Die vorliegende experimentelle Untersuchung soll einen Beitrag zur Psychologie des fairen Verhaltens liefern. Es wird von der aktuell kontrovers diskutierten Hypothese ausgegangen, dass sich Menschen in sozialen Situationen auf einem Kontinuum unterschiedlich fairer Verhaltensmodi bewegen anstatt ein Verhalten zu zeigen, dass nur an ihrem Eigennutz orientiert ist. Diese fairen Verhaltensmodi sollten sich in ihrer Ausprägung hinsichtlich verschiedener situativer Bedingungen wie Ressourcenunterschiede und sozialer Distanz unterscheiden. Um diese Hypothesen zu überprüfen, wurden 138 Versuchspersonen in einer experimentellen Laboruntersuchung an einem Computernetzwerk bezüglich ihres gegenseitigen Verteilungsverhaltens über 200 Durchgänge untersucht. Die Versuchspersonen wurden zu Triaden zusammengestellt und sollten Geld, das ihnen zugewiesen wurde, an die anderen Mitspieler verteilen. Am Ende der Untersuchung bekamen die Versuchspersonen das von den beiden anderen zugewiesene Geld ausgezahlt. Die Versuchspersonen wurden zu dieser Verteilungssituation in verschiedene situative Bedingungen gebracht. Sie spielten in unterschiedlich großer sozialer Distanz zueinander, was mit Bekanntheitsgrad und Anonymitätsgrad operationalisiert wurde. Außerdem befanden sich die Triaden entweder in einer Situation, in der den Versuchspersonen entweder gleiche Ausgangsressourcen oder unterschiedliche Ausgangsressourcen zu Verfügung standen. Durch vor allem varianz- und regressionsanalytische Auswertungsmethoden auf globaler, Paar- oder Positions- Ebene konnte gezeigt werden, dass sich das Verteilungsverhalten mit Fairnessmodellen vorhersagen lässt. Schon auf globaler Gruppenebene waren Verteilungstendenzen zu beobachten, die mit Fairnessannahmen vereinbar sind und wenig eigennützige Tendenzen zeigten. Die Analyse auf Paarebene bildete die Wirkung der situativen Bedingungen auf die gegenseitige Beziehung zwischen den Versuchspersonen ab. Größere soziale Distanz zieht demnach Verteilungsverhalten nach sich, das sich in Richtung des fairen Verteilungsprinzips der gegenseitigen Verteilung und damit zur abgeschwächten Gewinnorientierung bewegt. Bei kleinerer sozialer Distanz zeigen die Versuchspersonen deutliche Tendenzen in Richtung des fairen Verteilungsprinzips der Gleichverteilung. Stark eigennütziges Verhalten, was sich zum Beispiel durch globale Koalitionen und ausschließliches Zusenden der Beträge zwischen den Ressourcenreicheren bei verschiedenen Ausgangsressourcen ausgedrückt hätte, konnte nicht beobachtet werden. Allerdings wurde bei größerer sozialen Distanz Verteilungsverhalten gezeigt, was mit tendenziell eigennützigem Verhalten vereinbar war, vor allem bei den Ressourcenreichen in der Versuchsbedingung mit unterschiedlichen Ausgangsressourcen. Dieses Verhalten könnte als eigennützige Verzerrung fairen Verhaltens angesehen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung unterstützen also die Annahmen, dass soziales Verteilungsverhalten durch Fairnessmotive geprägt ist, wobei es bei Ressourcenunterschieden und größer werdender sozialer Distanz der Personen untereinander zu eigennützigen Verzerrungen kommen kann. Es kann also, auch in Unterstützung anderer experimenteller Untersuchungen, darauf geschlossen werden, dass es einen Fairnessmaßstab gibt, der sich aufgrund situativer Einflüsse in einem gewissen Rahmen verschieben kann.
The experimental investigation presented here is meant to contribute to the psychology of fair behaviour. It takes as its starting point the current controversial hypothesis that a continuum of fair behavioural modi in social situations exists, and that actual behaviour can vary along it. This conflicts with the concept that people always act according to their own self interest. These fair behavioural modi differ in extent of fairness depending on particular situational conditions, such as resources available and social distance between actors. In order to test these hypotheses the reciprocal distribution behaviour of 138 Subjects was examined on a computer network in an experimental laboratory investigation. The subjects were grouped in triads and distributed money allotted to them to the other playing partners. There were altogether 200 trials. At the end of the investigation subjects received the money assigned to them from the other players. There were different social situations in which subjects were brought to this same experimental situation. They played in varying social distance to one another, operationalised as degree of familiarity and anonymity. Further, the triads found themselves in a situation in which subjects were either allocated the same initial resources or had unequal amounts of initial resources available to them. It could be shown that distribution behaviour can be predicted with fairness models, above all using analysis of variance and regression analytic evaluation methods of global, pair or position levels. Already at the global group level distribution tendencies were observed which were quite compatible with fairness assumptions, yet not very compatible with self-interest tendencies. The analysis at the pair level showed the effect of the situational condition on the reciprocal relationship between the subjects. Greater social distance resulted in distribution behaviour tending in the direction of the fairness principle of reciprocal distribution and, therefore, weaker profit orientation. In conditions of smaller social distance, subjects demonstrated clear tendencies in the direction of the fairness principle of equal distribution. For unequal initial resources, strong self-interested behaviour would have been expressed, for example, in the building of global coalitions and exclusive allotment of the contributions between resource-rich subjects. This could not be observed. Indeed, for greater social distance, distribution behaviour was shown which tends to be compatible with self-interested behaviour, especially for the resource-rich in the condition with unequal initial resources. This behaviour could be seen as self-interested distortion of fair behaviour. The results of the investigation, therefore, support the assumptions that social distribution behaviour is influenced by motives of fairness, whereas for unequal resources and larger social distance between people, self-interested distortions may occur. It can therefore be concluded, with the support of other experimental investigations, that a fairness standard exists which can shift due to situational influences.