Wir menschlichen Primaten sind beim Betrachten anderer Primaten oft emotional berührt. Wir sind von ihnen fasziniert, erstaunt, entzückt, entsetzt etc. Zudem wecken unsere phylogenetisch nächsten Verwandten großes wissenschaftliches Interesse. Bei Forschenden werden affektive Reaktionen allerdings oft als unwissenschaftlicher Störfaktor betrachtet. Im wissenschaftlichen Diskurs werden Affekte weitgehend ausgeblendet. Bislang wurde noch nicht empirisch untersucht, welche Empfindungen Wissenschaftler_innen in verschiedenen Feldern der Forschung an nichtmenschlichen Primaten spüren, ob und inwiefern sie ihre Gefühle als Problem wahrnehmen und wie sie mit ihnen umgehen. Diesen Fragen gehe ich in der vorliegenden qualitativen Analyse von 14 Interviews mit Menschen nach, die im Freiland, im Zoo, in Auffangstationen oder invasiv in Laboratorien an nichtmenschlichen Primaten forschen. Hierfür habe ich mittels der „Reflexiven Grounded Theory-Methode“ ein in den empirischen Daten gegründetes theoretisches Modell entwickelt. Es bildet die Phänomene und Strukturen ab, die ich innerhalb der Interviewaussagen der Wissenschaftler_innen entdeckt, bzw. aus ihnen abgeleitet habe. Die Ergebnisse meiner Studie zeigen, dass interspezifische Begegnungen unweigerlich Emotionen und intuitive Eindrücke, also Empfindungen, in den Wissenschaftler_innen auslösen. Mein theoretisches Modell stellt dar, wie die Forschenden die Gefahren- und Nutzenpotentiale ihrer Empfindungen managen, um unterschiedlichen Zielen, die sie im Kontext ihrer Arbeit verfolgen gerecht zu werden. Die Forschenden sind gegenüber ihren Empfindungen teilweise sehr skeptisch. Denn sie gehen davon aus, dass sie sich abträglich auf die Produktion wissenschaftlicher Ergebnisse auswirken können. Um die wissenschaftlichen Ergebnisse vor den negativen Auswirkungen der Empfindungen zu bewahren, setzen die Forschenden Schutzstrategien, wie z. B. das Ausklammern von Emotionen, ein. Die Empfindungen sind im Forschungsprozess aber auch förderlich. Um sich der zielfördernden Eigenschaften ihrer Empfindungen zu bedienen, wenden die Forschenden verschiedene Nutzenstrategien an. Aus meiner Analyse der Daten ergibt sich weiterhin, dass die Forschenden im Kontext ihrer Arbeit neben dem Ziel, wissenschaftliche Ergebnisse zu produzieren, noch fünf weitere Ziele verfolgen: ihr wissenschaftliches Ansehen, das Wohl der Affen, ihr ethisches Ansehen, ihre eigene physische Unversehrtheit und ihr eigenes emotionales Wohlbefinden. Die Empfindungen können auch auf diese Ziele abträgliche und förderliche Auswirkungen haben. Daher setzen die Forschenden im Umgang mit ihren Empfindungen wiederum Schutz- und Nutzenstrategien ein. Aufgrund der Komplexität des Spannungsfeldes aus den diversen Zielen und den unterschiedlichen Auswirkungen der Empfindungen müssen die Forschenden die verschiedenen Strategien flexibel einsetzen, sie handeln multistrategisch. Mein Modell vom multistrategischen Management der Gefahren- und Nutzenpotentiale von Empfindungen zeigt, wie wichtig der reflexive Austausch über die Rolle von Emotionen und intuitiven Eindrücken in der Forschung an nichtmenschlichen Primaten ist. Es bietet darüber hinaus anwendbares Wissen für ein professionelles Handeln in der Forschungspraxis.
We human primates are often emotionally touched while watching other primates. We are fascinated, amazed, delighted, appalled etc. by them. In addition, our phylogenetically closest relatives arouse a great deal of scientific interest. However, the scientific discourse is lacking a reflection of the researchers´ affects, because they are just regarded as unscientific, non-objective and disturbing factors. So far it has not been empirically addressed, what kind of feelings scientists experience in different areas of primate research, whether and in what way they perceive them as problematic and how they deal with them. Thus, I did a qualitative analysis of 14 interviews with researchers working with primates in the field, in zoos, in sanctuaries or who do invasive research in laboratories. By applying the “Reflexive Grounded Theory Method”, I developed a theoretical model that is grounded in the empirical data. It depicts the phenomena and structures, which I discovered in and derived from the accounts of the interviewees. The results of my study show that various interspecific encounters inevitably arouse emotions and intuitive impressions, i. e. feelings, in the scientists. My theoretical model depicts how primate researchers manage the potential dangers and benefits of their feelings in order to achieve different goals in the context of their work. The researchers are often very sceptical against their feelings. They anticipate potentially detrimental effects of their feelings on the production of scientific results. To protect the scientific results from adverse impacts, the researchers employ several prevention strategies, e. g. the separation of feelings from work. Moreover, feelings are also beneficial for the research process. To make use of their feelings´ beneficial features, the researchers employ diverse utilisation strategies. I found out, besides the production of scientific results, primate researchers pursue five more goals in the context of their work: their scientific and their ethical reputation, the wellbeing of the nonhuman primates, their own physical safety and their own emotional wellbeing. The feelings can have detrimental and beneficial effects on these goals, too. Therefore, the researchers use again prevention and utilisation strategies when dealing with their feelings. Due to the complexity of this area of conflicting goals and different potential effects of feelings, the researchers need to apply their strategies flexibly. Hence, they act multi-strategic. My model of the multi-strategic management of the potential dangers and benefits of feelings shows, how important a reflexive communication about the role of emotions and intuitive impressions is in research on nonhuman primates. Furthermore, it offers applicable knowledge for a professional research practice.