Hintergrund: Neue Arzneimittel erhalten ihre Marktzulassung auf Basis von Studiendaten, deren Übertragbarkeit in die klinische Praxis nur eingeschränkt möglich ist. Zielsetzung: Das Ziel dieser Arbeit war es an Hand der Auswertung von klinischen Routinedaten, die Verträglichkeit von sieben neuen Antiepileptika (Topiramat, Levetiracetam, Zonisamid, Pregabalin, Oxcarbazepin retard, Lacosamid, Eslicarbazepin) in der klinischen Anwendung zu untersuchen. Methodik: Über 2 3/4 Jahre wurden alle Patienten, die mit einem dieser Antiepileptika stationär behandelt wurden, systematisch erfasst und aufgetretene unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAWs) mit Hilfe der WHO-UMC Klassifizierung hinsichtlich ihres Kausalzusammenhangs in Bezug auf die eingenommenen Antiepileptika beurteilt. Für jedes Antiepileptikum wurde die Anzahl an Patienten ohne UAWs und mit UAWs, die in zumindest möglichem Kausalzusammenhang gesehen wurden, ermittelt und die jeweiligen Inzidenzraten der UAWs mit den Angaben der Fachinformationen verglichen. Darüber hinaus wurden die Wirkstoffe Lacosamid und Oxcarbazepin detaillierter hinsichtlich der ihre Verträglichkeit beeinflussende Faktoren untersucht. Hierfür wurden die erhobenen Daten um Informationen aus der hauseigenen Labordatenbank und dem Archiv ergänzt. Zur statistischen Auswertung wurden Methoden der deskriptiven Statistik, Kaplan-Meier Schätzungen, Log-Rank-Tests oder logistische Regressionsanalyse verwendet. Ergebnisse: Insgesamt wurden die Daten von 562 Patienten systematisch erfasst, von denen 90% eine antiepileptische Polytherapie mit bis zu 6 Antiepileptika erhielten. In Bezug auf die zugelassene Maximaldosis wurden bis zu 64,7% der Patienten off-label behandelt. Das Auftreten von UAWs war dabei signifikant mit der Anzahl der eingenommenen Antiepileptika und der Summe der definierten Tagesdosen (DDDs) korreliert. Insgesamt wurden für 318 Patienten (56,6%) UAWs dokumentiert, wovon die meisten das zentrale Nervensystem, Elektrolytentgleisungen oder kognitive Einschränkungen betrafen. Beim Vergleich der jeweils ermittelten Inzidenzraten mit den Angaben der Fachinformationen (FI), konnte für einige dieser UAWs eine wahrscheinliche Unterschätzung des Risikos seitens der FI abgeleitet werden. Für Oxcarbazepin konnte eine signifikante Abhängigkeit zwischen dem Auftreten von UAWs und den Blutserumspiegeln gezeigt werden, wohingegen die Dosisabhängigkeit weniger stark ausgeprägt war. Darüber hinaus war die Verträglichkeit abhängig vom Alter der Patienten und der jeweils verordneten pharmazeutischen Darreichungsform. Für Lacosamid konnte ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von UAWs und den maximalen Serumkonzentrationen gezeigt werden, weshalb zur besseren Verträglichkeit eine Änderung der täglichen Einnahme von einer Zwei- auf eine Dreimalgabe empfohlen wurde. Schlussfolgerung: Während der stationären Behandlung von Patienten wird routinemäßig eine Vielzahl wertvoller Informationen erhoben, die bisher jedoch kaum für pharmakoepidemiologische Zwecke oder die Pharmakovigilanz genutzt werden. Die systematische Auswertung derartiger Daten könnte die Möglichkeit zur frühen Identifikation von UAWs erhöhen und somit die Basis für ein praxisnahes Surveillance-System bilden.
Background: Based on data of clinical trials, new agents are receiving approval, for which information concerning safety issues under real-life conditions is not yet available. Objectives: The aim was to evaluate the tolerability of newer antiepileptic drugs (AEDs), such as topiramate, levetiracetam, zonisamide, pregabalin, extended-release oxcarbazepine, lacosamide and eslicarbazepine, under real-life conditions by means of an assessment of routine clinical data of inpatients. Method: Over 2.75 years data of all inpatients receiving one of the newer AEDs were documented. Occurring adverse drug reactions (ADRs) were classified according to the WHOUMC Causality Assessment concerning their likely relationship to the prescribed AEDs. For each AED, the total number of patients without and with ADRs, assessed as at least possibly related to the particular drug, was calculated and corresponding incidences compared with reference data provided in the Summary of Product Characteristics (SmPC). In addition, data of lacosamide and oxcarbazepine were analyzed in detail concerning tolerability influencing factors. For this reason, documented data were completed by information of a local AED therapeutic drug monitoring database. For statistical evaluation different descriptive methods, Kaplan-Meier estimates, log-rank tests or logistic regression analysis were used. Results: In total, the data of 562 patients were assessed, of which 90 % received up to six different AEDs. The proportion of off-label use with regard to dosage varied up to 64.7 %. The occurrence of ADRs was significantly associated with the number of AEDs as well as the defined daily doses (DDDs). In total, ADRs of AEDs were documented for 318 patients (56.6 %). The most common ones referred to electrolyte imbalance, the central nervous system or cognitive deficits. By comparing the assessed ADR incidences with specification data, for some ADRs a probable underestimation by the SmPC of respective risk could be assumed. For oxcarbazepine the occurrence of ADRs was identified as being significantly dependent on serum level, whereas the dependence on dosage was less distinctive. Furthermore, tolerability seemed to depend on the age of the patients as well as on the pharmaceutical formulation of oxcarbazepine. For lacosamide ADRs seemed to be in close temporal relationship to the measured peak serum concentration, therefore conversion to a t.i.d. regimen was recommended as a promising alternative to dose reduction or discontinuation. Conclusion: During inpatient treatment, valuable data are generated, which are currently rarely utilized for pharmacoepidemiologic or pharmacovigilance purposes. A systematic evaluation of these data can increase the probability of detecting ADRs and can promote real-life-related drug surveillance.