Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, politische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte des Integrationsprozesses im postsowjetischen Raum unter besonderer Berücksichtigung der 2015 von Belarus, Russland und Kasachstan gegründeten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) zu analysieren und die Ideen des Eurasismus und ihren Einfluss auf die Entwicklung des Integrationsprozesses im postsowjetischen Raum darzustellen. Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche Ziele und Interessen Russland bei der eurasischen Integration und speziell bei der Schaffung der EAWU verfolgt und inwieweit die russischen Interessen mit den Interessen der anderen EAWU- Mitgliedsstaaten übereinstimmen, sich voneinander unterscheiden bzw. einander widersprechen. Zu diesem Zweck wurde die Relevanz der seit der UdSSR-Zeit bestehenden wirtschaftlichen und politischen Verbindungen für die Integrationsentwicklung in der Region und die Effektivität der Arbeit von regionalen Organisationen, die den Rahmen der eurasischen Integration bilden, untersucht. Das empirische Vorgehen basiert auf der Erörterung theoretischer Ansätze des Eurasismus und des Neoeurasismus. Im Kontext der oben genannten Fragestellung entwickelt sich das (Neo-)Eurasismus-Konzept als eine Analysegrundlage, wobei „Eurasien“ in der Dissertation als postsowjetischer Raum betrachtet wird. Da die eurasische Thematik immer häufiger in den innen- und außenpolitischen Einstellungen der jeweiligen Länder auftritt und somit zu einem wesentlichen Bestandteil des politischen Diskurses wird, zieht sich das Eurasismus-Konzept wie ein roter Faden als Theorie, Ideologie sowie politische Einstellung durch die vorliegende Arbeit. In methodischer Hinsicht liegt der Arbeit die systematische politische Analyse zugrunde. Im Ergebnis zeigte sich vor allem Folgendes: Der Hauptfaktor, der die eurasische Integration erschwert, ist das unterschiedliche Verständnis der Integrationspartner über Ziele und Aufgaben der Integration. Es gibt also kein Integrationsziel, das alle Partner der eurasischen Integration teilen. Russland nimmt die eurasische Integration nicht nur als Verstärkung der wirtschaftlichen Kooperation, sondern vielmehr als Erweiterung und Festigung seines politischen Einflusses im postsowjetischen Raum wahr: mit Armenien im Kaukasus, mit Belarus im Westen und mit Kasachstan und Kirgisien in Zentralasien. Da Moskau den Einfluss in der Region als Fundament für die Selbstwahrnehmung als Großmacht betrachtet, stellt Russland seine politischen Ziele über die Ziele der eurasischen Integrationsgemeinschaften. Dies bestätigt sich einerseits durch die russischen Kriegshandlungen in der Ukraine und in Syrien, andererseits durch einseitig gegen Europa und die USA verhängte Sanktionen im Agrarbereich. Solche Handlungen widersprechen den Zielen und Prinzipien der Integrationsgemeinschaften wie der OVKS, GUS sowie EAWU und fördern eine Verstärkung der Auseinandersetzungen innerhalb dieser Institutionen. Die anderen Mitgliedsstaaten führen innerhalb der EAWU eine pragmatische Politik durch und konzentrieren sich vor allem auf die wirtschaftlichen Effekte der Kooperation. Belarus nimmt die eurasische Integration als wirtschaftliches Projekt wahr, indem Minsk günstige Finanzkredite von Russ- land gegen politische Loyalität tauscht. Dabei verfolgt Belarus das Ziel, seine Energiesicherheit und den einwandfreien Warenhandel mit Russland zu gewährleisten. Kasachstan betrachtet die eurasische Integration als eine strategische außenwirtschaftliche Aufgabe. Für Kasachstan ist die EAWU ein Sprungbrett für die Verstärkung der Kooperation mit den Ländern Europas und Asiens im Handelsbereich durch die Standardisierung von Produktionsprozessen, die Erweiterung der Freihandelszone, die Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit von kasachischen Waren sowie eine umfassende Modernisierung. Die neuesten EAWU- Mitglieder, Armenien und Kirgisien, versuchen mit dem EAWU-Beitritt, die wirtschaftliche Krise und die politische Instabilität zu überwinden. Da die armenischen und kirgisischen Wirtschaften sich in einer enormen Abhängigkeit von Russland befinden, ist die eurasische Integration mit Russland an der Spitze für beide Länder aktuell alternativlos.
This work aims at analysing the political, economic, and legal aspects of integration in the post-Soviet area, with particular reference to the Eurasian Economic Union (EAEU), founded in 2015 by Belarus, Russia, and Kazakhstan. The idea of Eurasianism and its influence on the development of the integration process in the post-Soviet space is also explored in this study. The study further deals with the objectives and interests of Russia in promoting Eurasian integration, and especially in the creation of the EAEU. It examines to what extent Russian interests agree with that of other EAEU member states, as well as how these interests differ from one another. In this sense, the relevance of existing economic and political ties since the USSR, the development of regional integration, and the effectiveness of the work done by regional organizations that form the framework for Eurasian integration are examined. The empirical approach is based on a discussion of the theoretical approaches of Eurasianism and Neo-Eurasianism. In the context of the question mentioned previously, the (Neo-)Eurasian concept develops as a basis for analysis, whereby ‘Eurasia’ in the dissertation is considered as the post- Soviet space. While the topic of Eurasia is increasingly manifested in the internal and external political attitudes of the various countries, and thus an essential component of political discourse, the concept of Eurasianism in this work is more of a theory, ideology, and political attitude. In methodological terms, the work is based on systematic political analysis. As a result, the main factor complicating the Eurasian integration is the different understanding of the purposes and tasks of integration among the partners. There is no common aim shared by all partners of the Eurasian integration. Russia interprets the integration not only as an enhancement of economic cooperation but also as an extension and consolidation of its political influence in the post-Soviet space: with Armenia in the Caucasus, Belarus in the West, and Kazakhstan and Kyrgyz Republic in Central Asia. Since Moscow considers its influence in the region as the foundation for being recognized as a great power, Russia puts its own political aims above the purposes of the Eurasian integration. This is confirmed, on the one hand, by the Russian war in the Ukraine and Syria, and on the other, by the sanctions declared against the European Union and the USA. Such actions are contrary to the objectives and principles of the regional integration communities, such as the CSTO, the CIS, and the EAEU, and only divide them further. The other member states are implementing a pragmatic policy within the EAEU and mainly focusing on the economic effects of the cooperation. Belarus considers the Eur asian integration as an economic project, thereby exchanging favourable financial credits with Russia against political loyalty. Kazakhstan considers the Eurasian integration as a strategic external economic task. For Kazakhstan, the EAEU is a springboard for strengthening its trade cooperation with European and Asian countries, by standardizing production processes, expanding the free trade zone, increasing the competitiveness of Kazakh goods, and modernization. The latest EAEU members, Armenia and Kyrgyzstan, are trying to overcome their economic crisis and political instability by accession to the EAEU. As the Armenian and Kyrgyz economies are strongly dependent on Russia, Eurasian integration with Russia as a leader is the only practical way forward for both countries.