Subsistenzstudien wurden relativ selten an prähistorischen Siedlungsplätzen des zentralen Andenraums durchgeführt, obwohl insbesondere in den Tälern der peruanischen Küstenregion die Erhaltungsbedingungen für organische Abfälle exzellent sind. Die wenigen Forschungsprojekte zur Nahrungsgewinnung beschäftigten sich bevorzugt mit den ältesten Nachweisen kultivierter Pflanzen und domestizierter Tiere, vernachlässigten aber häufig die Analyse von Überresten anderer Materialklassen (Mollusken, Krebstiere, Vögel, Fische). Da die Domestikationsprozesse der einzelnen Pflanzen- und Tierarten bis zur sogenannten Initialzeit (bis 1000 u.Z.) weitgehend abgeschlossen waren, interessierte die Nahrungsgewinnung späterer prähistorischer Bevölkerungsgruppen nur noch wenige Wissenschaftler. Dabei lassen gerade komplexe, auf die gesamte "Vorgeschichte" einer Region ausgerichtete Studien erkennen, welche Veränderungen sich dort im Verlauf der einzelnen Epochen im Subsistenzsektor ergaben. Daneben liefern Subsistenzdaten wichtige Informationen über die internen Strukturen (z.B. Statusunterschiede) stratifizierter Gesellschaften und vervollständigen somit die Erkenntnisse, welche sonst nur über unterschiedliche Architekturformen, Bestattungspraktiken oder Objekte der materiellen Kultur gewonnen werden. In der vorliegenden Arbeit werden die Subsistenzstrategien zweier "archäologischer Kulturen" (Casma/Chimú) thematisiert, welche während des sogenannten Späten Horizonts (ca. 1470-1530 u.Z.) an verschiedenen Siedlungsplätzen des Casma-Tals koexistierten. Die dominante Chimú-Gruppe, deren urbanes Zentrum (Chan Chan) im Moche-Tal errichtet wurde, expandierte in mehreren Phasen entlang der peruanischen Küstenregion, wobei die Übernahme des Casma-Tals zu Beginn des 14. Jahrhunderts erfolgte. Dort, wie in den anderen okkupierten Küstentälern, wurden Verwaltungszentren errichtet, welche eine interne Hierarchisierung erkennen lassen. In den größeren Regionalzentren, wo sich die meisten Verwaltungs- und Kultbauten konzentrierten, residierten die politischen Machthaber, während die Bewohner der kleineren ländlichen Verwaltungszentren vorrangig für die Konstruktion von Feld- und Bewässerungssystemen, die Nahrungsgewinnung und die Produktion handwerklicher Güter zuständig waren. Das vom Autor untersuchte Verwaltungszentrum Puerto Pobre, eine etwa 1 ha große Lehmziegelanlage, weist charakteristische Merkmale der späten Palastanlagen des Zentrums Chan Chan auf. Neben typischen Verwaltungsbauten konnten auch große Versammlungshöfe und kleine Grabplattformen dokumentiert werden, welche darauf hindeuten, dass die ruralen Verwaltungszentren während des Späten Horizonts (ab 1470 u.Z.) ihren zuvor rein administrativen Charakter verloren. Die Chimú-Zentren verteilten sich im Raum Casma auf die verschiedenen Talabschnitte und wurden fast ausschließlich am Rand potentieller Bodenbauflächen angelegt, vermutlich um eine maximale Agrarproduktion zu gewährleisten. Gleichzeitig wurden die alteingesessenen Casma-Bewohner von ihren ehemals bedeutenden Bevölkerungszentren in die unmittelbare Nähe der neu errichteten Verwaltungszentren (zwangs-)umgesiedelt. Dort konnten sie von den neuen Chimú-Machthabern besser kontrolliert und zu bestimmten Arbeits- und Tributleistungen verpflichtet werden. Das Aufeinandertreffen zweier "archäologischer Kulturen" an mehreren Siedlungsplätzen des Casma-Tals bot die einmalige Gelegenheit an einem der Fundorte (Puerto Pobre) eine komplexe Subsistenzstudie durchzuführen. Die getrennt angelegten Siedlungsareale beider Bevölkerungsgruppen (Casma/Chimú) konnten dabei anhand typischer Architekturmerkmale und Objekte der materiellen Kultur identifiziert werden. Es wurde insbesondere untersucht, ob und wie sich die veränderten Machtverhältnisse auch in den Subsistenzformen widerspiegeln. Für die ersten Besiedlungsphasen von Puerto Pobre konnten markante Unterschiede in der Nahrungsgewinnung beider Gruppen festgestellt werden, welche insbesondere im Fall der Meeresressourcen (Mollusken, Fische, Krebstiere) auf bekannte Nahrungspräferenzen zurückzuführen sind. Jede Gruppe beutete die von ihnen bevorzugten Produkte der Meeresfauna aus. Die meisten Inlandressourcen wurden dagegen von der Chimú-Elite kontrolliert. Sie besaß die alleinige Verfügungsgewalt über wichtige "manipulierte" Produkte (= kultivierte Pflanzen und domestizierte Tiere). Ressourcenzonen, in denen nur eine limitierte Anzahl potentieller Nahrungsquellen zu finden waren (z.B. Süßwasserzonen, lomas), sowie durch Austauschbeziehungen erworbene Produkte, wurden ausschließlich von den neuen Machthabern genutzt. Die Chimú, welche besonderen Wert auf eine Intensivierung des Maisanbaus und die Kamelidenzucht legten, nutzten mehr Pflanzen- und Tierarten als die alteingesessenen Casma-Bewohner und trafen stets eine Auswahl zu ihrem Vorteil. Das Fleisch von Jungkameliden sowie die größten Exemplare wichtiger Feldfrüchte und Produkte der Meeresfauna waren bevorzugt für den Konsum der Elite bestimmt. Die lokale Casma-Bevölkerung versuchte dagegen die Defizite, welche durch den fehlenden Zugang zu einigen Ressourcen entstanden, durch andere Nahrungsquellen (z.B. Seelöwenfleisch) auszugleichen. Während der späten Nutzungsphasen des Siedlungsplatzes kam es zu einer zunehmenden Vereinheitlichung der Subsistenzformen. Während die Chimú-Elite an ihren Nahrungspräferenzen festhielt, ging der Trend bei den Casma-Leuten von einer teilweisen Aufgabe ihres bisherigen Konsumverhaltens hin zu einer Anpassung an die Nahrungsgewohnheiten der dominanten Chimú- Gruppe. Dieser Prozess wird insbesondere im Zusammenhang mit der Abhängigkeit von der Chimú-Elite gesehen. Da die Casma-Bewohner bevorzugte Nahrungsquellen der Chimú produzieren und ausbeuten mußten, nutzten sie diese schließlich auch für den Eigenverbrauch. Der Wandel in den Subsistenzstrategien kann jedoch nicht nur mit den Folgen bestimmter Zwangsmaßnahmen erklärt werden. Auch erste Akkulturationsvorgänge werden für die Entwicklung verantwortlich gemacht. Ein fortgeschrittener Akkulturationsprozess konnte bereits durch die Herausbildung eines Chimú-Casma-Stils in der Keramik, den Textilien und bei den Architekturformen beobachtet werden. Dieser manifestierte sich auch im Subsistenzsektor, so dass der Wandel im Keramikinventar teilweise mit den Veränderungen in der Nahrungsgewinnung korrelierte. Auch die Übernahme neuer Technologien für die Ausbeutung bisher ungenutzter Ressourcenzonen werden für die Veränderungen verantwortlich gemacht, während natürliche Prozesse, wie eine Überausbeutung bestimmter Habitate oder die Folgen periodisch auftretender Klimaanomalien (El Niño), für den Wandel im Subsistenzsektor ausgeschlossen werden konnten. Abschließend soll noch einmal betont werden, dass sich Klassen- und Statusunterschiede nicht nur in unterschiedlichen Architekturformen, Bestattungspraktiken oder Objekten der materiellen Kultur widerspiegeln, sondern auch und insbesondere im Subsistenzsektor prähistorischer stratifizierter Gesellschaften.
Subsistence studies are relatively rare at prehistoric settlements in the central Andes, despite the excellent conditions of preservation found in the valleys of the Peruvian coast. The few existing research programs on food production tend to deal with the oldest remains of cultivated plants and domesticated animals, often failing to analyse other classes of material remains (molluscs, crustaceans, birds and fish). Since processes of plant- and animal domestication were largely concluded by the so-called Initial Period (c. 1000 B.C.), only a handful of scholars have studied food acquisition by later prehistoric populations. Yet sophisticated, long-term regional studies make clear the role of specific changes in subsistence over time. In addition to that, subsistence data provide important information about the internal structures in stratified societies (e.g. status differences). Thus, they round up insights which are otherwise only accesible through the study of different forms of architecture, funerary practices or items of the particular material culture. The present study focusses on the subsistence strategies of two "archaeological cultures" (Casma and Chimú), which coexisted during the so- called Late Horizon (c.1470-1530 A.D.) at several settlement sites of the Casma Valley. The dominant Chimú group, whose urban centre (Chan Chan) was built in the Moche Valley, expanded along the Peruvian coast over several phases. Chimú occupation of the Casma Valley occurred during the early XIV century A.D. Like in the other occupied valleys, administrative centres were built, which show a discernible internal hierarchy. Political leaders resided at the larger regional centres where adminisitrative and religious buildings were concentrated, while the population at smaller, rural administrative centres was primarily responsible for the construction and maintenance of field- and irrigation systems, food production and the manufacture of craft items. The rural administrative centre at Puerto Pobre, a mud-brick complex, approximately 1 ha in extent, which shares typical traits with later palatial constructions at Chan Chan was studied by the author. Along with the characteristic administrative buildings, large enclosures for public reunions and small burial platforms were documented. Field studies indicate that the smaller rural administrative centres lost their purely administrative character during the Late Horizon (from 1470 A.D. onwards). In the Casma region Chimú centres are spread over the different valley segments. They were built nearly exclusively at the edge of potential agricultural areas, possibly to maximize the yields. Simultaneously, the old-established residents of the Casma Valley were (forcibly) resettled to the immediate vicinity of the newly built administrative centres from the former, substantial population centres. There they could be controlled more effectively by the new Chimú leaders and coerced into providing particular labour and tribute obligations. The encounter of two "archaeological cultures" at several settlement sites of the Casma Valley provided the unique opportunity to carry out a sophisticated subsistence study at one of these places (Puerto Pobre). Each population group (Casma/Chimú) had a separate settlement area, identified on the basis of typical architectural features and material culture items. The central theme of this investigation was how changing relations of power are reflected in subsistence patterns. During the earlier phases of occupation at Puerto Pobre clear differences in food acquisition were determined, which especially in the case of marine ressources (molluscs, crustaceans and fish) can be attributed to established dietary preferences. Each group exploited their preferred marine products. Land ressources, however, were largely controlled by the Chimú elites, who had exclusive access to the most important "manipulated" products (cultivars and domesticated animals). Food resources found only at a handful of selected locations (e.g. fresh water areas, lomas) as well as products acquired through exchange were the prerogative of the new holders of power. The Chimú, who emphazised the intensification of maize production and the raising of camelids made use of a broader range of plants and animals than the old-established Casma population, and always made choices advantageous to themselves. The meat of young camelids, as well as the largest fruits specimens and marine products were destined for elite consumption. On the contrary, the local Casma population attempted to compensate the deficit, which arose as a consequence of being denied access to certain ressources, by recourse to other sources of food (e.g. seal meat). During the later phases of Puerto Pobre subsistence practices became increasingly standardized. While the Chimú elite maintained its dietary choices, Casma people's dietary preferences shifted, from a partial abandonment of earlier patterns of consumption to an adaptation of the dietary preferences of the dominant Chimú group. This process is seen as related to the political context of dependence from the Chimú group. Since Casma populations had to produce and exploit the food ressources preferred by the Chimú, they eventually took them on for their own consumption as well. Changes in subsistence strategies, however, can not only be explained as the result of certain imposed measures but must also be seen as the beginning of acculturation. Advanced processes of acculturation can be seen in the development of a hybrid Chimú-Casma style in pottery, textiles and architecture. Acculturation also manifests itself in subsistence patterns, and changes in the ceramic inventory correlate partially with changes in food acquisition. The adoption of new technologies for the exploitation of previously unused ressource areas are also responsible for the observed changes in subsistence, while the over-exploitation of particular habitats or the consequences of periodic climate anomalies (El Niño) could be ruled out as causative factors. Finally it must be stressed that differences in class and status are not only reflected in different architecture, burial practices or items of material culture, but are also and particularly evident in the divergent dietary preferrences of stratified prehistoric societies.