Schmerz als ein relevantes Problem der medizinischen, pflegerischen, therapeutischen und palliativen Versorgung nimmt insbesondere im Alter an Bedeutung zu. Internationale und nationale Prävalenzdaten aus unterschiedlichen Lebensbereichen und Versorgungskontexten verweisen auf das Vorliegen von Schmerzen bei mindesten 50% untersuchter älterer Gruppen (≥60 Jahre). Die Datenlage hierzu ist sehr uneinheitlich, unvollständig und aufgrund unterschiedlicher Schmerzdefinitionen und Bezugszeiten beschränkt vergleichbar. Insbesondere zu schwer erreichbaren Untersuchungsgruppen, wie der Pflegeheimpopulation und nichtauskunftsfähigen älteren Menschen (Demenz), lagen national bis zu Beginn der durchgeführten Forschung keine Daten vor. Bei der Erkennung von und beim Umgang mit Schmerzen sind Besonderheiten des Alters zu beachten. Veränderungen der Physiologie und die Bedeutung psychosozialer Faktoren des Schmerzes sind zu berücksichtigen. Ältere Menschen weisen zudem ein verändertes Kommunikationsverhalten hinsichtlich des Schmerzes auf, welches häufig zu Unterdiagnostizierung führt (underreporting of pain). Diese Aspekte sind vor dem Hintergrund ausgeprägter Schmerzfolgen nicht trivial. Angstvermeidungsüberzeugung (FAB), Bewegungsängste und Vermeidung von Aktivitäten stehen in engem Zusammenhang und führen in einer Negativspirale beim älteren Menschen bei vorhandenen körperlichen Einschränkungen zur erhöhten Sturzgefahr und zu vermehrten Schmerzen und Stürzen. Daraus resultiert ein erhöhtes Risiko für Hospitalisierung und Institutionalisierung. Die Folgen des Schmerzes sind nicht nur körperlicher und sozialer Art, sondern erhöhen auch das Risiko psychischer Beeinträchtigungen wie Angst, Schlafstörungen und insbesondere Depressionen sowie Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten. Das Wissen zu Besonderheiten des Schmerzes bei älteren Menschen scheint bei den an der Versorgung beteiligten Disziplinen nicht durchgängig präsent zu sein. Eine Orientierung an vorhandenen Leitlinien und Standards sowie an Empfehlungen für das medikamentöse Schmerzmanagement kann nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden. Gerade ältere Menschen, die im besonderen Maße von Schmerzen betroffen sind, scheinen ein unzureichendes Schmerzmanagement zu erhalten. Dies betrifft internationalen Studien zufolge die medikamentöse Verordnung gleichermaßen wie nichtmedikamentöse Behandlungen. Weitgehende Unkenntnis herrschte zu Umfang und Qualität nationaler Versorgungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf das Schmerzmanagement bei Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen. Die aufgezeigten Forschungsdefizite mündeten in zwei Forschungsprojekte mit dem Ziel, die Schmerzsituation und Schmerzfolgen von Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen zu ermitteln sowie die medizinische und pflegerische Versorgung im Hinblick auf das medikamentöse und nichtmedikamentöse Schmerzmanagement zu bewerten. Die Aufdeckung erheblicher Versorgungsdefizite machten die Entwicklung einer interdisziplinär angelegten Intervention zur Verbesserung des Schmerzmanagements in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege notwendig, welche in einer cluster-randomisierten kontrollierten Interventionsstudie hinsichtlich erwarteter Effekte getestet wurde. Ausgewählte Arbeiten aus insgesamt 25 Publikationen zur Schmerzsituation und deren Einflussfaktoren sowie zum medikamentösen und nichtmedikamentösen Management in der Pflegeheimpopulation werden vorgestellt. Wesentliche dargelegte Ergebnisse …. 1. beweisen die Durchführbarkeit von Studien in einer vulnerablen hochaltrigen Pflegeheimpopulation mit und ohne kognitive Einschränkung, trotz bestehender Herausforderungen in der Rekrutierung und Datenerhebung [184]. 2. zeigen die präventive Bedeutsamkeit von Schmerzfreiheit für den Erhalt funktioneller Fähigkeiten von Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen und für die Vermeidung von Sturzangst [207]. 3. dokumentieren erhebliche Defizite in der medikamentösen Schmerzversorgung im Hinblick auf die Qualität und Angemessenheit der Schmerzmedikation bei deutschen Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen und demonstrieren die Anwendbarkeit des PMAS-Instruments [168] auf Bewohner/innen mit kognitiver Einschränkung [206]. 4. weisen darauf hin, dass die ärztliche Versorgung in deutschen Pflegeheimen vorwiegend durch Hausärzte geleistet wird, während nur wenige Pflegeheimbewohner/-innen Kontakt zu Fachärzten haben. Die Anzahl der Arztkontakte insgesamt nimmt Einfluss auf die Angemessenheit der Schmerzmedikation [204]. 5. zeigen, dass eine Intervention in Form einer Fortbildung für Ärzte und Pflegepersonal zwar nicht zur erwarteten Reduzierung der Schmerzintensität um 2 Punkte bei Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen mit relativ niedrigen Mittelwerten führt, jedoch zu einer signifikanten Reduzierung des Anteils an Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen mit Schmerzen >0 und zu einer signifikanten Beeinflussung der Schmerzfolgen im Hinblick auf die Gehfähigkeit und auf die Lebensfreude [185]. 6. offenbaren den geringen Umfang und ein eingeschränktes Spektrum an nichtmedikamentösen Maßnahmen, die in deutschen Pflegeheimen geleistet werden. Während die Verabreichung der Maßnahmen bei Pflegekräften nach Schulung nicht gesteigert werden konnte, führte die Intervention zu einem signifikanten Anstieg der von Ärzten verordneten therapeutischen Maßnahmen und zu einer proaktiven Nutzung nicht-medikamentöser Maßnahmen durch die Bewohner/innen selber [186]. 7. bestätigen Defizite der medikamentösen Therapie bei Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen, die zu einem großen Anteil eine inadäquate Schmerzmedikation erhielten. Die Intervention führte zu einer signifikanten Erhöhung des PMASD-Wertes, (Maß der Angemessenheit der Schmerzmedikation) und zu einer 50%igen Verringerung des Anteils an Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen ohne Schmerzmedikation. Deutliche Effekte erzielte eine Einrichtung mit einer PAIN-Nurse [205]. Die in den vorgelegten Untersuchungen ermittelten hohen Prävalenzangaben bei deutschen Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen zeigen eine hohe Übereinstimmung mit nationalen und internationalen Angaben und verweisen auf das Vorliegen überwiegend chronischer Schmerzen. Gleichermaßen werden international berichtete Defizite in der medikamentösen Versorgung bestätigt hinsichtlich fehlender Begleitmedikation, unangemessener Verabreichungsintervalle, potenziell inadäquater Medikamente und einer defizitären Angemessenheit der Schmerztherapie. Anders als in den USA und Skandinavien ist Metamizol auf dem deutschen Arzneimittelmarkt zugelassen und wird von Ärzten trotz des Risikos einer aplastischen Anämie favorisiert. Die Angemessenheit der Schmerzmedikation wird beeinflusst durch die Anzahl der Kontakte mit Haus- und Fachärzten. Die Häufigkeit der Arztkontakte stellte sich nach Selbstauskunft der Bewohner/innen nicht so positiv dar wie in Studien, die auf Abrechnungsdaten basieren. Die Bedarfsorientierung und Qualität der Arztkontakte muss auf Basis unserer Befunde zumindest in Frage gestellt werden. Zudem werden wesentliche präventive und kurative Aufgaben des Pflegepersonals im Rahmen der nichtmedikamentösen Schmerzversorgung nicht wahrgenommen. Positiv hebt sich die zentrale Bedeutung von qualifiziertem Fachpersonal (PAIN-Nurse) im Sinne eines synergetischen Effektes im interdisziplinären Austausch mit Ärzten hervor. Die Überprüfungen von Effekten einer Intervention zur Optimierung des Schmerzmanagements, zeigt die Schwierigkeit der Beeinflussung des Schmerzes und insbesondere der Schmerzfolgen durch Maßnahmen wie Schulungen, die nicht direkt bei Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen ansetzen, sondern Verhaltensänderungen bei Ärzten und Pflegepersonal initiieren wollen. Als Erfolg kann gewertet werden, dass der Anteil an Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen, die Schmerzen >0 angaben, in allen Bereichen der Intensität gesenkt werden konnte. Die positiven Effekte auf die Wahrnehmung der Gehfähigkeit sind besonders hervorzuheben und kongruent mit neuen eigenen Ergebnissen, die Schmerzen als determinierenden Faktor für die funktionelle Mobilität und Zusammenhänge zu Sturzangst und Stürzen sehen. Ein weiterer Erfolg ist die Neuverschreibung von Schmerzmitteln bei Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen, die zuvor keine Medikamente erhielten und neue Verordnungen nichtmedikamentöser Therapien durch Ärzte, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Weiterführende Ansätze der Intervention müssen hinsichtlich der Stärkung pflegerischer Tätigkeiten im Bereich des Schmerzmanagements gesucht werden. Trotz der bekannten hohen Arbeitsbelastung müssen alle Möglichkeiten des Einsatzes nichtmedikamentöser Maßnahmen, als wesentlicher Aspekt des Schmerzmanagements, ausgeschöpft werden. Die Motivation proaktiver Nutzung nicht-medikamentöser Maßnahmen durch die Pflegeheimbewohner/-innen selber, muss in der Ausbildung und Praxis als Potenzial erschlossen werden. Die personellen Ressourcen im Bereich der Pflege, Medizin und Therapie bedürfen dringend der Steigerung, jedoch auch Fachwissen, Kenntnisse zum Schmerz und Schmerzmanagement sowie Kernkompetenzen wie kritische Selbstreflektion bedürfen der Erweiterung, um den Ansatz eines multidisziplinären Schmerzmanagements umfassend umsetzen zu können. Empfehlungen zu weiterführender Forschung richten sich, bei insgesamt positiver Studienbewertung, auf vertiefende Studien in Pflegeheimen und auf Untersuchungen des Schmerzgeschehens und des (nicht-) medikamentösen Schmerzmanagements bei Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit.