dc.description.abstract
Im Rahmen dieser Arbeit wurden radiologische Methoden der quantitativen Bildanalyse für die umfassende Charakterisierung maligner Lebertumoren und deren Veränderungen im Rahmen lokoregionärer Therapien untersucht. Die vorliegende Arbeit trägt zum einen dazu bei, die diagnostischen Fähigkeiten MR-basierter Methoden durch volumetrische und automatisierte Auswertungen (Originalarbeiten 1-3 und 7) sowie molekulare MRT-Methoden (Originalarbeiten 4-6) für das Gebiet der onkologischen Bildgebung zu erweitern. Zum anderen werden therapiespezifische (Originalarbeiten 1-3 und 7) und molekulare (Originalarbeiten 4-6) bildbasierte Marker im Kontext lokoregionärer Therapien untersucht. Dafür wurden umfassende Untersuchungen in vitro, in vivo im Tiermodell sowie in klinischen Studien durchgeführt, um die bildbasierten Marker schrittweise zu etablieren.
Zunächst wurde anhand einer retrospektiven Bildanalyse von 38 Patienten (n=23 HCC, n=15 andere Lebermalignome) vor und nach SIRT ein Modell zur volumetrischen Tumor- und Lebersegmentierung, multimodalen Bildregistrierung (MRT, CT, SPECT) und Quantifizierung der postinterventionellen SPECT erstellt (Originalarbeit 1). Bei allen Patienten zeigte sich das prozentuale Tumorenhancement gemessen als ETV als prädiktiver Marker für die Yttrium-90-Verteilung, wobei vitale, stark vaskularisierte Tumoren mit hohem ETV mehr Yttrium-90 aufnahmen. Somit ist die Verwendung des ETV als tumorspezifischer Marker geeignet, um potentiell die invasive Testangiographie zu ersetzen, die Indikationsstellung für eine SIRT zu personalisieren und so die Erfolgschancen der SIRT zu vergrößern bei gleichzeitig reduziertem Risiko therapieassoziierter Komplikationen. Im Gegensatz dazu begünstigte eine eingeschränkte Leberfunktion (Child-Pugh-B) eine extratumorale Yttrium-90-Anreicherung und einen erhöhten hepatopulmonalem Shunt. Bei HCC konnte die Yttrium-90-Verteilung schließlich als therapiespezifischer Surrogatmarker für das Tumoransprechen nach SIRT etabliert werden. Die Arbeit trägt dazu bei, einen Algorithmus zur Quantifizierung der in der klinischen Routine rein qualitativ beurteilten Yttrium-90-Verteilung in der SPECT zu etablieren, sodass bereits wenige Stunden nach SIRT eine Abschätzung des Therapieeffektes ermöglicht wird.
Im folgenden Schritt wurde dieses Konzept eines therapiespezifischen Biomarkers im Rahmen einer prospektiven klinischen Studie (ClinicalTrials.gov: NCT02753881) auf eine andere IAT, die Lipiodol-basierte cTACE übertragen (Originalarbeit 2). Eingeschlossen wurden 30 Patienten mit malignen Lebertumoren (n=26 HCC, n=4 andere Lebermalignome), welche mit einer cTACE behandelt wurden. Vor sowie zu neun Zeitpunkten nach der Behandlung (5, 10, 20, 40 Minuten; 1, 2, 4, 24 Stunden; 3-4 Wochen) wurde die systemische Verteilung des lokal applizierten Doxorubicin und seines Metaboliten Doxorubicinol analysiert. Während die Mehrheit der rezenten pharmakokinetischen Studien Formen der DEB-TACE untersuchen, liefert diese prospektive Studie einen neuen Referenzstandard für die cTACE, wie sie heutzutage in der klinischen Routine vorwiegend praktiziert wird. Als klinisch besonders relevant stellte sich heraus, dass die Lipiodolverteilung auf der postinterventionellen CT (segmental vs. multisegmental vs. lobär) mit den peripheren Spitzenkonzentrationen (Cmax) von Doxorubicin und Doxorubicinol korrelierte. Auch ein hohes ETV und eine eingeschränkte Leberfunktion (Child-Pugh B) gingen mit erhöhten Doxorubicin-Cmax einher. Während der Fokus dieser Studie auf der Pharmakokinetik des lokal applizierten Chemotherapeutikums lag, wurde auch im Kontext der cTACE - ähnlich wie Yttrium-90 nach SIRT bei HCC - das ETV als prädiktiver Marker für die Lipiodolverteilung in den Tumor und das Tumoransprechen identifiziert.
Während die vorherigen Studien Methoden der volumetrischen, semiautomatischen Segmentierung und Bildanalyse verwendeten, wurden in der folgenden „Proof-of-Concept“ Studie (Originalarbeit 3) radiologische und klinische Daten von 36 Patienten mit HCC untersucht, um erstmalig die diagnostische Genauigkeit für die Vorhersage des Tumoransprechens auf TACE durch Hinzunahme supervidierter Machine Learning Algorithmen (Random Forest und Logistische Regression) zu verbessern. Anhand der enhancement-basierten, volumetrischen qEASL-Kriterien wurden die Patienten als Responder oder Non-Responder eingestuft (Outcome-Label). Beide Algorithmen sagten das Tumoransprechen mit einer Gesamtgenauigkeit von 78% voraus (Sensitivität 62,5%, Spezifität 82,1%). Analog zu den zuvor genannten Studien wurden als stärkste Prädiktoren für ein Tumoransprechen nach TACE eine klinische (Vorliegen einer Leberzirrhose) und eine bildgebende Variable (relative Tumorsignalintensität) identifiziert. Es konnte außerdem die Empfehlung ausgesprochen werden, sowohl Bilddaten als auch klinische Daten in einem Modell zu berücksichtigen. Angesichts des Mangels an evidenzbasierten Richtlinien zur Unterstützung des Einsatzes einer bestimmten IAT gegenüber anderen, kann der Einsatz von Machine Learning-Algorithmen in der klinischen Routine die Therapieentscheidung und Patientenselektion unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten unterstützen.
Eine Herausforderung in der Onkologie im Allgemeinen und der Therapie des HCC im Speziellen ist die molekulare Heterogenität von Tumoren und deren TMU. In den folgenden Arbeiten wurde daher angestrebt, konventionelle radiologische Methoden um spezifische, molekulare Bildgebungstechniken zu erweitern, die den Tumor und seine TMU nicht-invasiv charakterisieren. Ein Kennzeichen maligner Lebertumoren auf molekularer Ebene ist der "Warburg-Effekt", bei dem die Glykolyserate sauerstoffunabhängig ansteigt und eine Akkumulation von Protonen und Laktat im Extrazellulärraum resultiert 56. Die dadurch bedingte pH-Absenkung in der TMU begünstigt das Tumorwachstum, reduziert die Wirksamkeit vieler Tumortherapieregime und verschlechtert so die Prognose 58. Daher wurde insbesondere die Fähigkeit der MRT zur quantitativen Überwachung des Tumor-pH als funktioneller Surrogat-Biomarker für die Vitalität von Tumorzellen untersucht.
Hierfür wurde eine pH-spezifische MRS-Technik entwickelt und zunächst in organotypischen Kollagen-basierten 3D Zellkulturen getestet (Originalarbeit 4). Diese simulieren durch die Interaktionen der Tumorzellen mit der extrazellulären Matrix das Tumorwachstum in vivo besser als konventionelle Monolayer-Zellkulturen und haben gegenüber in vivo-Versuchen den Vorteil, Untersuchungen an humanen Zelllinien mit hohem Durchsatz zu ermöglichen. Im Vergleich zu Hepatozyten wurde bei vier Leberkrebszelllinien ein saurer pH festgestellt, welcher mit einer Überexpression von GLUT-1 korrelierte. Während die Zugabe von Glukose den pH in den Krebszellinien signifikant senkte, normalisierte die Behandlung mit dem antiglykolytischen 3-BrPA bereits in subletalen Dosierungen den Tumor-pH. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Tumor-pH als funktioneller Vitalitätsparameter eine frühere und empfindlichere Überwachung des Tumoransprechens auf eine Therapie ermöglicht. Der pH-Status des Tumors und der TMU geht als Mitursache für die dann folgenden morphologischen Veränderungen (messbar mit z.B. Proliferationsassays in vitro, Tumorbildgebung in vivo) diesen voraus. Die Studie stellte erstmalig eine Hochdurchsatz-pH-Kartierungsplattform vor, die für effiziente in vitro-Arzneimitteltests verwendet werden und dazu beitragen kann, die Medikamentenwahl zu personalisieren und gezielte Strategien zur Abschwächung von Tumorresistenzmechanismen zu entwerfen.
Die Erkenntnisse wurden in der nachfolgenden translationalen Studie (Originalarbeit 5) auf das orthotope VX2-Kaninchentumormodell für Lebertumoren übertragen, um den Tumor-pH in vivo als Biomarker für den Therapieerfolg nach cTACE zu untersuchen. Zweiunddreißig Lebertumor-tragende Kaninchen erhielten eine longitudinale Bildgebung an klinischen 3 Tesla-MRT- und CT-Scannern vor und bis zu 2 Wochen nach vollständiger cTACE. Wie in der 3D-Zellkultur zeigten unbehandelte VX2-Tumoren einen signifikant niedrigeren pH als das Leberparenchym, welcher mit einer erhöhten Expression der metabolischen Marker GLUT-1 und LAMP-2 in den Lebertumoren einherging. Nach vollständiger cTACE wurde ein allmählicher Anstieg des Tumor-pH innerhalb von 2 Wochen beobachtet, der mit der abnehmenden Nachweisbarkeit der metabolischen Marker korrelierte. Zusätzlich zeigte die pH-Kartierung in einer Subgruppenanalyse nach unvollständiger cTACE sowohl einen niedrigen pH vitaler Tumorresiduen als auch einen erhöhten Tumor-pH in den behandelten Regionen. Die Arbeit zeigte somit erstmalig die Anwendung der MRS-basierten pH-Bildgebung als longitudinales Überwachungsinstrument für Lebertumore nach cTACE und legt die Normalisierung des Tumor-pH als frühen funktionellen Biomarker für einen Therapieerfolg nahe.
Die in dieser Habilitationsschrift vorgelegten Originalarbeiten zur molekularen Tumorbildgebung vollziehen bezüglich der Etablierung und Anwendungsbereiche der pH-MRS somit eine Entwicklung, welche durch die Originalarbeit 6 abgeschlossen wird. In dieser Arbeit wurden die Erkenntnisse über den Tumor-pH sowie die Möglichkeit der in vivo Bildgebung ebendieses genutzt, um eine therapeutische Strategie zu entwickeln, die TMU für eine potentiell effektivere immuno-onkologische Therapie zu konditionieren. Insgesamt wurden 21 VX2-Lebertumor-tragende Kaninchen untersucht. Es konnte eine signifikante Erhöhung des Tumor-pH durch die Kombination von cTACE mit einer vorangehenden Natriumbikarbonat-Injektion in die tumorzuführenden Arterien erreicht werden. Zusätzlich zeigte sich in den immunhistochemischen Färbungen, dass der niedrige pH unbehandelter Lebertumoren sowie von Tumoren kurz nach cTACE mit einer relativ geringen peri- und intratumoralen Infiltration antigen-präsentierender Zellen einherging, die durch die pH-Modulation mit Natriumbikarbonat verstärkt werden konnte. Um dieses immuno-metabolische Wechselspiel in vivo zu visualisieren, war ein weiteres Ziel dieser Arbeit die Entwicklung molekularer, immunzellspezifischer MRT-Biomarker. Hierfür wurden sowohl Eisenoxidpartikel, die von peritumoralen Makrophagen phagozytiert werden, als auch neu entwickelte Gd-markierte Antikörper gegen antigen-präsentierende Zellen in der TMU hergestellt. Nach Applikation dieser immunzellspezifischen Sonden waren in der MRT lokalisierte peritumorale Signalalterationen messbar, welche mittels radiologisch-pathologischer Korrelationsanalysen als selektive Depositionen der MRT-Biomarker validiert werden konnten. Neben einer besseren Stratifizierung von Patienten, kann eine solche nicht-invasive Immunphänotypisierung der TMU auch in der Evaluation des Tumoransprechens nach immuno-onkologischen Therapien eine Rolle spielen, um frühzeitig beispielsweise zwischen echter und Pseudoprogression (temporäre Infiltration des Tumors mit Immunzellen) zu unterscheiden.
Auch im Hinblick auf eine Phänotypisierung der systemischen Immunantwort konnten neue Impulse gesetzt werden. In Originalarbeit 7 wurde in einer retrospektiven Fallanalyse von 46 Patienten mit therapienaivem HCC erstmals der Zusammenhang des zellulären Immunprofils mit Radiomics-basierten Tumorcharakteristika und das Outcome nach TACE beschrieben. Dieser zeigte sich für aus dem Differenzialblutbild errechnete Verhältnisse von Immunzellen, wobei eine hohe NLR und PLR mit einem invasiven Tumorwachstum sowie einem schlechteren Tumoransprechen nach qEASL-Kriterien und einem kürzeren PFS korrelierten. Die Studie suggeriert den prognostischen Wert innovativer Radiomics-basierter Bildparameter sowie leicht verfügbarer, quantitativer immunologischer Biomarker für das Outcome von Patienten mit HCC nach TACE. Gleichzeitig ruft sie zur kritischen Betrachtung etablierter klinischer Leitlinien (z.B. BCLC) auf, in welche die hier genannten Parameter leicht implementiert werden könnten. Die Arbeit legt außerdem nahe, dass die Kombination radiologischer und klinischer Daten ein Paradigma zur personalisierten Anwendung lokoregionärer Therapien des HCC darstellt.
In dieser Habilitationsschrift wurden zwei Aspekte der aktuellen radiologischen Forschung aufgegriffen. Zum einen widmete sich die Arbeit der verbesserten Quantifizierung bereits etablierter, morphologischer Charakteristika von Lebertumoren und therapiespezifischer bildbasierter Marker für das Ansprechen auf IAT. Zum anderen wurden neue Methoden der molekularen Bildgebung in einem schrittweisen Versuchsaufbau entwickelt und etabliert, welche die TMU charakterisieren und so neue Biomarker für Lebertumoren im Kontext lokoregionärer Therapien bereitstellen. Auch wenn eine breite Anwendung der vorgestellten Techniken bisher nur in Teilen umgesetzt ist, wurde ihre Durchführbarkeit bereits in translationalen oder klinischen Studien untersucht, um die Umsetzung in die Routineversorgung von Patienten mit HCC zu bahnen. Es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, die angemessene individuelle Therapiestrategie mit einem optimalen Verhältnis aus Therapiewirkung und Nebenwirkungen und der daraus resultierenden Belastung für die schwerkranken Patienten zu finden.
Ein wesentlicher Antrieb für diese Forschung war meine Neugierde. Aus erwarteten und zufälligen Beobachtungen der einen Studie entwickelten sich neue Impulse und Fragestellungen für die nächste. In diesem Zusammenhang denke ich an die Worte eines britischen Philosophen und Mathematikers:
„Necessity is the mother of invention is a silly proverb. Necessity is the mother of futile dodges is much closer to the truth. The basis of growth of modern invention is science, and science is almost wholly the outgrowth of pleasurable intellectual curiosity.“
—Alfred North Whitehead (1861–1947)
Das übergeordnete Ziel meiner Forschung ist jedoch geleitet durch den Hippokratischen Eid und das ärztliche Bedürfnis, meinen Patienten zu helfen, welche mich stets daran erinnern, bei allen aufregenden medizinischen Entwicklungen die klinische Relevanz für den Patienten nicht aus den Augen zu verlieren.
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