Das Nijmegen-Breakage-Syndrom (NBS), ein autosomal rezessives Chromosomen- Bruchsyndrom, wird durch Mutationen im NBN-Gen verursacht. Das durch NBN kodierte Genprodukt Nibrin ist ein integraler Bestandteil des MRE11/RAD50/NBN (MRN) Komplex. Zu den Aufgaben des MRN-Komplexes zählt die Prozessierung von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSBs). Zu den klinischen Merkmalen des NBS zählen eine ausgeprägte Immunschwäche, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen sowie eine hohe Inzidenz maligner Neoplasien. Diese spiegeln die Bedeutung von Nibrin für die DSB-Reparatur wider. Über 90% der Patienten sind Träger einer homoallelisch vorkommenden 5bp Deletion innerhalb des NBN-Gens. Die ersten Beschreibungen betroffener Patienten stammen aus dem niederländischen Städtchen Nijmegen. Der Mutationsursprung wird jedoch vor mehr als zweitausend Jahren innerhalb der slawischen Völker vermutet. Dies erklärt die vergleichsweise hohe Prävalenz des NBS in Zentral- und Ost-Europa. Die extrem hohe Inzidenz maligner Neoplasien, höher als bei allen anderen Chromosomen-Bruchsyndromen, legt eine über das eigentliche Reparaturdefizit hinausgehende Störung, mit Beitrag zur erhöhten Mutationsrate, des NBS nahe. Ein Verständnis der über die DSB-Reparatur hinausgehenden Auswirkungen von Mutationen des NBN-Gens ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung neuer Ansätze in der Therapie des NBS. Den Anstoß zu der im Folgenden vorgestellten Publikation gab die Beobachtung, dass Proteine, welche in Folge eines erhöhten oxidativen Stress gebildet werden, in Leberlysaten konditionaler Nbn knockout Mäuse 24h nach Bestrahlung, im Vergleich zu Wildtyp-Kontrollen, vermehrt exprimiert wurden. Oxidativer Stress wird als Ungleichgewicht zwischen der Produktion und Elimination reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) definiert. Ursachen können entweder in einer Überproduktion oder einer gestörten Detoxifikation gefunden werden. Als Ursache eines erhöhtem oxidativen Stress bei einem DNA-Reparaturdefizitsyndrom wie NBS, wurde eine überschießende Aktivierung der Poly(ADP-ribose) Polymerase (PARP) aufgrund nicht reparierte DNA-DSBs vermutet. PARP fungiert als Nicotinamid- Adenin-Dinukleotid (NAD+) abhängiger DNA-Schadenssensor. Eine überschießende Aktivierung würde daher zum raschen Verbrauch der zellulären Speicher des als Co5 Enzym wichtigen NAD+ führen. Aus dem Verbrauch der NAD+-Speicher ergeben sich zwei Implikationen für die zelluläre Redox- Homeostase: Erstens, NADPH ist essentiell für die Regeneration des zentralen Anti-Oxidant Glutathione aus Glutathione-Disulfid notwendig; Zweitens, NADPH und NADH sind beide als direkte Radikalfänger wirksam. ROS sind wirkungsvolle Mutagene und führen zu einer schweren Schädigung der DNA. Eine Erhöhung des oxidativen Stress führt daher unvermeidlich zu einem Anstieg der Mutationsrate. In dieser Arbeit wurden Zellen von NBS-Patienten und murine Nbn knock-out Zellen nach Induktion von DSBs mit einem ROS sensitiven Fluoreszenzfarbstoff inkubiert und mittels Durchflußzytometrie analysiert. Es wird gezeigt, dass ein Verlust von Nibrin zu einem Anstieg des zellulären oxidativen Stresses 12h nach Auftreten der DNA Schäden führt. Eine Analyse poly-ADP ribosylierter Proteine der entsprechenden Zellen mittels Western- Blot, zeigt eine korrespondierende Erhöhung der PARP-Aktivität. Ebenso konnte ein konkomitantes Absinken der zellulären NAD+- Spiegel beobachtet werden. Durch Einsatz eines PARP-Inhibitors konnte ein Absinken von ROS, trotz bestehender DSBs, gezeigt werden. Hierdurch wurde erstmals ein direkter, kausaler Zusammenhang zwischen DSBs, PARP, NAD+ und ROS bewiesen. Diese Befunde stützen die Hypothese, dass die extrem hohe Prävalenz maligner Neoplasien bei Patienten mit NBS aus der kombinierten Wirkung von DNA- Reparaturdefizit und oxidativem Stress resultiert.
The gene underlying the autosomal recessive Nijmegen-Breakage-Syndrome (NBS), a chromosome breakage syndrome, is NBN. The NBN gene product, nibrin, is an integral member of the MRE11/RAD50/NBN (MRN) complex which is essential for processing DNA double strand breaks (DSBs). The cardinal features of NBS, immunodeficiency, radiosensitivity and an extremely high cancer incidence, reflect the role of nibrin in DSB repair. Over 90% of patients with this hereditary cancer disorder are homoallelic for a 5bp deletion in the NBN gene. This mutation occurred in the Slavic population at least two thousand years ago and is therefore particularly frequent in eastern and central Europe, even though the first patients described were from the Dutch city of Nijmegen. Cancer occurrence is extremely high in NBS, higher than in any other chromosome breakage syndrome, suggesting that more than the DSB repair defect itself is contributing to an elevated mutation rate. Understanding the effects of the NBN mutation, beyond the DSB repair defect, is an important goal for the development of therapeutic options for the NBS patients. Starting point for the publication presented here was the finding that proteins involved in combating oxidative stress are more highly expressed 24 hours after irradiation in the livers of NBS knockout mice, in comparison to control mice. Oxidative stress is defined as an imbalance between the production and the elimination of reactive oxygen species (ROS) and can be due either to excessive ROS production or to a deficiency in ROS eradication. We hypothesized that, in the case of a DSB repair deficiency such as NBS, oxidative stress could be consequence of a hyperactivation of Poly(ADP-ribose) polymerase (PARP), a DNA strand-break sensor, due to the deficiency in DSB- Repair in NBS cells. PARP requires NAD+ and its hyperactivation leads to rapid depletion of the cellular pool of this important dinucleotide coenzyme. Loss of NAD+ has two effects on ROS elimination: firstly, NADPH is essential for the regeneration of the central cellular antioxidant glutathione from oxidized glutathione disulfide; secondly, NADPH and NADH have been implicated in the direct scavenging of radicals. ROS attack DNA and are extremely mutagenic; increased oxidative stress leads inevitably to an increased mutation rate. Using flow-cytometric analysis of NBS patient cells and Nbn knock out mouse cells stained with a sensitive fluorescent indicator of ROS content, it was proven that loss of nibrin results in increased levels of ROS 12 hours after a mutagenic treatment to induce DSBs. A corresponding increase in PARP activity could be demonstrated by western blot analysis of poly-ADP-ribosylated proteins. An accompanying rapid depletion of cellular NAD+ in comparison to control cells was also found. Importantly, repression of PARP activity with a specific pharmacological inhibitor reduced ROS levels despite the presence of DSBs. Thus, a direct link between DSBs, PARP, NAD+ and ROS could be proven. The extremely high incidence of malignancy among NBS patients is thus the result of the combination of a primary DSB repair deficiency with secondary oxidative DNA damage.