Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Fremdbeurteilung von Inhaftierten durch den Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD). Verhaltensbeobachtungen durch den AVD gehören vielerorts bereits zum vollzuglichen Alltag (z.B. im Rahmen von Vollzugsplankonferenzen), erlauben sie doch potentiell wertvolle Einblicke „hinter die Kulissen“, die dem therapeutischen Personal oftmals im Verborgenen bleiben. Bisherige Forschungsbefunde aus benachbarten Disziplinen (z.B. Psychiatrie) weisen indessen darauf hin, dass solche Einschätzungen insbesondere dann valide sind, wenn sie systematisch erfolgen und strukturiert erfasst werden. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen der Evaluation einer sozialtherapeutischen Einrichtung des Jugendstrafvollzuges ein Fragebogen mit 16 Skalen zur systematischen Einschätzung beobachtbarer Verhaltens- und Persönlichkeitsmerkmale durch Bedienstete des AVD zusammengestellt. Die Skalen wiesen in einer Stichprobe mit n = 62 jungen Inhaftierten der Sozialtherapeutischen Abteilung der Jugendstrafanstalt Berlin überwiegend zufriedenstellende bis gute psychometrische Eigenschaften auf. Sie korrelierten mit einer Anzahl haftbezogener Merkmale (z.B. Regelverstöße) und prognostischen Risikobeurteilungen (PCL-R und HCR-20). Regressionsanalytische Untersuchungen zur Vorhersage des Therapieerfolgs liefern weitere Belege für die Konstruktvalidität des Instruments. Schließlich konnte in einer Substichprobe (n = 26) von Gefangenen, die nach der Erstbeurteilung rund ein Jahr in der Einrichtung verblieben waren, gezeigt werden, dass die Einschätzungen des AVD sowohl erwünschte als auch unerwünschte Verhaltensveränderungen im Behandlungsverlauf abbilden konnten. Der potentielle diagnostische Nutzen sowie Implikationen einer systematischen Erfassung von Verhaltensbeobachtungen durch den AVD werden diskutiert.
The following study investigates behavioral assessment of prisoners by correctional officers. Behavioral observation by prison officers is an important part of the daily-routine in prisons and offender treatment programs as they allow gathering information that is normally not accessible for the therapeutic personnel. Previous research from neighboring disciplines (e.g., psychiatry) shows that such reports are valid if they are conducted in a systematic and structured way. Accordingly, for the current study we compiled a questionnaire including 16 scales for prison officers working in a juvenile offender treatment program to systematically assess behavior and personality traits. In a sample of n = 62 juvenile offenders the scales did show moderate to good psychometric properties. The scales correlated with objective measures of institutional behavior in prison (e.g., misconduct) as well as risk assessment instruments (i.e., PCL-R, HCR-20). Regression analysis to predict therapeutic success further attested to the construct validity of the scales. A subsample of prison officers (n = 26) who completed a second assessment one year later were able to assess positive and negative behavioral change made during that time. This article discusses the potential diagnostic relevance of a structured behavioral assessment of offenders by prison officers as well as further implications.