dc.description.abstract
Sowohl theoretisch als auch empirisch konnte bereits die Schlüsselrolle von Familien im Entwicklungsprozess ihrer Kinder herausgestellt werden. Aus diesem Grund wird in neueren Modellen frühpädagogischer Qualität die Zusammenarbeit mit Familien auch als eigenständige Qualitätskomponente angenommen (vgl. Kluczniok & Roßbach, 2014). Hierbei liegt die Annahme zugrunde, dass eine familienergänzende Kindertagesbetreuung sich besonders positiv auf die Entwicklung der Kinder auswirken kann, wenn Fachkräfte neben den Kindern auch deren Familien in ihr pädagogisches Handeln miteinbeziehen. Im Fachdiskurs werden für die Zusammenarbeitsthematik unterschiedliche Begrifflichkeiten genutzt, die auch mit einem veränderten Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Kita und Familie einhergehen (vgl. Stange, 2012). In dieser Arbeit wird in Anlehnung an Betz (2015) unter der Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien jegliche Form der organisierten Kommunikation und Kooperation zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Eltern verstanden; folglich gelten frühpädagogische Fachkräfte als verantwortlich für die Gestaltung der Zusammenarbeit und es ist Bestandteil ihres professionellen Aufgabenrepertoires, eine qualitativ hochwertige Zusammenarbeit umzusetzen (vgl. Roth, 2014).
Betrachtet man bisherige Forschung im Bereich der Zusammenarbeitsthematik so wird deutlich, dass oftmals nur Belege für die Bedeutung der Elternbeteiligung sowie einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Kita und Familie geliefert wurden (z. B. Fantuzzo et al., 2013; Mautone et al., 2015; Serpell & Mashburn, 2012). Unbeantwortet bleibt meist, welche Voraussetzungen seitens der Kita für eine erfolgreiche Zusammenarbeit geschaffen werden müssen. Das vorliegende Dissertationsvorhaben beabsichtigt daher, innerhalb vier Teilstudien zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Familien als Qualitätsdimension beizutragen.
Die erste Teilstudie untersuchte die Struktur und Beschaffenheit der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation im Rahmen der morgendlichen Bringsituation sowie Qualitätsunterschiede nach strukturellen Rahmenbedingungen der Einrichtungen anhand eines neu entwickelten Beobachtungsinstruments. Die Ergebnisse konfirmatorischer Faktorenanalysen zeigten, dass sich die Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation in die Dimensionen Gesprächs- und Interaktionsbereitschaft, Kommunikationsstrategien und Verabschiedung differenzieren ließ und sich somit die Prinzipien der personenzentrierten Gesprächsführung auf den frühpädagogischen Kontext übertragen lassen. Einrichtungen mit einem höheren Anteil an akademisch ausgebildetem Personal, mit günstigeren Fachkraft-Kind-Verhältnissen sowie mit einer Organisation der pädagogischen Arbeit in Stammgruppen wiesen eine höhere Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation auf. Unterschiede hinsichtlich des Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund sowie der Einrichtungsgröße konnten nicht festgestellt werden.
Die zweite Teilstudie nutzte das Beobachtungsinstrument aus Teilstudie 1 und untersuchte, inwieweit die beobachtete Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation, aber auch fragebogenbasierte Qualitätsmerkmale, die seitens der Familien eingeschätzt wurden, mit dem Vertrauen von Eltern zusammenhingen. Entsprechend gängiger Vertrauenstheorien wurde zudem getestet, inwiefern das Vertrauen mit familiären Hintergrundmerkmalen assoziiert ist. Die Ergebnisse zeigten, dass Familien in Einrichtungen mit einer höheren beobachteten Qualität ein höheres Vertrauen in das Personal aufwiesen. Mit Blick auf die Qualitätseinschätzungen der Familien sowie deren Zufriedenheit mit der Kommunikation im Rahmen der Tür- und Angelgespräche ließen sich ebenfalls signifikant positive Zusammenhänge feststellen. Die Analysen zeigten des Weiteren, dass Eltern mit einer anderen Familiensprache als Deutsch und Eltern mit verhaltensauffälligen Kindern ein signifikant niedrigeres Vertrauen in die Kita ihres Kindes besaßen. Ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und ihrem Vertrauen konnte nicht nachgewiesen werden.
Teilstudie 3 fokussierte sich auf die Angebotsstruktur der Einrichtungen zur Zusammenarbeit mit Familien sowie deren Bedeutung für das Vertrauen von Eltern. Des Weiteren wurde untersucht, inwieweit strukturelle Voraussetzungen der Einrichtungen und professionelle Kompetenzen frühpädagogischer Fachkräfte die Angebotsform und -intensität vorhersagen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Anzahl an Aktivitäten zur Elternbildung sowie zur Partizipations- und Entscheidungsfindung positiv mit dem Vertrauen von Eltern zusammenhingen. Die anderen beiden Angebotsformen zur sozialen Vernetzung der Eltern sowie zur Einbeziehung der Familienkulturen standen in keinem statistisch bedeutsamen Zusammenhang zum elterlichen Vertrauen. Ferner zeigte sich, dass Kitas, die von einem höheren prozentualen Anteil an Kindern mit Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket besucht wurden, in den letzten zwölf Monaten mehr Aktivitäten zur Elternbildung angeboten haben. Kitas mit einem höheren prozentualen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund boten mehr Aktivitäten zur Einbeziehung der Familienkulturen an. Die vertraglich vereinbarte Vorbereitungszeit der Fachkräfte hingegen stand in einem signifikant positiven Zusammenhang zur Intensität der Angebote zur Partizipation und Entscheidungsfindung. Der Fachkraft-Kind-Schlüssel stand zu keiner der vier Angebotsformen in einem statistisch bedeutsamen Zusammenhang. Im Hinblick auf die professionellen Kompetenzen der Fachkräfte zeigte sich, dass in Kitas, in denen das Personal über ein umfangreiches Wissen zum Handlungsfeld Zusammenarbeit mit Familien verfügte, mehr Aktivitäten zur sozialen Vernetzung und zur Elternbildung angeboten wurden. Darüber hinaus wurde ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen den Überzeugungen der Fachkräfte und der Anzahl der Angebote für soziale Vernetzung gefunden.
Vor dem Hintergrund steigender Anforderungen im Handlungsfeld Zusammenarbeit mit Familien untersuchte Teilstudie 4, inwieweit sich pädagogische Fachberatung als Qualifizierungsressource für Einrichtungen und ihre pädagogischen Fachkräfte eignet. Hierzu wurde das fachdidaktische Wissen von Fachberatungen als bedeutsame Kompetenzfacette näher beleuchtet. Die Befunde zeigten, dass Fachberatungen zwar insgesamt viele Methoden zur Zusammenarbeit mit Familien kennen, jedoch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Fachberatungen existieren. Im Rahmen einer Clusteranalyse konnten die folgenden vier Wissenstypen von Fachberatungen generiert werden: Novizen, Generalisten, Spezialisten und Experten. Fast ein Drittel der befragten Fachberatungen lässt sich dem Cluster Novizen zuordnen. Diese Fachberatungen nennen im Durchschnitt nicht einmal eine Methode. Einzelne Zusammenhänge zu den fachlichen Voraussetzungen der Fachberatungen können als Indiz für eine Vermittlung von Methodenwissen in Ausbildung, Praxis sowie Fort- und Weiterbildung gewertet werden. Insbesondere die Fort- und Weiterbildungsaktivität von Fachberatungen scheint ein geeignetes Instrument zur Qualifizierung von Fachberatungen im Bereich Zusammenarbeit mit Familien zu sein.
Insgesamt lassen sich aus den Ergebnissen wichtige Erkenntnisse (1) über die Struktur der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation sowie (2) über deren Beschaffenheit ziehen. Die Ergebnisse verdeutlichen ferner (2) die Bedeutsamkeit der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation und der Angebotsform und -intensität für das Vertrauen von Eltern und zeigen, dass sowohl strukturelle Rahmenbedingungen der Einrichtungen als auch Kompetenzfacetten der frühpädagogischen Fachkräfte bedeutsame Voraussetzungen für die Qualität in der Zusammenarbeit darstellen. Die Bedeutung weiterer Professionalisierungsbestrebungen wird unterstrichen. Implikationen für die Forschung sowie die pädagogische Praxis werden diskutiert.
de