Ein 14-monatiger Aufenthalt in der Antarktis an der Forschungsstation Neumayer III ist für das Team der Überwinternden eine Herausforderung an Psyche und Physis. Soziale Isolation, Reizdeprivation, Leben in einem künstlichen abgeschlossenen Habitat, lebensfeindliche Umgebung, sowie der durch Polarnacht und Polartag alterierte circadiane Rhythmus bedeuten erheblichen Stress für die Überwinternden. Diese Studie untersucht erstmals, ob eine stressbedingte Veränderung der sympathovagalen Balance anhand von Veränderungen der nächtlichen Herzfrequenzvariabilität während einer langfristigen antarktischen Überwinterungskampagne beobachtet werden kann. Insgesamt dreizehn Testpersonen zeichneten jeweils während der Isolationsphasen 2017 und 2018 von Februar bis Oktober monatlich ein 24h EKG auf. Im Rahmen dieser Studie erfolgt die Analyse von Faktoren der Herzfrequenzvariabilität der Zeit- und Frequenzdomäne. Störungsarme Aufzeichnungen der Herzfrequenzvariabilität wurden während der Nachtstunden von 00:00 – 06:00 Uhr erfasst. Es zeigen sich aufschlussreiche Veränderungen der autonomen Regulation über die Isolationsphase der Überwinterung.
So nahm die Dauer einer elektrischen Herzaktion, als wichtiger Indikator für Fitness und Wohlbefinden gegen Ende der Polarnacht deutlich ab. Kohärent hierzu veränderte sich die autonome Regulation des Herzens über den Beobachtungszeitraum. Die Faktoren pNN50 und rMSSD, als Parameter des Einflusses des parasympathischen Nervensystems (Resilienz, Erholungsfähigkeit, Regenerationsfähigkeit), erreichten am Ende der Polarnacht ihren Minimalwert. Der Faktor SDNN unterschritt klinisch etablierte Grenzwerte als Zeichen eines erhöhten kardiovaskulären Morbiditätsrsisikos. Zudem verschob sich das Verhältnis LF/HF, als Indikator der sympathovagalen Balance, mit Zunahme der sympathischen Aktivität unter Abnahme des Parasympathikustonus. Die Studie belegt wegweisend, dass während der Isolationsphase der Überwinterung die sympathovagale Balance mit fortschreitender Isolationsdauer durch sympathischen Einfluss dominiert wird und zum Teil gravierende Veränderungen der Regulation des autonomen Nervensystems beobachtet werden können.
A 14-month stay in the Antarctic at Neumayer III research station is challenging to psyche and physis of the wintering team. Social isolation, deprivation, containment, hos-tile environment and altered circadian rhythm cause considerable stress for those who winter over. This study enquires whether a stress-induced alteration of the sympathovagal balance is revealed by shifts in nocturnal heart rate variability (HRV) during a long-term Antarctic wintering campaign. Thirteen test persons in total recorded a monthly 24-hour ECG during the isolation phase from February to October 2017 and 2018 respectively. This study targets the analysis of representative factors of time and frequency domain of HRV. Reliable recordings of HRV were observed during night hours from 00:00-06:00 UTC, which revealed the modulation of autonomous regulation over the isolation period. The duration of an electrical heart action decreased significantly towards the end of the polar night. Furthermore, a change in autonomous regulation of the heart could be ob-served. Parameters that represent the influence of the parasympathetic nervous system (resilience, ability to recover, regenerative capacity), such as pNN50 and rMSSD reached their minimum value at the end of the polar night. Time domain factor SDNN even decreased below clinically established limits as a sign of an increased risk of cardiovascular morbidity. Frequency domain factor LF/HF as an indicator of sympathovagal balance shifted with a gradual increase in sympathetic activity at the expense of parasympathetic activity. The study holds evidence that during the isolation period of the winter over campaign sympathovagal balance gets more dominated by sympathetic influence and partially severe changes in the regulation of the autonomic nervous system take place.