Schon heute gehören Depressionen zu den häufigsten, aber im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Bedeutung auch am meisten unterschätzten Erkrankungen. Für das Jahr 2020 prognostiziert die „Global Burden of Disease“ Studie der World Health Organisation, dass Depressionen direkt hinter den ischämischen Herzerkrankungen auf Platz zwei aller globalen Krankheitslasten liegen werden. Ziel der Behandlung von Depression sollte eine schnelle Remission und ihre Aufrechterhaltung sein. Denn gegenüber Patienten die noch Residualsymptome aufweisen, erreichen vollständig remittierte Patienten ein höheres Funktionsniveau und haben ein reduziertes Rückfallrisiko. Bei der Behandlung von depressiven Erkrankungen stellt Therapieresistenz nach wie vor ein großes Problem dar. Obwohl die Zahl von Behandlungsoptionen mit Antidepressiva in den letzten Jahren stetig gestiegen ist, bleibt die Zahl der Patienten, die auf einen oder mehrere Therapieversuche nicht ansprechen konstant. Eine der möglichen Ursachen für ausbleibende Behandlungserfolge ist eine unstrukturierte Pharmakotherapie. Als typische Behandlungsfehler werden inadäquate Therapiestrategien in Form von unzureichender Dosierung und Behandlungsdauer diskutiert. Um die genannten Behandlungsfehler zu vermeiden, wurden in den letzten Jahren Leitlinien und Therapiealgorithmen für die Behandlung von depressiven Erkrankungen entwickelt. Therapiealgorithmen sind Stufenpläne, die strukturierte Behandlungsempfehlungen bei Nicht-Ansprechen auf eine Antidepressiva-Therapie beinhalten. Ziel ist es, dass Vorkommen von Pseudotherapieresistenz (Nonresponse aufgrund von nicht adäquat durchgeführten Therapieversuchen) zu vermeiden und die Behandlungsqualität zu verbessern. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die dritte Phase des von 1990 – 2005 durchge-führte dreiphasige German Algorithm Projekt (GAP). Zentrale Ergebnisse sind eine Verminderung der Zeit bis zur Remission sowie höhere Remissionsraten in den Inter-ventionsgruppen. Die dritte Phase des German Algorithm Projekts (GAP 3) ist die erste große randomisierte, kontrollierte Studie mit multizentrischem Ansatz für die stationäre Behandlung von Depressionen mit Therapiealgorithmen. Das Studiendesign von GAP 3 vergleicht 2 verschiedene Therapiealgorithmen mit der Behandlung nach freier Arzt-wahl. Einerseits wird der hochstandardisierte Stufenplanalgorithmus SSTR und ande-rerseits der CDES Algorithmus, der auf die individuelle Patientengeschichte eingeht, untersucht. Aufgabe der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der noch offenen Frage, ob Unterschiede im Therapieprozess bzw. im ärztlichen Verordnungsverhalten zu den besseren Ergebnissen der Algorithmusgruppen führen. Hierfür wurde eine statistische Auswertung der medikamentösen Behandlung der dritten Phase des German Algorithm Projekts durchgeführt. Die vorliegende Arbeit konnte erstmalig zeigen, dass der Gebrauch von SSTR zu der Verschreibung von signifikant weniger verschiedenen Antidepressiva führt als bei CDES und TAU. Der Gebrauch des CDES Algorithmus ging bei gleichzeitig schlechteren Remissionsraten als bei SSTR mit einer Gefahr der Unterdosierung einher. Dieses Ergebnis legt nahe, dass das gute Abschneiden von SSTR auch durch seine hochstandardisierten Therapieregeln, die eine Unterdosierung verhindern, erklärt werden kann. Das Ergebnis aus der monozentrischen GAP 2 Studie, das sich SSTR durch weniger Strategiewechsel und weniger Polypharmazie auszeichnet, konnte in dieser Arbeit multizentrisch nicht repliziert werden. Bei der kumulativ verordneten Antidepressivamenge, gemessen als Daily Described Doses (DDD) wurden, ebenso wie bei dem Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, keine Unterschiede gefunden. Ebenfalls keine Unterschiede zeigten sich im Verordnungsverhalten bei der Verschreibung von Antipsychotika, Hypnotika und Tranquilizern. Bei hohen Dropoutraten in den Algorithmusgruppen zeigte sich, dass die zu CDES randomisierten Patienten häufiger durch arztbedingte Protokollverstöße und die SSTR Patienten häufiger patientenbedingt aus der Studie ausschieden. Herausforderungen der Algorithmusforschung bleiben u. a. die Austarierung der idealen Zeitpunkte für Strategiewechsel nach Nonresponse auf die Therapie mit Antidepressiva. Weiterhin wird Gegenstand weiterer Forschung die Identifizierung von zuverlässigen Prädiktoren sein, die sich in individualisierte Algorithmen implementieren lassen. So werden zukünftige Algorithmen vielleicht auf individuelle Genprofile der Patienten eingehen können. Bis dahin sind weitere kontrollierte Studien nötig, um die Wirksamkeit dieser neuen Therapieansätze zu belegen.
In the treatment of depressive disorders treatment resistance remains a major problem, although the number of treatment options has increased steadily with antidepressants in recent years, the number of patients who do not respond to one or more therapeutic trials remains constant. One of the possible reasons for the lack of treatment success is an unstructured pharmacotherapy. As typical medical malpractice inadequate treatment strategies in the form of inadequate dosage and duration of treatment are discussed. To avoid the above error treatment, guidelines and treatment algorithms for the treatment of depressive disorders have been developed in recent years. The present work is part of the third phase of the from 1990 - 2005 carried German Algorithm Project (GAP ). Main results are a reduction in the time to response and remission rates in the intervention groups. The third phase of the German Algorithm Project (GAP 3) is the first large randomized controlled trial with multicentric approach for inpatient treatment of depression with treatment algorithms. The study design of GAP 3 compares two different treatment algorithms with treatment as usual. On the one hand, the highly standardized algorithm SSTR -step plan and secondly the CDES algorithm that responds to the individual patient's history was examined. Objective of the present work was to answer the still open question of which differences in treatment process or in the doctor's prescribing habits lead to the better results. For this purpose, a statistical evaluation of drug treatment of the third phase of the German Algorithm Project was performed. The present study was first to show that the use of SSTR leads to significantly fewer prescription of antidepressants than in CDES and TAU. The use of the CDES algorithm was associated with a risk of under-dosing and at the same time poorer remission rates than in SSTR . This result suggests that the good performance of SSTR can also be explained by its high standard therapy rules that prevent underdosing. The result from the single-center study, GAP 2 , the SSTR was characterized by less strategy changes and polypharmacy, this could not be replicated in this study. In the cumulative prescribed antidepressants , measured as Described Daily Doses (DDD ), as in the occurrence of adverse drug effects, no differences were found.