Einleitung: In der Geburtshilfe findet die pränatale Anwendung von Glukokortikoiden zur Lungenreifeinduktion bei Einlingen bei drohender Frühgeburt routinemäßig Anwendung. Die Evidenzlage der Lungenreifeinduktion bei Gemini ist unzureichend erforscht. Zielsetzung: Untersuchung der Effekte verschiedener Betamethason-Dosierungen zur antenatalen Lungenreifeinduktion auf das fetale Wachstum, die neonatale Morbidität und Mortalität und die Plazenta, sowie Untersuchungen zu der Möglichkeit des Vorliegens eines „sensiblen“ Zeitfensters. Methodik: Retrospektive Fall-Kontroll Studie mit Gemini, die im Zeitraum von 1993- 2011 an der Charité Universitätsmedizin Berlin geboren wurden. Gemini, deren Mütter zwischen 23+5 und 34+0 Schwangerschaftswoche Betamethason (BET) erhalten hatten (n=661), wurden mit Gestationsalter-gleichen Kontroll-Gemini (n=1277) verglichen. Die Effekte von BET auf das fetale Wachstum, die Apgar-Scores, neonatalen Nabelschnurblutgase, die neonatale Morbidität und Mortalität und die Plazenta wurden im Zwillingsmodell analysiert. Eine Dosisabhängigkeit wurde für folgende BET- Gruppen untersucht: ≤16mg, =24mg, ≥24mg. Hierbei wurde für relevante maternale Faktoren sowie für die Perzentile des Ultraschallschätzgewichtes zum Zeitpunkt der BET-Erstgabe adjustiert. Ergebnisse: BET führte bei frühgeborenen Gemini zu einer signifikanten Reduktion des Geburtsgewichts (5%), des Längenwachstums (3%), des Kopfumfanges (2%) und des Plazentagesamtgewichts (6%). Bei dichorialen-diamnioten Gemini war nach BET eine stärkere Reduktion des Geburtsgewichts zu beobachten als bei monochorialen- diamnioten Gemini. Bei männlichen Paaren waren höhere BET (≤16mg vs. =24mg) mit einem größeren Risiko für ein Geburtsgewicht <10\. Perzentile assoziiert. In den Ultraschall- Folgeuntersuchungen war 20 Tage nach BET-Erstgabe das Ultraschallschätzgewicht signifikant reduziert. Ein sensibles Zeitfenster konnte nicht beobachtet werden. 40% der BET behandelten Gemini wurden nach 34+0 Schwangerschaftswoche entbunden, 14% nach 37+0 Schwangerschaftswoche. BET führte zu keiner signifikanten Verbesserung der Apgar-Scores oder der Nabelschnurblutgase. Die Gabe höherer BET-Dosierungen (≥24mg) war hingegen mit einem signifikant größeren Risiko für einen Apgar 1- und Apgar 5-Minuten-Score <7 assoziiert. Bei gemischt-geschlechtlichen Paaren war das Risiko für einen Neugeborenenikterus und neonatale Infektionen nach BET-Gabe signifikant niedriger, während sich bei weiblichen Paaren nach BET signifikant häufiger neonatale Atemstörungen zeigten. Schlussfolgerung: Die antenatale Lungenreifeinduktion mit BET war bei Gemini mit einer Reduktion des fetalen Wachstums assoziiert, während die neonatalen Apgar- Scores nahezu unbeeinträchtigt blieben. Bei männlichen Gemini resultierten höhere BET- Dosierungen in einer stärkeren Beeinträchtigung des fetalen Wachstums ohne Verbesserung der Apgar-Scores. Ein eindeutiger Nachweis über die Wirkung der aktuell empfohlenen BET-Dosierung (2x12mg i.m.) zur Lungenreifeinduktion konnte in unserer Studie nicht nachvollzogen werden. In Anbetracht der beobachteten Nebenwirkungen ist ein sorgfältiges Abwägen der individuellen Notwendigkeit zur Lungenreifeinduktion ratsam. Weitere, klinisch- experimentelle Untersuchungen zu den Effekten antenataler Lungenreifeinduktion mit Glukokortikoiden bei Mehrlingsschwangerschaften und zur Rolle der Plazenta sind dringend erforderlich.
Background: The administration of glucocorticoids in singletons to induce fetal lung maturation when preterm birth is threatening is common practice. Evidence for an effect on antental lung maturation in twins remains unclear. Objective: To investigate the effects of different betamethasone doses on fetal growth, neonatal morbidity and mortality and the placenta in twins. Furthermore testing for a “sensitive” time window. Methods: Retrospective case-control study with twins born between 1993 and 2011 at the Charité University Berlin. Twins exposed to Betamethasone (BET, n=661) between 23+5 and 34+0 weeks of gestation (wks) were compared to gestational age-matched controls (n=1277). A twin model was developed to investigate effects of antenatal BET on fetal growth, Apgar scores, umbilical cord blood gases, neonatal morbidity and mortality and the placenta. Dose dependency was investigated for the following BET groups: ≤16mg, 24mg, ≥24mg. Data were adjusted for major maternal confounders and for centiles of estimated fetal weight at BET treatment. Results: Antenatal BET resulted in a significant reduction of birth weight (5%), body length (3%), head circumference (2%) and total placenta weight (6%) in preterm born twins. Reduction of birth weight after BET was stronger in dichorionic-diamniotic, than in monochorionic- diamniotic twins. In males, higher BET doses (≤16mg vs. =24mg) were associated with an increased risk for a reduction of fetal growth <10th percentile. Ultrasound follow-up measurements showed a reduced fetal weight 20 days after first BET exposure. A “sensitive” time window was not found. After BET, 40% of twin pregnancies were delivered after 34+0 wks, 14% after 37+0 wks. BET did not improve Apgar scores or umbilical cord blood gases. By contrast, higher BET doses were associated with an increased risk for an Apgar-1 and Apgar-5 minute score <7\. BET significantly reduced the rates of neonatal infections and hyperbilirubinaemia in mixed pairs, while in females, the incidence of neonatal breathing disturbances was significantly increased. Conclusion: In twins, antenatal BET led to a reduced fetal growth while Apgar scores remained unaffected. Higher BET doses resulted in a greater growth reduction in male twins without further improvement of Apgar scores. Clear evidence of the effectiveness of the currently recommended BET dosing (2x12mg i.m.) could not be observed in our study. Concerning the observed side effects of BET, careful evaluation of the individual indications is advisable. Further clinical- experimental research regarding the effects of antenatal glucocorticoids to induce lung maturation and the role of the placenta are urgently needed.