Der Ernährung wird neben anderen Umwelteinflüssen und genetischen Faktoren in der Ätiologie der Adipositas eine große Bedeutung beigemessen. Dies betrifft in besonderem Maße das Kindes- und Jugendalter, da die Phase des Heranwachsens als entscheidend für die spätere Entwicklung einer Adipositas und assoziierter Folgeerkrankungen gilt. Zu einer adäquaten Ernährung trägt die Geschmackswahrnehmung entscheidend bei, indem Nahrungsmittel auf ihre Verträglichkeit hin überprüft, Nährstoffe identifiziert und der Schutz vor toxischen Substanzen sichergestellt werden. Des Weiteren stellen Essenspräferenzen, insbesondere im Kindes- und Jugendalter, ein zentrales Kriterium für die Nahrungsmittelwahl dar. Ob sich adipöse und normalgewichtige Personen in ihrer Geschmackswahrnehmung und ihren Nahrungspräferenzen unterscheiden, ist wissenschaftlich umstritten und nicht abschließend geklärt. Besonders für das Kindes- und Jugendalter ist die Datenlage diesbezüglich unzureichend. Ziel dieser Arbeit war es, im Rahmen einer Querschnittsstudie 100 adipöse sowie 100 normalgewichtige Kinder und Jugendliche im Alter von 6-18 Jahren hinsichtlich ihrer Geschmackswahrnehmung und ihrer Nahrungspräferenzen zu untersuchen. Außerdem wurde der Einfluss der Faktoren Geschlecht, Alter und ethnische Zugehörigkeit auf diese überprüft. Mittels imprägnierter Filterpapierstreifen wurde die Geschmackswahrnehmung für die fünf Geschmacksqualitäten „süß“, „sauer“, „salzig“, „umami“ und „bitter“ sowie die synthetische Bittersubstanz Propylthiouracil (PROP) getestet. Für die Gesamtheit der Geschmacksqualitäten sowie für die einzelnen Geschmacksrichtungen wurde aus der Anzahl richtig erkannter Geschmacksrichtungen ein Summenscore gebildet. Des Weiteren bewerteten die Probanden die Intensität unterschiedlicher Süß-Konzentrationen auf einer 5-stufigen Punkteskala. Zur Erhebung der Nahrungspräferenzen bewerteten die Probanden 94 Nahrungsmittel hinsichtlich ihrer Präferenz auf einer 5-stufigen Gesichtsskala. Es konnte gezeigt werden, dass die Gruppe der adipösen Kinder und Jugendlichen, verglichen mit der Kontrollgruppe, die dargebotenen Geschmacksreize in ihrer Gesamtheit signifikant schlechter identifizieren konnte (p<0,001). Hinsichtlich der einzelnen Geschmacksqualitäten wurde in der Gruppe Adipositas eine signifikant geringere Wahrnehmung der Geschmacksqualitäten „salzig“, „umami“ und „bitter“ beobachtet. Des Weiteren haben sich die Faktoren Alter und Geschlecht als gewichtige Determinanten herausgestellt: mit zunehmendem Alter und bei weiblichem Geschlecht konnte eine differenziertere Geschmackswahrnehmung beobachtet werden. Die adipösen Probanden bewerteten die unterschiedlichen Süß-Konzentrationen hinsichtlich ihrer Intensität signifikant geringer. Zur Auswertung der Nahrungspräferenzen wurden die einzelnen Items zu Nahrungsmittel- und Getränkegruppen zusammengefasst. Hierbei wiesen die Nahrungsmittelgruppen Obst, Kartoffel-/Nudel-/Reisgerichte und Fastfood die höchsten Präferenzwertungen auf. Die adipösen Kinder und Jugendlichen gaben insgesamt niedrigere Präferenzwertungen ab, dieser Effekt zeigte sich insbesondere bei ungesunden Nahrungsmitteln mit hohem Fett- und/oder Zuckergehalt. Als Ursache für dieses auch von anderen Autoren bei adipösen Kindern und Jugendlichen beobachtete Phänomen wird eine stärkere Beeinflussung der Präferenzwertungen durch Effekte der sozialen Erwünschtheit angenommen. Hinsichtlich des Geschlechts zeigten sich ebenfalls unterschiedliche Präferenzmuster: so bewerteten die Jungen Fleisch und Fastfood sowie Softdrinks signifikant höher, die Mädchen zeigten größere Vorlieben für Obst und Gemüse. Mit zunehmendem Alter wiesen die Probanden signifikant niedrigere Präferenzwertungen auf. Die ethnische Zugehörigkeit erwies sich lediglich für die Nahrungsmittelgruppe Fleisch als bedeutende Determinante. Die These, dass sich adipöse Kinder und Jugendliche hinsichtlich ihrer Geschmackswahrnehmung von normalgewichtigen Gleichaltrigen unterscheiden, konnte in dieser Arbeit bestätigt werden. Die vorliegenden Daten erlauben keine Rückschlüsse auf die Kausalität. Aktuelle Studien zur Modulation der Geschmackswahrnehmung deuten darauf hin, dass es sich beim Geschmackssinn um ein plastischeres Sinnesorgan handelt als dies bislang angenommen wurde. So mehren sich die Hinweise, dass neben den gut erforschten genetischen Einflussfaktoren auch hormonelle sowie lernpsychologische Einflüsse eine bedeutsame Rolle spielen. Die Zusammenhänge zwischen Geschmackswahrnehmung, Ernährungsverhalten und Adipositasrisiko sind bislang noch unzureichend verstanden. Weitere Studien hierzu sind anzustreben, um neue Strategien zur Adipositas-Prävention im Kindes- und Jugendalter zu entwickeln.
Background: Taste sensitivity varies between individuals. Several studies describe differences between obese and non-obese subjects concerning their taste perception. However, data are partly contradictory and insufficient. Food preference - especially in children and adolescents – is an essential determinant for food selection. Therefore, in this study taste sensitivity and food preferences of obese and non-obese children/adolescents were analysed. Methods: In a cross-sectional study gustatory sensitivity and food preference of n = 99 obese subjects (BMI> 97th percentile) and n = 94 normal weight subjects (BMI< 90th percentile), 6-18 years of age, were compared. Sensitivity for the taste qualities sweet, sour, salty, umami and bitter was analysed by means of impregnated “taste strips” in different concentrations. A total score was determined for all taste qualities combined as well as for each separately. Furthermore, the possible influence of sex, age and ethnicity on taste perception was analysed. While an intensity rating for sweet was performed on a 5-point rating scale the food preferences for 94 different items were determined using a 5-point facial scale. Results: Obese subjects showed - compared to the control group - a significantly lower ability to identify the correct taste qualities regarding the total score (p<0.001). Regarding individual taste qualities there was a significantly lower detection rate for salty, umami and bitter by obese subjects. Furthermore, the determinants age and sex had a significant influence on taste perception: older age and female sex was associated with better ability to identify taste qualities. Concerning the sweet intensity rating obese children gave significantly lower intensity ratings to three of the four concentrations. Items with high sugar and fat content were rated significantly lower in the food preference rating by obese subjects. Girls showed higher preference for healthy food. Conclusions: Obese and non-obese children and adolescents differ in their taste perception. Obese subjects could identify taste qualities less precisely than children and adolescents of normal weight. Food preference rating in obese children/adolescents is highly influenced by social request.