Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Obwohl es enorme Fortschritte in der Behandlung und Heilung gab, stellen insbesondere schwer zu detektierende und chemotherapieresistente Tumoren noch immer eine große Herausforderung dar. Bakterielle Toxine werden als neuer Therapieansatz in der Tumorbehandlung erforscht. Clostridium perfringens Enterotoxin (CPE) ist ein -porenbildendes Toxin, das an Claudine, vor allem Claudin (Cldn-) 3 und 4, auf der Oberfläche von Zellen epithelialen Ursprungs bindet. Für verschiedene Karzinome wurde bereits eine Überexpression von bestimmten Claudinsubtypen beschrieben, was sie zu geeigneten Wirkstoffzielen macht. Die Claudin-abhängige, CPE-vermittelte Porenbildung und Zytotoxizität kann für die Behandlung von therapieresistenten, Claudin-überexprimierenden Tumoren genutzt werden. Die carboxyterminale Domäne des Proteins (cCPE) bildet keine zytotoxischen Poren, ist jedoch für die Claudinbindung ausreichend. Daher können cCPE-Proteine als Targeting-Moleküle ohne zellschädigende Wirkung bei der Diagnose Claudin-überexprimierender Karzinome oder für die reversible Modulierung der parazellulären Barriere in epi-/endothelialen Geweben eingesetzt werden. Durch strukturbasierte Mutationen konnte die Claudinsubtypspezifität und -sensitivität von (c)CPE gezielt modifiziert und an verschiedene Karzinomentitäten bzw. physiologisch relevante Barrieren angepasst werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den sich daraus ergebenden Anwendungsmöglichkeiten für (c)CPE-basierte Biologika in der Diagnostik und Behandlung von Tumoren sowie bei der selektiven Modulierung der parazellulären Barriere der Epidermis. Dazu wurden zunächst Strukturmodelle der Claudine (Cldn) 1 bis 7 im Komplex mit cCPE-Varianten generiert, um die Claudin/cCPE-Interaktion genauer zu analysieren. In Verbindung mit den als Vorlage verwendeten Kristallstrukturen zeigten die neuen Modelle, dass die Konformation der Claudine und des Claudin-cCPE-Komplexes flexibel ist, das extrazelluläre Segment 2 (EZS2) der Claudine jedoch immer auf ähnliche Weise mit der EZS2-Turn-Bindungstasche auf der Oberfläche des cCPE interagiert. Experimentell erhobene Daten zur Bindung der Mutante cCPE-S231R/S313H (cCPE-SRSH) an die Nicht-Rezeptorclaudine 1 und 5 ließen sich damit erklären. Diese mechanistischen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Anwendung CPE und cCPE-basierter Biologika. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die zytotoxische Wirkung von CPE-SRSH auf Bronchialkarzinomzellen, die ein Spektrum an Claudinen exprimieren, in vitro untersucht. Durch den Vergleich mit papillären Schilddrüsenkarzinomzellen, welche nur Cldn1 exprimieren, konnte herausgearbeitet werden, dass CPE-SRSH vor allem den Angriff auf solche Karzinomzellen ermöglicht, die hauptsächlich Cldn1 exprimieren. Claudine und cCPE bilden ein passendes Rezeptor-Liganden-Paar für eine Fluorophor-gekoppelte molekulare Sonde, die spezifisch auf der Oberfläche (prä)kanzeröser Läsionen bindet und diese durch eine spezifische Anreicherung des Fluoreszenzsignals hervorhebt. Für die vorliegende Arbeit wurden Fluorophor-markierte, cCPE-basierte molekulare Sonden generiert und ihre Bindung und deren Spezifität in relevanten Tumormodellen getestet. cCPE-Varianten wurden sowohl als YFP-Fusionsproteine exprimiert als auch posttranslational mit einem Fluorophor gekoppelt. Diese Proteine wurden anschließend für die Claudindetektion in Zelllinien, entzündetem Kolongewebe, Organoiden aus humanen Magenkarzinomen und humanen kolorektalen Polypen eingesetzt. In all diesen in vitro- bzw. ex vivo- Modellen konnte mittels konfokaler Mikroskopie eine eindeutige Claudindetektion mit den cCPE-basierten molekularen Sonden gezeigt werden. Ein besonderer Vorteil der Fluorophor-markierten cCPE-Proteine zur bisher etablierten Claudindetektion über Immunfluoreszenztechniken besteht in ihrer Anwendbarkeit in lebenden Geweben und somit auch für eine fluoreszenzendoskopische Tumordiagnostik. Eine weitere potenzielle therapeutische Anwendung von cCPE ist die Öffnung der epidermalen Barriere durch die gezielte, reversible Modulierung der Tight Junctions (TJ) in der Epidermis. Dies ist beispielsweise für die nicht-invasive Wirkstoffapplikation von Bedeutung, da viele neuartige Wirkstoffe hydrophile Moleküle sind, die zu einem erheblichen Teil über den parazellulären Weg an ihren Wirkungsort gelangen. In dieser Arbeit konnte mittels Immunfluoreszenzfärbungen und elektrophysiologischen Methoden die spezische Bindung von cCPE-Varianten an Cldn1 und -4 in lebenden Epidermisschichten und die daraus resultierende Modulierung der TJ-Barriere erstmals differenziert von weiteren epidermalen Barrierekomponenten aufgelöst werden. Dabei wurde der größere Beitrag von Cldn1 gegenüber Cldn4 zur Aufrechterhaltung der epidermalen Barriere bestätigt.