Während die Milchkälberanämie in ihrer Ätiologie, Pathogenese und Therapie sehr gut erforscht ist, sind die Ursachen der kongenitalen Anämie nicht bis ins Einzelne geklärt. Als Ursache ist in der Literatur die gestörte fetale Erythropoese aufgrund eines unzureichenden plazentaren Fe-Transportes aufgeführt. Als weitere mögliche Ursache wird ein fetaler Blutverlust um die Geburt herum genannt. Zielstellung der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung hämatologischer Parameter von Kälbern in der ersten Lebenswoche hinsichtlich der Prävalenz der kongenitalen Anämie in ostdeutschen Milchviehherden. Außerdem sollte die Dynamik der Blutparameter beleuchtet und Einflussfaktoren auf die initialen Blutparameter des Kalbes charakterisiert werden. Zu diesem Zweck wurden zwei Untersuchungen durchgeführt. In der Untersuchung 1 (US1) wurde eine große Milchviehanlage im Norden Brandenburgs zwischen Oktober 2016 und September 2017 regelmäßig besucht, um eine große Stichprobe unter gleichen Haltungs- und Managementbedingungen zu untersuchen. In vorausgegangenen Bestandsuntersuchungen waren mehrfach hochgradig anämische Kälber in der ersten Lebenswoche aufgefallen. In der Untersuchung 2 (US2) wurden im Rahmen der Bestandsuntersuchung der FU Berlin auf 30 unterschiedlichen Betrieben fünf bis zwölf Kälber in der ersten Lebenswoche beprobt und die Mittelwerte miteinander verglichen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand der Hämatokrit. Des Weiteren wurden die Blutparameter Hämoglobin, Erythrozytenzahl, MCV, MCH, MCHC sowie die Thrombozyten- und Leukozytenzahlen gemessen. Zur Überprüfung von Zusammenhängen und Einflussfaktoren wurden kategorielle Variablen mit einer ANOVA mit Post-Hoc-Test verglichen. Metrisch skalierte Variablen wurden mit den Blutparametern in einer Regressionsanalyse modelliert. In US2 wurden zudem TMR-Analysen der Vorbereiterration in multiplen Regressionsmodellen auf Einflüsse auf die Blutparameter des Kalbes analysiert. Die Hämatokrit-Referenzintervalle lagen in US1 zwischen 0,164-0,417 l/l und in US2 zwischen 0,175-0,455 l/l. Die Blutparameter wiesen in der ersten Lebenswoche eine zum Teil signifikante Dynamik auf. Der Hämatokrit fiel in den ersten Lebenstagen signifikant ab und fand seinen Tiefpunkt am dritten (US1) bzw. vierten (US2) Lebenstag. Zum Ende der ersten Lebenswoche stiegen die Werte wieder an. Die Verläufe von Hämoglobin und Erythrozytenzahl gestalteten sich aufgrund der starken Korrelation untereinander und zum Hämatokrit ähnlich. Das größte mittlere Zellvolumen (MCV) wiesen die Erythrozyten kurz postnatal an Lebenstag 0 auf, bevor es signifikant abnahm. Der MCH blieb konstant. Der MCHC erhöhte sich innerhalb der ersten 24 Stunden und blieb dann nahezu stabil. Die Dynamik der Leukozyten war vergleichbar mit dem Hämatokrit mit einem nicht-linearen Abfall in der Wochenmitte und einem Anstieg zum sechsten und siebten Lebenstag. Die Thrombozyten hingegen zeigten nach dem niedrigsten Wert an Lebenstag 1 einen steilen, progressiven Verlauf. Der signifikante Abfall der Blutparameter mit anschließendem Anstieg zum sechsten und siebten Lebenstag bei gleichzeitiger Thrombozytose könnte auf einen intrapartalen Blutverlust mit anschließender Regeneration hindeuten. Der Grenzwert für eine Anämie wurde auf einen Hämatokrit von <0,20 l/l festgesetzt. Die Prävalenzen der kongenitalen Anämie lagen in US1 in der ersten Lebenswoche zwischen 6,8% (US1) und 3,2% (US2) der Stichproben. Von einer Präanämie (<0,25 l/l) betroffen waren zwischen 18,9% in US1 und 15,7% in US2, was vor dem Hintergrund der Milchkälberanämie und sinkenden Blutparametern im weiteren Verlaufe der Aufzucht kritisch zu sehen ist. Die interindividuelle Streuung war unmittelbar nach der Geburt am größten. Männliche Kälber wiesen signifikant (US1) niedrigere Blutparameter auf als weibliche Kälber. Ebenfalls hochsignifikant negativ wirkten sich Mehrlingsgeburten und Geburtskomplikationen aus. Die Laktationsanzahl der Kalbmutter sowie das Geburtsgewicht nahmen keinen Einfluss. Kälber mit akuter neonataler Diarrhoe wiesen aufgrund einer Dehydratation höhere Hämatokrit-Werte auf, während die Werte der Gruppe der anderweitig gesundheitlich auffälligen Kälber niedriger waren. Im Vergleich zwischen den Bertrieben in US2 hatte eine orale oder parenterale Eisensupplementierung in der ersten Lebenswoche keinen messbaren Effekt. Kreuzungskälber (Holstein Friesian X Weißblaue Belgier) wiesen hochsignifikant höhere Blutparameter auf. In der Regressionsanalyse nahm der Milchfettgehalt in der Vorlaktation sowie die Trächtigkeitsdauer einen signifikant negativen Einfluss auf den Hämatokrit. Im Betriebsvergleich unterschieden sich die Blutparameter hochsignifikant. Der niedrigste Hämatokrit-Mittelwert eines Betriebes lag bei 0,252, der höchste bei 0,380 l/l. Die Vorbereiterfütterung nahm Einfluss auf die Blutparameter der Kälber und könnte somit eine Ursache für die großen Unterschiede zwischen den Betrieben sein. Sehr hohe Selen- und Schwefelgehalte in der Vorbereiter-TMR korrelierten mit niedrigen Hämatokrit-Werten der neugeborenen Kälber. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen deuten darauf hin, dass den intrapartalen Blutverlusten im Hinblick auf die kongenitale Anämie erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken ist. Die signifikanten Unterschiede zwischen den Betrieben und der Einfluss mancher Fütterungsparameter auf die Höhe der Blutparameter lassen jedoch ebenfalls eine gestörte fetale Erythropoese vermuten.
While the etiology, pathogenesis and therapy of iron deficiency anemia are well understood, the causes of congenital anemia have not been elucidated in detail. The literature lists impaired fetal erythropoiesis due to inadequate placental iron-transport as a cause. Another possible cause is fetal blood loss around birth. The aim of the present study was to investigate hematological parameters of calves in the first week of life regarding the prevalence of congenital anemia on East German dairy farms. In addition, the dynamics of blood parameters were to be illuminated and factors influencing the initial blood parameters of the calf were to be characterized. For this purpose, two investigations were conducted. In investigation 1 (US1), a large dairy farm in northern Brandenburg was visited regularly between October 2016 and September 2017 in order to study a large test population under the same housing and management conditions. In study 2 (US2), 5-12 calves were sampled at the first week of life on 30 different farms. Mean values were compared and the prevalence of congenital anemia calculated. Investigations especially focused on the hematocrit. Furthermore, the blood parameters hemoglobin, erythrocyte count (RBC), mean corpuscular volume (MCV), mean corpuscular hemoglobin (MCH), mean corpuscular hemoglobin concentration (MCHC), platelets and leukocytes were determined. To examine associations and influencing factors, categorical variables were compared using ANOVA with post-hoc tests. Metric variables were modeled with blood parameters in a regression analysis. In US2, the influences of selected ingredients of the Total mixed rations (TMR) fed to the transition cows on calf blood parameters were additionally evaluated using multiple regression models. Hematocrit reference intervals ranged from 0.164-0.417 l/l in US1 and from 0.175-0.455 l/l in US2. All blood parameters show significant dynamics within the first week of life. The hematocrit dropped significantly in the first days of life and reached its nadir on the 3rd (US1) or 4th (US2) day of life, respectively. It started increasing again at day 6 and 7. The graphs of hemoglobin and erythrocyte count were similar to the hematocrit curve due to their strong interrelation. The erythrocytes showed the largest MCV shortly after birth on day 0 before it decreased significantly. The MCH remained stable. MCHC increased within the first 24 hours and then remained nearly stable. The dynamics of leukocytes were comparable to the hematocrit with a nonlinear decrease in midweek and an increase at day 6 and 7 of life. Platelets showed a steep, progressive course after the lowest value on day 1 of life. The significant decrease in blood parameters followed by an increase at day 6 and 7 with concomitant thrombocytosis indicated intrapartum blood loss and subsequent regeneration. The cutoff value for anemia was set at a hematocrit of <0.20 l/l. The prevalence of congenital anemia ranged from 6.8% (US1) to 3.2% (US2) of populations in US1 at the first week of life. Pre-anemia (<0.25 l/l) affected between 18.9% and 15.7% of calves in US and US2, respectively. Calves affected by pre-anemia are critical regarding iron deficiency anemia and declining blood parameters later in the pre-weaned period. The interindividual dispersion was greatest immediately after birth. Male calves showed significantly (US1) lower blood parameters than female calves. Furthermore, multiple births and birth complications were factors significantly negatively influencing the blood parameters. The number of lactations of the dam as well as the birth weight had no influence. Calves with acute diarrhea had higher hematocrits, RBC and hemoglobin-concentrations due to dehydration, while those with other health issues had low hematocrits. Compared among farms in US2, oral or parenteral iron supplementation in the first week of life did not have a measurable effect. Crossbred calves (Holstein Friesian cows X Belgian Blue) had significantly higher blood parameters. In the regression analysis the milk fat content in the previous lactation as well as the gestation length had a significant, negative influence on the hematocrit. The blood parameters differed significantly among farms. The minimum and maximum mean hematocrit values observed were 0.252 and 0.380 l/l, respectively. The composition of the transition-cow-TMR influenced blood parameters of neonatal calves. Very high selenium and sulfur levels correlated with low hematocrit values. The results of the present studies suggest that increased attention should be paid to intrapartum blood losses regarding congenital anemia. However, the significant differences observed among farms and the influence of some dietary components on the level of blood parameters also suggest impaired fetal erythropoiesis.