Hintergrund: Das Arbeitsgebiet der Psychoonkologie forscht zu verschiedensten psychosozialen Aspekten im Kontext einer Krebsdiagnose. Unter anderem stellt es Unterstützungsangebote für Patientinnen, Patienten und Angehörige bereit im Umgang mit der Erkrankung, Behandlung und ihren Auswirkungen. Eine molekulare Diagnostik im Rahmen präzisionsonkologischer Studien bringt vielseitige Herausforderungen für die Betroffenen mit sich. Zugunsten eines tieferen Verständnisses explorierte die vorliegende Studie Facetten des Patientenerlebens während des Durchlaufens einer molekularen Diagnostik. Davon befasst sich diese Dissertation mit den Erwartungen der Betroffenen an eine molekulare Diagnostik und Themen, die sie eng damit verknüpfen.
Methode: Insgesamt nahmen 30 Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen oder sehr seltenen malignen Tumoren an den Comprehensive Cancer Centern in Berlin und München teil. Sie hatten einem Whole Genome Sequencing (n=24) oder einer umfassenden Panelsequenzierung (n=6) zugestimmt, doch die Ergebnisse noch nicht erhalten. Zunächst füllten die Teilnehmenden den „Fragebogen zur Belastung von Krebskranken – revidierte Version“ (FBK-R23) aus und gaben Auskunft zu soziodemographischen Merkmalen, ihrer Krebserkrankung und bisherigen Therapie. Dann nahmen sie an einem 20-minütigen, halbstrukturierten Interview zu subjektiver Informiertheit, Erwartungen und Bewältigung teil. Zur Auswertung der Transkripte wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz genutzt.
Ergebnisse: Hinsichtlich der Fragestellungen dieser Dissertation ergab die Auswertung zum einen drei Kernerwartungen der Betroffenen an die molekulare Diagnostik. Diese drehten sich um einen persönlichen Nutzen, Forschungsfortschritte und Informationsgewinn zum Tumor. Manche Teilnehmende benannten auch negative Erwartungen. Zum anderen zeigten sich in den Patientenschilderungen zwei mit den Erwartungen verbundene Themen: hoffnungsvoll zu bleiben und sich individuell wertgeschätzt zu fühlen aufgrund des Erhalts einer molekularen Diagnostik.
Diskussion: Die in dieser Dissertation dargestellte Arbeit füllt eine Forschungslücke zu den Erwartungen von Krebserkrankten: Als scheinbar erste schließt sie erwachsene Patientinnen und Patienten ein, bevor diese die Ergebnisse eines Whole Genome Sequencing erhalten. Zudem arbeitet sie einen sekundären Nutzen der Teilnahme an molekularer Diagnostik heraus. Diesen mit den Betroffenen zu reflektieren kann einen ehrlichen Austausch darüber eröffnen, was sie zum aktuellen Zeitpunkt brauchen und welche Optionen bestehen, wenn die präzisionsonkologische Studie oft keinen klinischen Nutzen hervorbringt. Palliative und psychosoziale Angebote frühzeitig einzubringen, kann eine weitere individualisierte Versorgung ermöglichen.
Background: The field of psycho-oncology conducts research around manifold psychosocial aspects of a cancer diagnosis. Among other things, it aims at offering support to patients and their families in coping with the illness, treatment and its consequences. Molecular diagnostics as part of precision oncology trials bear diverse challenges for patients. For a deeper understanding, the present study explored various aspects of patients’ experience undergoing molecular diagnostics. Of the aspects researched, this dissertation concerns the patients’ expectations of molecular diagnostics and topics they associated closely with them.
Methods: A total of 30 patients with an advanced or very rare malignant tumor participated at Comprehensive Cancer Centers in Berlin and Munich. They had agreed to but not yet received the results of whole genome (n=24) or extensive panel sequencing (n=6). First, participants filled out the “Questionnaire on Stress in Cancer Patients revised version” (QSC-R23) and gave information on sociodemographic traits, their cancer and prior treatment. Then, they participated in a 20-minute, semi-structured interview regarding information aspects, expectations and coping. Thematic content analysis by Kuckartz was applied to the transcripts.
Results: Concerning this dissertation’s research questions, the analysis brought forth three main patient expectations of molecular diagnostics. These revolved around personal benefit, research advancements and increased knowledge of the tumor. Some patients also named negative expectations. Two associated topics arose in patient accounts, namely remaining hopeful and feeling individually appreciated as a result of receiving molecular diagnostics.
Discussion: The work displayed in this dissertation fills a research gap on cancer patients’ expectations: It appears to be the first to include adult patients before receiving their results of whole genome sequencing. In addition, it highlights secondary benefits of participation in molecular diagnostic trials. Reflecting on these with patients can foster an honest dialogue about needs and options in the likely case that the medical trial does not bring about clinical benefit. Offering palliative interventions and psychosocial support early on could allow further individualized care.