen versucht. Er spaltet sein Menschsein, um absolute Herrschaft zu erlangen, ohne sich in der Besinnungslosigkeit zu verlieren, die letztlich den Tod bedeuten würde. In den Herrscherpersönlichkeiten der beiden Döblinschen Werke gerät dies zu einem besonderen Konflikt. Sie beherrschen Menschen, und sind dazu nur fähig, weil sie das eigene Menschsein fast vollständig negieren. Wo ihnen die Negation gelingt, werden sie zu Besinnungslosen. In den Werken wird der Mensch mit selbst erzeugten Katastrophen konfrontiert. Sein Agieren macht das genuin Menschliche sichtbar. Der Hoffnung auf Errettung der Menschheit ist ein Vernichtungswahn gegenübergestellt, der jeweils in der Katastrophe endet, im Massaker, in der Entmenschlichung, im Kämpfen gegen und im Verschmelzen mit Natur. Im Ganzen erscheinen die Romane als ein Spiel mit divergierenden Antworten auf die Frage: Was ist der Mensch?
With Alfred Döblin the attempt to illustrate the human nature in it's contrariness is getting into a huge literary construction. Topic of this work is the interpretation of the two novels by Döblin "Berge Meere und Giganten" and "Amazonas" in the context of power and sovereignty. Both of the novels are being treated as self- sufficient works. The fact that a multiplicity of characters is acting in a multiplicity of stories is confronting the reader with a comprehensive amount of text thus resulting in an interpretation close to the text (close reading). The abstract context is providing a connotative net for the interpretation when making the novels accessible. To uncover the human nature Döblin is portraying extreme scenarios as if they were normal. In "Amazonas" and "Berge Meere und Giganten" he is arranging a huge amount of characters. Some are only appearing for a short moment just to disappear in the mosaic of the events. There are no central characters. The ruling figures have less been created as characters than as guys. The motivation of their action is not unlocked by any kind of natured trait but is only interpretable in the context of the whole literate arrangement: that is to say by the power structure, the utilized ideology, and the mythological references and by the balance of power. Central intention and demand of this work is to comprehend the constellation of the characters. How is which ruler acting in which situations? Which incidents are producing which consequences for the acting figures? By means of the constellation of the characters within Döblin's novels, in the process of this work it will be shown how mythic elements are connected with historical forms of superior authority. The sovereign appears as subject of power at the outmost pole trying to control the border between unconsciousness and logical reasoning. He splits his personhood to gain absolute power without losing himself within unconsciousness, which would mean death in the end. This is leading to a particular conflict within the ruling characters of the two novels by Döblin. They rule over human beings and are only able to do so by almost completely neglecting their own personhood. Where they succeed with their own negation they are becoming senseless beings. In Doblin’s novels man is confronted with self made catastrophes. His acting is uncovering the genuine „human“ within men. The hope of mankind rescue is opposed to a delusion of destruction which is each ending in catastrophe, in massacre, in dehumanization, in battle against and mergence with nature. All together the novels appear as kind of a play with diverging answers to the question: What is man?