Die Neuritis vestibularis geht mit einer stark einschränkenden Symptomatik einher. Die Diagnostik basiert auf einer sorgfältigen Abgrenzung gegenüber anderen peripher- und zentral-vestibulären Erkrankungen anhand der anamnestischen und klinischen Befunde. Die Erkrankung zählt zu den häufigsten Ursachen einer vestibulären Schwindelsymptomatik. Dennoch sind zu ihrer Epidemiologie nur wenige Daten verfügbar . Eine saisonale Häufung des Auftretens wurde wiederholt vermutet, jedoch bisher nicht nachgewiesen. Anonymisierte Daten aller Patienten, die in den Jahren 2010 bis 2013 an der Charité mit der Entlassungsdiagnose „Neuritis vestibularis“ oder anderen damit zu vereinbarenden Entlassungsdiagnosen behandelt wurden, wurden retrospektiv erfasst. Mittels eines für diese Studie entwickelten diagnostischen Scores wurde die Gewissheit der Diagnose beurteilt. Auf Grundlage der erhobenen Studienpopulation, Daten des Statistischen Bundesamtes sowie der strukturierten Qualitätsberichte der Berliner Krankenhäuser wurde die Inzidenzrate der Neuritis vestibularis in Berlin und in Deutschland geschätzt. Saisonale Schwankungen wurden für die Fallzahlen der Studienpopulation und für die stationär in Berlin in den Jahren 2008-2017 behandelten Patienten basierend auf den Daten des Amtes für Statistik Berlin- Brandenburg untersucht. Es wurden 787 Patienten mit der Entlassungsdiagnose „Neuritis vestibularis“ identifiziert. Etwa 55 % der Patienten waren männlich. Das mittlere Alter lag bei 54 Jahren. Der im Rahmen dieser Arbeit etablierte diagnostische Score zeigte in einer ROC-Analyse eine gute Klassifizierung von Patienten mit der Entlassungsdiagnose „Neuritis vestibularis“ mit einer AUC von 0,88. Die Inzidenzrate der Neuritis vestibularis in Berlin konnte im Bereich zwischen rund 25 und 30 Fällen pro 100.000 Einwohner und Jahr eingeordnet werden. Dieser Wert ist deutlich höher als die bisher in der Literatur angegebene Inzidenz von 3,5 Fällen pro 100.000 Einwohner. Aus den Fallzahlen der Studienpopulation an der Charité konnte keine saisonale Häufung abgelesen werden. Auf Grundlage der Daten des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg ließ sich jedoch eine signifikant höhere Inzidenz stationär behandlungsbedürftiger Fälle von Neuritis vestibularis in den Herbstmonaten ableiten. Weitere Untersuchungen mit einem längeren Beobachtungszeitraum sind notwendig, um die höher als bisher vermutet liegende Inzidenzrate sowie die hier vorgeschlagene saisonale Schwankung der Inzidenz der Neuritis vestibularis zu bestätigen.
Vestibular neuritis is characterized by very constraining symptoms. The diagnosis is made by excluding other peripheral and central vestibular disorders based on anamnestic and clinical findings. Only limited data on the epidemiology of vestibular neuritis is available, despite being one of the most frequent causes of acute persistent vertigo. Although it is frequently assumed, there is no clear evidence that the occurrence of vestibular neuritis varies seasonally. Anonymized data of patients diagnosed with or with suspected vestibular neuritis at Charité between 2010- 2013 was collected (study population) and analyzed retrospectively. A diagnostic score was established and used to evaluate the certainty of the final diagnosis. Additional data provided by German Federal Statistical Office and the quality reports of hospitals to the Federal Joint Committee was used to estimate the incidence rate of vestibular neuritis. The seasonal variation of incidence was investigated on the basis of the study population and data provided by Statistical Office for Berlin-Brandenburg. 787 patients with final diagnosis of vestibular neuritis were identified. There was a slight preponderance of male patients (55 %). The median age of the patients was 54 years. The established diagnostic score achieved an AUC value of 0.88 in ROC analysis. The incidence rate of vestibular neuritis was estimated to be within a range of about 25 to 30 cases per 100,000 person-years. This estimation is considerably higher than the previously reported incidence rate of 3.5 cases per 100,000 person-years. No seasonal variation in the incidence of monthly cases in the study population at Charité could be found. Contrarily, based on data provided by the Statistical Office for Berlin-Brandenburg a significant seasonal variation of the incidence of hospitalized patients with vestibular neuritis was revealed. The mean value of monthly incidence was higher in autumn than in the other months of the year. More studies with longer observation periods are required to validate the herein reported higher incidence rate and seasonal variation of incidence.