Einleitung: Entscheidungen zur Familienplanung sind oft komplex, insbesondere für Frauen mit neurologischen Erkrankungen. Unsicherheiten und Sorgen bestehen häufig auf beiden Seiten – bei der Patientin und beim behandelnden Arzt. Ziel dieser Arbeit war es, Aspekte der Entscheidungsfindung in Bezug auf Familienplanung bei chronisch neurologisch erkrankten Patientinnen (hier Myasthenia gravis, MG) zu erheben, sowie das Wissen bzw. Beratungsverhalten von Ärzten im Bereich Familienplanung bei MG bzw. Multipler Sklerose (MS) zu erfassen. Methodik: Die verschiedenen Aspekte der Entscheidungsfindung in Bezug auf Familienplanung bei MG wurden anhand einer anonymen Befragung an einer großen MG-Population in Deutschland erhoben. Das Wissen bzw. Beratungsverhalten in Bezug auf Familienplanung bei MG von in Berlin niedergelassenen Neurologen sowie von in Myasthenie-Zentren tätigen Ärzten wurde in einer anonymen Befragungen erhoben, ebenso wie das Wissen hinsichtlich MS von in Berlin niedergelassenen Neurologen/Nervenärzten. Ergebnisse: Das Wissen von MG-Patientinnen über schwangerschaftsbezogenen Themen bei der MG war gering. An einer MG zu leiden beeinflusst die Familienplanung; mehr als die Hälfte der Patientinnen haben auf (weitere) Kinder verzichtet oder verzichten deshalb auf (weitere) Kinder. Als Hauptsorge bei der Entscheidungsfindung wurde der mögliche Einfluss der MG-Medikation auf das Neugeborene benannt. Der Partner, der die MG behandelnde Arzt/Neurologe und der behandelnde Gynäkologe waren die wichtigsten Personen bei der Entscheidungsfindung. Geringeres Wissen und der Mangel an persönlicher Erfahrung einer Schwangerschaft unter MG waren unabhängig voneinander mit der Wahrscheinlichkeit, anderen betroffenen Frauen von Kindern abzuraten, assoziiert. Die Erhebung des Beratungsverhaltens zum Thema MG und Familienplanung ergab, dass die Beratungskompetenz von Neurologen in spezialisierten Zentren insgesamt gesehen höher war als die Beratungskompetenz von Neurologen in der Niederlassung. Sie hing von der indikationsspezifischen Erfahrung des Arztes ab. Die Quote falscher Empfehlungen war in beiden Arztgruppen sehr niedrig und die der richtigen bzw. vertretbaren Empfehlungen sehr hoch. Die niedergelassenen Neurologen würden entsprechende Fälle häufiger an einen Kollegen verweisen. Die Erhebung des Wissens zu schwangerschaftsbezogenen Themen bei MS ergab, dass nur etwa die Hälfte aller Fragen korrekt beantwortet wurde. Dabei war die Anzahl der korrekten Antworten signifikant assoziiert mit der Anzahl der behandelten MS-Patienten. Schlussfolgerung: Frauen mit chronischen neurologischen Erkrankungen benötigen eine spezifische Beratung zum Thema Familienplanung. Patientinnen mit Beratungswunsch sollten sich an spezialisierte Zentren oder an Ärzte mit viel Erfahrung in der jeweiligen Indikation wenden, da die Beratungssicherheit hier am höchsten ist. Eine spezifische und spezialisierte Beratung ist insbesondere von Bedeutung, um Schäden von Mutter oder Kind zu vermeiden, aber auch damit Patientinnen mit Kinderwunsch nicht unnötigerweise auf Kinder verzichten.
Background: Decisions on family planning are often complex, especially for women with neurological disorders. Uncertainties and concerns often exist on both sides, in patients and physicians. The aim of this study was to analyze aspects of decision making regarding family planning in chronic neurologically diseased patients (here myasthenia gravis, MG), as well as to assess the knowledge and counseling behavior of physicians in the context of family planning and pregnancy in MG and multiple sclerosis (MS). Methods: The various aspects of decision making with respect to family planning in MG were assessed by an anonymous survey of a large MG population in Germany. The knowledge and consulting behavior regarding family planning in MG of neurologists in private practice in Berlin and in neurologists working in MG centers was assessed by an anonymous survey, as well as the knowledge regarding pregnancy related topics in MS of neurologists (here: also with board certification in both, neurology and psychiatry) in private practice in Berlin. Results: The knowledge of MG patients about pregnancy-related issues in MG was low. To suffer from MG affects the patient´s family planning; more than half of the patients had abstained from having (more) children due to MG. The concern mentioned most often was the possible influence of MG medication on the unborn child. Spouses/partners, the MG treating physician and treating gynecologist were the most important persons involved in the decision-making process. The survey on the consulting behavior related to MG and family planning revealed that the consulting expertise was higher in neurologists in specialized centers than in neurologists in private practice. The level of expertise was related to the indication-specific experience of the physician. The rate of false recommendations was very low in both groups of physicians and the rate of correct and justifiable recommendations very high. In the survey on knowledge in pregnancy related topics in MS only about half of all questions were answered correctly. The number of correct responses was significantly associated with the number of treated MS patients. Conclusions: Women with chronic neurological disorders need specific advice on family planning. Since advisory quality appears higher in dedicated centers, patients with counseling request should address specialized centers or doctors with extensive experience in the respective indication. A specific and specialized advice is particularly important to avoid harm of the mother or child, but also to avoid that patients who wish to have children unnecessarily abstain from starting or enlarging a family.