Südamerikanische Mumien sind seit dem 18. Jahrhundert ein unabdingbarer Bestandteil von anatomischen/anthropologischen und ethnographischen Sammlungen in Europa und Nordamerika. Die Zunahme des Handels mit natürlichen Rohstoffen aus Peru und Chile ließ manche Geschäftsleute jahrelang vor Ort verweilen und sich neben ihren Tagesgeschäften der Erkundung der „Altertümer“ Südamerikas widmen. Fundkontexte spielten dabei keine Rolle, auch nicht die Erhaltung der Totenbündel, in denen die vorspanischen Kulturen ihre Toten in meist gehockter Position beigesetzt hatten. Die Kenntnisse über die einstige kulturelle Herkunft dieser Mumien ging so verloren. Sie lässt sich bis heute nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden rekonstruieren. Eine gezielte interdisziplinäre Kombination mit vor allem auch archäologischen und kulturhistorischen Methoden macht eine Rekontextualisierung jedoch möglich. Dies ist in der Dissertation an drei Beispielen, den Kulturen der Chinchorro und der Chachapoya sowie dem Orakelort Pachacamac, analysiert worden. Dabei konnte gezeigt werden, dass der Ahnenkult im vorspanischen Südamerika kulturimmanent war und seine besondere Form jeweils bereits um 5000 v. Chr. der Abgrenzung von anderen, zeitgleichen Gruppen diente. Einen besonderen Fall stellen die Inka dar, die etwa 100 Jahre vor der spanischen Eroberung ihrerseits weite Teile des westlichen Südamerikas erobert hatten. Auf ihren Eroberungszügen waren sie jedoch derart vielen Gruppen mit einer stark ausgeprägten Ahnenverehrung begegnet, dass sie selbst für ihre eigenen verstorbenen Könige einen Ahnen-/Mumienkult einführen und fördern mussten, um ihre Vormachtstellung gegenüber den anderen Gruppen durchsetzen zu können. Die Mumifizierungsmethoden der Inka sind, wie diese Arbeit belegen konnte, jedoch nicht bekannt. In der spanischen Kolonialzeit schriftlich dokumentierte Beschreibungen der Mumien der inkaischen Könige sind nur allgemeiner Art. So können auch aufgrund der vorangegangenen Schriftlosigkeit die spezifischen Rituale der zeitgleichen und vorinkaischen Gruppen wohl nicht mehr umfassend rekonstruiert werden. Gerade anhand der spezifischen Totenbehandlungen jedoch lassen sich, so konnte die Dissertation zeigen, Kulturgruppen bestimmen. So wird auch eine kulturelle Rekontextualisierung erster Mumien in den heutigen Sammlungen möglich. Ein weiteres Problem stellen die Mumifizierungsmethoden dar. Diese lassen sich mit den derzeitig anwendbaren/entwickelten naturwissenschaftlichen Methoden noch nicht bestimmen. Eine Auswertung der von den spanischen Eroberern im 16. Jahrhundert schriftlich festgehaltenen Berichte der vorspanischen schriftlosen Gruppen konnte jedoch einige Methoden aufzeigen. Weitere Methoden konnten durch die Analyse der Ausgrabungsberichte und Beobachtungen der Experten vor Ort ergänzt werden.
Since the 18th century, pre-Columbian mummies from South America have formed an integral part of the anthropological and ethnographical collections in Europe and North America. Due to the natural resources abundant in the New World European traders were present, for a considerable time, in both in Chile and in Peru. They dedicated their time not only to their business but also in exploring a new field, "South American antiquities". During this endeavour, they often did not pay any attention to a mummy’s funerary context, neither to the burial itself, nor did they preserve the funeral bundles; hence important information about the cultural provenance of these mummies was lost. Up to this day these can not be reconstructed with natural scientific methods. However, an interdisciplinary approach, particularly with a combination of archaeological and cultural historical methods, makes re-contextualisation possible. A detailed analysis of two cultures having mummies, the Chinchorro and the Chachapoyas, as well as the oracle site of Pachacamac, clearly demonstrated that a re-evaluation of known archaeological findings and their interpretation could provide new insights. These three examples differ from each other both spatially and chronologically. It was shown that the mummies were a constant feature in pre-Hispanic cultures in South America. Even in 5000 B.C. and since, ancestor worship represented a means to differentiate contemporary cultural groups. The three examples chosen for this study showed that only selected ancestors were mummified. It also demonstrated that death rituals had several phases in which the dead "participated". The on-going attention to the ancestors constituted a lasting and effective relationship between the dead and the living community, which resulted in a mutual benefit. It also served to strengthen the cohesion of the group, differentiating it from other contemporary groups. As there was no pre-Hispanic writing system it is unknown, today, which mummification techniques did each group apply. As the Spanish chroniclers described the death rituals of the Incas, I analysed at the beginning of this thesis whether it was known what methods were used, but the descriptions are too general. However the analysis of the three examples has made it possible to recontextualize, previously decontextualized mummies, to a particular cultural group, based on the specific mortuary treatments. Recent excavation reports, and modern studies conducted on the mummies, are adding important information to this subject. Therefore it now becomes possible to determine a cultural/regional provenance, of some mummies now in collections/museums, throughout the world.