Diese Dissertation erforscht die sozialen und kulturellen Inhalte, die eine andine Pilgerfahrt umfasst. In diesem sozialen Phänomen erfährt man eine Art des Denkens und Handelns, in der Raum, Gesellschaft und Kult miteinander verbunden sind. Das Gebiet, aus dem die Pilger kommen, wird mit einer Gottheit identifiziert, die sowohl das Gebiet als auch die Bewohner desselben, das heißt die entsprechende Gesellschaft, beschützt. Auf diese Weise wird in der Pilgerfahrt die Existenz einer ethnischen Region ausgedrückt, die in räumlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Begriffen klar definiert werden können. Diese Identifikation zwischen Raum und Gottheit beziehungsweise Raum und Gesellschaft und dadurch auch Gesellschaft und Gottheit verortet sich in einer andinen Tradition, die Verwandtschaft unterstreicht und die erwähnten Beziehungen in Begriffe des Verwandtschaftssystems einordnet. So schaffen die Akteure symbolische Verwandtschaftsbeziehungen sowohl zu dem Gebiet als auch zu der Schutzgottheit, indem sie sich als "Kinder" von beiden bezeichnen. In dieser Konstruktion erkennt man klar vorspanische Muster der kosmologischen Ordnung
Die vorliegende Dissertation basiert auf dem ethnographischen Beispiel der Pilgerfahrt des Señor de Muruhuay, dessen Heiligtum sich in der zentralandinen Provinz Tarma in Peru befindet. Diese Provinz wird durch eine Geschichte charakterisiert, in der die Beziehungen zu anderen Regionen ziemlich ausgeprägt sind, vor allem seit der Kolonialzeit und besonders in den letzten Jahrzehnten. In diesem Kontext großer Wanderungsbewegungen hat sich der Kult des Señor de Muruhuay erhalten. Die Migranten haben sich so organisiert, dass sie immer noch an der Pilgerfahrt teilnehmen und gleichzeitig den Kult an den Orten reproduzieren, wohin sie gewandert sind. Auf diese Weise ist ihre Identität durch das Gedenken ihrer Herkunft aus Tarma bestimmt. Die Erinnerung an Tarma ist mit der regionalen Schutzgottheit verbunden. Die Identität, die sich mittels des Kult des Señor de Muruhuay bildet, benutzt also vor allem ethnische Begriffe, weil sie sich auf Verwandtschaftsbeziehungen stützt, die sowohl real als auch symbolisch sind.
Die vorliegende Dissertation wurde in drei Teilen aufgeteilt. Im ersten Teil der Arbeit werden sowohl den Raum, als auch die Heiligenfigur beschrieben und analysiert. Beides sind Aspekte ein und desselben Phänomens, denn schließlich sind die räumlichen Verhältnisse ebensowenig zu verstehen, ohne dass man die Gottheit einbezieht, die in ihnen wirkt, wie die Essenz jener Gottheit zu greifen ist, wenn man sie von ihrem räumlichen Kontext isoliert. Der zweiten Teil bietet den kontextuellen Hintergrund für verschiedene Kapitel dieser Arbeit. Zunächst ist es eine Darstellung der historischen Abläufe in der Region, darüber hinaus eine Einführung in die historischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse des Dorfes, in dem ich die Feldforschung durchführte. Schließlich gibt es eine erste Annäherung an das Phänomen der Wallfahrt aus einer symbolischen Perspektive wieder. Der dritte Teil reflektiert vier verschiedene Sichtweisen auf die Wallfahrt, die sich zwischen den Dimensionen des Individuellen und des Kollektiven bewegen. Jede der vier betont je einen relevanten Aspekt der Wallfahrt: die alltägliche Umsetzung des Kults an den Señor de Muruhuay durch die Pilger, die Makroorganisation der Wallfahrt, die Bedeutung des Tanzes und schließlich das Erleben der Feierlichkeiten.
This dissertation explores the social and cultural significance of the Andean pilgrimage. Pilgrimages are in the Andes an extended phenomenon which conveyed not only religious but also social meanings. They are fascinating occasions where the interaction of the collective and individual dimensions can be realised in a clear way. This thesis aims to understand the links between the personal action and the construction of large social formations. Through the analytical treatment of space, ritual and believe the pilgrimage emerges as an expression of an Andean way of think and act in which the space, the society and the cult are interrelated elements. It is argued that the territory is identified with a certain divinity and the population that lives there constructs its identity in relation to the space and the specific tutelary divinity.
The ethnographical sample for this dissertation is the pilgrimage of the Lord of Muruhuay, whose shrine is located in the Province of Tarma. Tarma is a region in the central Andes of Peru located close to the large cities of Lima and Huancayo, the important mines of La Oroya and Pasco and the forest region. The inhabitants of Tarma are used to move themselves between these places since the prehispanic time. Nowadays, there exist important colonies of people from Tarma in the US and in Canada. This spatial fluency of the pilgrims are considered as a main element of the analysis of the pilgrimage.
The dissertation is divided in three main sections. The first is called "The Lord and his Shrine" and deals with the description and analysis of the different aspects, the divinity and its place can be examined under, such as mythology, spatial organisation, religious belief, temporal dimension. Because of methodological reasons, the sections was subdivided in two chapters, the first is concerned with the attributes of the Lord of Muruhuay and the second with the character of the shrine. The second section is formed by one chapter, which is an historical account of the Tarma region that should serve to the understanding of the characteristics of the current society and culture of Tarma and therefore of the pilgrimage. The third section is called "Pilgrims? Gazes" and presents four different "gazes" to the pilgrimage, combining individual and collective perspectives. The first of all (chapter four) is an approach to the role and significance that the Lord of Muruhuay and his cult have in the daily life of the believers. Chapter five is about the social meanings that conveys the temporal organisation of the pilgrimage. The sixth Chapter is dedicated to the ritual dance of the Chonguinada. The dance embodies multiple meanings and is used actively and consciously by the actors as a vehicle of expression for either hegemonic or contra-hegemonic discourses. The last chapter explores the festive dimension of the pilgrimage and suggests a way in which the characteristic festival "excesses" can be understand within the phenomenon of the pilgrimage.