Nutztierzucht ist charakterisiert durch die vorrangige Selektion auf Leistungsmerkmale. Sie geht dabei mit Veränderungen der physiologischen und/oder anatomischen Gegebenheiten des Organismus einher. Da die Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere in erster Linie mit dem Ziel erfolgt, unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen Produkte für den Menschen zu erzeugen, orientieren sich die Zuchtziele vor allem an den Verbraucherwünschen und Marktanforderungen. Ein besonderer Schwerpunkt der Zucht von Nutztieren ist daher seit Jahrzehnten die Produktivität der Tiere, welche durch geeignete Zucht- und Fortpflanzungsmaßnahmen große und kontinuierliche Steigerungen erfahren hat. Leistungssteigerungen können sich allerdings negativ auf die Gesundheit der Tiere auswirken, vor allem wenn diese einseitig verfolgt werden. Bestimmte Krankheiten und Syndrome resultieren dabei aus einer hohen Produktivität des tierischen Organismus. Diese negativen Begleiterscheinungen der Leistungszucht werden als „leistungsabhängige Gesundheitsstörungen“ bezeichnet. Sie werden oft bewusst in Kauf genommen, obwohl im deutschen Tierschutzgesetz bereits seit 1986 ein Verbot von sogenannten Qualzüchtungen existiert. Ein Vollzug des betreffenden Paragraphen (§ 11b TierSchG) ist jedoch bislang auf dem Gebiet der Nutztierzucht nicht erfolgt. Wissenschaftliche Publikationen zu Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit gesteigerten Mast- und Schlachtleistungen, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die betroffenen Tiere oder deren Nachkommen verbunden sind und damit Tierschutzrelevanz im Sinne des § 11b TierSchG besitzen, werden in dieser Literaturarbeit zusammengestellt und ausgewertet. Dafür wird die verfügbare wissenschaftliche Literatur zu sieben Gesundheitsstörungen herangezogen: zur Doppellendigkeit der Mastrinder, zur Belastungsmyopathie und Osteochondrose der Mastschweine, zum Aszites-Syndrom und plötzlichen Herztod der Masthühner, sowie zur Myopathie der tiefen Brustmuskulatur und zur tibialen Dyschondroplasie der Masthühner und -puten. Im Einzelnen werden jeweils das klinische Bild, die Diagnosemöglichkeiten und die Tierschutzrelevanz der Erkrankungen bzw. Syndrome dargestellt, sowie Empfehlungen zu ihrer Bekämpfung bzw. Prävention diskutiert. Die Auswertung der zusammengetragenen Informationen führt zu der Schlussfolgerung, dass eine einseitige Selektion auf hohe Mastleistung bzw. Muskelausprägung unabhängig von der Tierart zu vergleichbaren negativen Begleiterscheinungen führt. Dabei sind in erster Linie die Knochen und Gelenke, die Muskulatur und das Herz- Kreislaufsystem der Tiere betroffen. Entsprechende Überlastungen resultieren vor allem daraus, dass das Skelett und das Herz-Kreislaufsystem moderner auf Hochleistung gezüchteter Masttiere nicht mit ihrem starken Muskelwachstum Schritt halten können. Zur Vermeidung leistungsabhängiger Gesundheitsstörungen besteht Handlungsbedarf in erster Linie auf züchterischer Seite. Potenzielle Zuchttiere sollten auf ihre individuelle Prädisposition für die entsprechenden Krankheiten und Syndrome untersucht und gegebenenfalls aus der Zucht ausgeschlossen werden. Bei leistungsabhängigen Gesundheitsstörungen, die auf einem Gendefekt beruhen, besteht die Möglichkeit gegen den spezifischen Defekt zu selektieren. Dagegen scheint es bei Gesundheitsstörungen, deren disponierende Gene noch nicht offengelegt sind, oder die auf vielen Genen mit additiver Wirkung beruhen geboten, primär die Leistung zu senken. Da mit § 11b TierSchG eine Rechtsgrundlage existiert, sollten entsprechende Konsequenzen seitens der Zuchtverbände und Zuchtorganisationen verpflichtend vorgeschrieben werden. Hierzu werden verschiedene juristische Maßnahmen vorgestellt und diskutiert.
Stock breeding primarily involves genetic selection on production traits. It is achieved by deliberately altering the physiological and/or anatomical characteristics of the animal. Because the breeding of livestock is performed in order to deliver products for human consumption, it focuses particularly on consumer desires and market requirements. For decades an increased emphasis has been put on the animals’ productivity and, by using suitable breeding strategies, a continuous increase in the efficiency of production has been accomplished. Improved productivity can, however, have a negative impact on the animals’ health, particularly when this aim is pursued single-mindedly. Certain diseases and syndromes are consequences of high productivity. These negative side effects of selection for high production efficiency are commonly referred to as “production diseases” or “production related disorders”. They are often knowingly tolerated, although the German Animal Welfare Act has included a ban on so called Qualzüchtungen since 1986. As of this point of time, however, the corresponding article (§ 11b TierSchG) has not been implemented in the field of livestock breeding. This thesis analyses diseases and syndromes that are linked to enhanced fattening performance. These diseases are accompanied by pain, suffering, or harm to the affected animals or their progeny and therefore have relevance according to § 11b TierSchG. Professional literature on the following seven production diseases related to the fattening of animals is gathered and analyzed: double-muscling in beef cattle, stress syndrome and osteochondrosis in fattening pigs, ascites syndrome and sudden death syndrome in broilers, as well as tibial dyschondroplasia and deep pectoral myopathy in broilers and turkeys. The clinical signs, possible diagnostic tools and relevance of these diseases regarding animal welfare are documented. Moreover, recommendations for counteraction and prevention are also discussed. Based on the information gathered and its analysis, it becomes evident that unilateral genetic selection on fattening performance or increased muscle mass can bring about very similar negative side effects, regardless of species. In particular, the animals’ bones, joints, muscles and the cardiovascular system can be negatively affected due to the inability of the skeleton and the cardiovascular system to keep up with rapid muscle growth in high performance fattened animals. The responsibility for the prevention of production related diseases lies primarily with livestock breeders. Potential breeding animals should be examined for individual susceptibility to problematic diseases and syndromes and should be excluded from breeding when tendencies for such diseases are indicated. If a disease is caused by a genetic defect, the breeder may choose to selectively avoid this specific defect. However, for production related diseases for which the predisposing genes have not yet been discovered or for diseases that are caused by multiple genes with cumulative effects, the best recourse may be to simply reduce the animals’ productivity. On the existing legal basis of the § 11b TierSchG, breeding associations should be held accountable for the consequences of their actions in these matters. In relation to this, several legal measures are also presented and discussed within this thesis.