Die Dissertation widmet sich der literatursoziologischen Untersuchung von Kriegsliteratur in der Weimarer Republik. Im Sinne der von Pierre Bourdieu entwickelten Feldtheorie wird ein Korpus von über einhundert kriegsliterarischen Texten analysiert, die in der Zeit zwischen 1915 und 1936 entstanden und sich allesamt auf den Ersten Weltkrieg beziehen. Die Studie wird in zwei Schritten entfaltet: In einem ersten Schritt werden methodische Vorgaben und notwendige Ergänzungen zur Theorie diskutiert; die Beobachtungen zur Ausdifferenzierung der Erzähltechniken, die soziologische Analyse der Autoren und die Untersuchung der Struktur des Verlagswesens in der Weimarer Republik gewähren Überblicke über den Forschungsgegenstand. In einem zweiten Schritt werden dann exemplarische Texte eingehend untersucht. Zu diesem Zweck wurden die Werke in drei Gruppen zusammengefaßt: Die erste Gruppe wird von affirmativen Texten gebildet, die bekannte Militärpersönlichkeiten als Helden inszenieren; da sie ganz im Sinne der doxa des Wilhelminischen Reiches abgefaßt sind, werden sie "orthodoxe" Texte bezeichnet. Die zweite Gruppe von Werken, die "Häretiker I", wird durch kriegskritische Darstellungen gebildet; sie stellen den Sinn des Krieges in Frage, thematisieren das Geschehen aus der Außenseiterperspektive des Abweichlers und zeigen anhand der körperlichen und seelischen Destruktionskraft des Krieges die negativen Folgen für die Gesellschaft auf. Die dritte Gruppe, mit "Häretiker II" benannt, wird durch Texte radikalnationalistischer Provenienz gebildet. In diesen Darstellungen dominiert die Lust am Leiden, das ästhetische Vergnügen an der Verrohung und am Abgleiten des Menschen ins Animalische. Die Helden dieser Texte sind unbekannte Soldaten, deren Opfer für die Nation ins Heroische gewendet wird. Die Abfolge der Oppositionen zwischen den drei genannten Textgruppen läßt sich als Kampf um Deutungsmacht hinsichtlich des Ersten Weltkriegs interpretieren. Die innovative Leistung dieser Dissertation besteht keineswegs nur darin, daß der bislang in der Germanistik gängige Kanon von ca. 30 Texten erheblich ausgeweitet wird und so auf einer breiten Textbasis Darstellungstechniken des zeitgenössischen Genres "Kriegsliteratur" aufgezeigt werden, die als repräsentativ angesehen werden können. Vielmehr begründet sich der Erkenntniszugewinn aus der Verschränkung von soziologischer Untersuchung und ästhetischer Analyse, d.h. der Einsatz bestimmter Metaphern, Erzählmuster und Ästhetiken wird in Bezug zur sozialen Position der Autoren gesetzt und so die Homologie zwischen literarischem, sozialem und ideologisch-politischem Feld aufgezeigt. Darüber hinaus wird eine neue Periodisierung der Genreentwicklung vorgeschlagen: Ab ca. 1925 wird der Bürgerkrieg der frühen Weimarer Republik in einen Kampf im literarischen Feld überführt. Diese Zäsur in der Geschichte des Feldes begründet sich aus der Verwendung eines eschatologischen Deutungsmusters und der Herausbildung komplementär aufeinander bezogener Diskurse der beiden extremen politischen Lager. An der Auseinandersetzung zwischen den kriegskritischen Positionen um Remarque und den radikalnationalistischen Texten um 1929/30 kann schließlich abgelesen werden, daß die symbolische Neuordnung im literarischen Feld die spätere politische Entwicklung vorweggenommen hat.
The Ph.D. thesis focuses on the literary-sociological examination of war literature in the Weimar Republic. Pierre Bourdieus concept of the field theory is applied to the analysis of more than one hundred texts about the First World War, which were written between 1915 and 1936. The study is divided into two parts: The first part discusses methodical premises and necessary completion of the theory; the observations of the modifications of narrative techniques, the sociological analysis of the authors and the examination of the structure of the publishing, maintain the overall view about the object of research. In the second part the exemplary texts are being examined. For this purpose the books are divided into three groups: The first group is made up of affirmative texts showing known militaries as heroes. They are named "orthodox" texts, because they are written in accordance with the doxa of the Wilhelminian Reich. The second group of books is made up of critical representations named the "heretics I"; they question the sense of war, focusing on the past through the perspective of an outsider and show the negative consequences of war for society through the physical and psychological destruction of the main characters. The third group, named "heretics II", is made up of radical nationalist texts. In this representations the pleasure of suffering dominates as well as the lust for brutalization and the transformation of man into beast. The heroes of these texts are unknown soldiers; their sacrifice for the nation is being glorified. The sequence of oppositions between the three groups of texts can be interpreted as a battle of monopolization about the meaning of the First World War. The innovation of the Ph.D. thesis does not only exist in the increase of the number of canonized texts - in the germanistic around 30 books are being discussed - and in the examination of exemplary narrative techniques, which can be seen as representative. On the contrary, the achievements, which have been won through research, stand in the link between sociological analysis and aesthetic examination, i.e. the use of certain metaphors, narrative structures and aesthetics is being connected to the social position of the authors and so the homology between literary, social and political field is being shown. Moreover, a new division of periods is being suggested: From ca. 1925 onwards the civil war in the early Weimar Republic is being transformed into a battle in the literary field. This caesura in the history of the field reasons in the use of an eschatological interpretation and the development of two complementary discourses of the extreme right and left. The opposition between the critical positions of Remarque and his disciples and the radical nationalist texts from around 1929/39 show that the new symbolical order in the literary field anticipates the further political developments.