Eine Basisfunktion für den ungestörten Spracherwerb stellt die Phonemdiskrimination dar, die unter anderem Fähigkeiten der zeitlichen Verarbeitung, wie z.B. die exakte Analyse zeitlicher Merkmale sowie eine ausreichende Verarbeitungsgeschwindigkeit voraussetzen. Die Messung akustisch evozierter Potenziale (AEP) sowie deren Teilkomponente Mismatch Negativity (MMN) stellen ein objektives Verfahren zur elektrophysiologischen Darstellung der Phonemdiskrimination bzw. der Fähigkeiten der zeitlichen Verarbeitung bei Säuglingen dar. Ziel dieser Arbeit war es daher, die auditive Verarbeitung von schnellen Reizfolgen sowie den Einfluss der zeitlichen Struktur eines Reizes auf die Phonemdiskrimination bei Säuglingen (n=47) im Alter von 4 Wochen sowie im Alter von 5 Monaten mittels dieses Verfahrens zu untersuchen. Des Weiteren sollte das Studiendesign an 24 erwachsenen Kontrollpersonen evaluiert werden. Als akustisches Reizmaterial wurden Doppelsilben verwendet, die sich im Phonem der zweiten Silbe unterschieden (Standardreiz: /da/-/da/ versus Deviantreiz: /da/-/ba/). Dabei variierte die Pausenlänge zwischen den Silben in zwei unterschiedlichen Bedingungen, zum einen mit 50 ms und zum anderen mit 150 ms. In den gemittelten Standardantworten dominierte bei den Kindern im Alter von 4 Wochen um 290 ms auf die erste Silbe im Doppelreiz eine Positivierung. Auf die zweite Silbe stellte sich eine verminderte Reizantwort dar. Dieser Beobachtung wurde eine unvollständige Verarbeitung der zweiten Silbe als Folge von interferierenden Prozessen bei schneller Reizfolge (Maskierung) zugeschrieben. Bei einer Wiederholungsmessung nach 4 Monaten ließen sich neben einer Verminderung des Maskierungseffekts, eine Latenzabnahme, eine Amplitudenzunahme sowie morphologische Veränderungen in den kortikalen Potenzialantworten dokumentieren. Bei der Auswertung der Differenzkurven ergaben sich in der adulten Kontrollgruppe auf die Bedingung mit kurzer Pause (50 ms) zwei negative Komponenten (MMN I und MMN II). Für die Bedingung mit langer Pause (150 ms) stellte sich dagegen nur eine negative Auslenkung (MMN I) dar. Mit diesem Ergebnis konnte veranschaulicht werden, dass akustische Reize zum einen jeweils separat verarbeitet (MMN I) und zum anderen abhängig von der Pausenlänge zwei Reize auch als akustische Einheit zusammenfasst (MMN II) werden. In der Säuglingsgruppe konnte überraschenderweise keine signifikante MMN evoziert werden. Jedoch zeigte sich ab dem 5. Lebensmonat auf die Doppelsilben mit langer Pause eine positive Komponente in der Differenzkurve. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser Positivierung möglicherweise ein Diskriminationsprozess zugeordnet werden kann. Auf die Doppelsilben mit kurzer Pause stellte sich jedoch keine solche Positivierung dar. Es lässt sich somit vermuten, dass aus einer zeitlichen Komprimierung des Stimulusmaterials eine schlechtere auditive Verarbeitung resultierte. Mit der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass eine Objektivierung der auditiven Verarbeitung und Diskrimination bei Kindern mittels der AEP bzw. MMN möglich ist. Statistisch abgesicherte Daten konnten jedoch nur bei der Auswertung auf Gruppenebene erhoben werden. Zur Evaluierung individueller Potenzialantworten bedarf es der Untersuchung größerer Probandenkollektive.
The mismatch negativity (MMN) is a component of event-related potentials (ERPs) and reflects passive change detection. The present study tested the discrimination processing of phonemes and the temporal processing in infants with the ERPs and MMN. 47 children (33 boys and 14 girls) without a family history for SLI and dyslexia, neurological and developmental deficits were evaluated in a longitudinal study at the age of 4 weeks and 5 month by presenting a mismatch paradigm. Frequent standard stimuli were two-syllabic speech sounds (/da/-/da/). Deviant stimuli differed from the standard stimuli in the phoneme of the second syllable (/da/-/ba/). The dependency of the temporal structure of a speech sound to the discrimination processing of phonemes was measured by comparing two conditions with different duration of the gap between the two syllables. A gap duration of 50 ms was presented in experiment 1 (/da/50 ms/da/ versus /da/50 ms/ba/), whereas a gap duration of 150 ms was tested in experiment 2 (/da/150 ms/da/ versus /da/150 ms/ba/). The difference waves to condition 1 and 2 showed no significant MMN at the age of 4 weeks and 5 month. In the difference wave to condition 2 (/da/150 ms/da/ versus /da/150 ms/ba/) appeared a broad positivity after change onset at the age of 5 month. The present study suggests that this positivity is a correlative to the adult MMN in infants. The results show that ERPs and the component MMN can be used to investigate the passive change detection and the temporal processing in infants.