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Sexuell übertragbare Infektionen (STI) können zur Beeinträchtigung der sexuellen Gesundheit führen, daher sind eine frühzeitige Diagnose und Behandlung wichtig. Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) sollte laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein STI-Testangebot für vulnerable Gruppen vorhalten. Außer HIV und Syphilis besteht für STI keine gesetzliche Meldepflicht, deswegen mussten zusätzliche STI-Surveillance-Systeme entwickelt werden.
Die erste Arbeit fokussierte sich auf den Zugang zu HIV/STI-Versorgungsangeboten im ÖGD. In einer Befragung der HIV/STI-Beratungsstellen wurden aufsuchende Arbeit, Hepatitis B-Impfungen, Tests auf Hepatitis und STI, sowie gynäkologische Untersuchungen nur von einigen HIV/STI-Beratungsstellen angeboten, häufiger in Stadt- als in Landkreisen. Bei der zweiten Arbeit wurden aggregierte Daten der HIV/STI-Beratungsstellen zu den Testangeboten, STI-Tests und Testergebnissen für Sexarbeiterinnen erhoben. In knapp 10.000 Beratungen wurden diese am häufigsten auf Gonorrhö getestet, gefolgt von HIV, Chlamydien und Syphilis, mit einem Positivenanteil von 3,1 %. Je nach HIV/STI-Beratungsstelle schwankte der Anteil der positiven Testergebnisse stark. In der dritten Arbeit wurden Klient/innen, die in Gesundheitsämtern zum HIV-Test kamen, auf Chlamydien untersucht. Die Punktprävalenz der Chlamydien-Infektionen betrug 5,3 %, die höchste Prä-valenz wurde bei 18-24-jährigen Frauen und heterosexuellen Männern beobachtet. Über drei Viertel der positiv getesteten Teilnehmenden waren asymptomatisch. Bei Frauen waren junges Alter, Anzahl der Partner und Migrationshintergrund mit einer Infektion assoziiert, bei heterosexuellen Männern junges Alter.
Im zweiten Teil der vorgestellten Arbeiten ging es um die Surveillance von STI. Wir entwickelten ein Sentinel-System, um neben den STI-Erkrankungszahlen Daten zum sexuellen Verhalten zu sammeln. Wir rekrutierten über 200 HIV/STI-Beratungsstellen der Gesundheitsämter, Klinik-Ambulanzen und Arztpraxen. Innerhalb des ersten Jahres wurden 1833 STI erfasst, das beinhaltete 11 % der gemeldeten Syphilis- und 16 % der HIV-Diagnosen. In der zweiten Arbeit berichten wir über den Aufbau eines Laborsentinels für Chlamydien, um das Chlamydien-Screening für unter 25-jährigen Frauen zu evaluieren und die epidemiologische Situation von Chlamydien einzuschätzen. Zwischen den Jahren 2008-2014 wurden knapp 3,9 Millionen Chlamydien-Tests berichtet, mit einem Positivenanteil von 3,9 % (Frauen) und 11,0 % (Männern). Die höchsten Positivenanteile wurden bei 15-24-jährigen schwangeren Frauen beobachtet, beim Screening für Frauen unter 25 Jahren betrugen sie 5 %. In der dritten Arbeit wird das Gonokokken-Resistenz-Netzwerk (GORENET) beschrieben, anhand dessen Trends der antimikrobiellen Resistenz von N. gonorrhoeae gemessen werden. Teilnehmende Labore sendeten Daten zu Resistenzen an das RKI sowie Gonokokken-Isolate an das Konsiliarlabor. Zwischen April 2014 und Dezember 2015 waren von 537 nachgetesteten Isolaten kein Isolat resistent gegen Ceftriaxon, 1,9 % (2014) und 1,4 % (2015) resistent gegen Cefixim, 11,9 % und 9,8 % gegen Azithromycin.
Die vorliegenden Arbeiten zeigen, dass die HIV/STI-Beratungsstellen der Gesundheitsämter mehrheitlich unter den Möglichkeiten geblieben sind, die der gesetzliche Rahmen vorsieht. Es gab in den HIV/STI-Beratungsstellen kein standardisiertes Testangebot, was möglicherweise auf mangelnde Ressourcen zurückzuführen ist. So wurden häufig keine Chlamydien-Tests angeboten, obwohl die Prävalenz in jüngeren Altersgruppen hoch ist. Trotz hohem Bedarf gibt es in Deutschland keine etablierte Versorgungsstruktur für Belange sexueller Gesundheit. So bleiben viele STI unentdeckt und können unbehandelt sowohl zu Komplikationen führen als auch weitergegeben werden.
Nach der Einführung des IfSG stellte die STI-Surveillance eine besondere Herausforderung dar. Es wurden Sentinels aufgebaut, die im Vergleich zur Meldepflicht einerseits die Möglichkeit bieten, Informationen zum sexuellen Verhalten oder zur Anzahl der durchgeführten Tests zu erfassen. Andererseits ist es sehr schwierig, mittels eines Sentinel-Systems repräsentative Daten zu erheben. Mit GORENET konnte eine Surveillance aufgebaut werden, die nur einen Bruchteil der resistenten Gonokokken in Deutschland abdeckt. Mit der Einführung der elektronischen Meldesystems DEMIS innerhalb der nächsten Jahre könnte eine neue Basis für die STI-Surveillance geschaffen werden. Die SARS-CoV-2 Pandemie könnte zu einer Beschleunigung der Digitalisierung im ÖGD führen.
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