Viele Patienten, insbesondere diejenigen mit onkologischem Krankheitsbild, leiden bereits bei Aufnahme ins Krankenhaus an einer Mangelernährung, die häufig im Verlauf des stationären Aufenthaltes sogar noch zunimmt. Aber obwohl sie mit erhöhter Morbidität und Mortalität verbunden ist und zu steigenden Behandlungskosten führt, wird das Vorliegen einer Mangelernährung im Klinikalltag häufig nicht erkannt oder ignoriert. Daher wird nur eine geringe Anzahl von mangelernährten Patienten einer ernährungsmedizinischen Diagnostik und Therapie zugeführt. Verantwortlich ist besonders das Fehlen einheitlicher Diagnosekriterien bzw. eines diagnostischen „Goldstandards“ für eine im Idealfall routinemäßige Erhebung des Ernährungsstatus. Anders als für andere Erkrankungen existiert für die Mangelernährung noch keine zentrale Datenbank. Diese Faktoren führen gemeinsam zu einem Mangel an Training und Sensibilität des Krankenhauspersonals bezüglich des Vorliegens einer Mangelernährung. Dabei ist die Identifizierung einer bereits vorliegenden Mangelernährung oder eines erhöhten Risikos hierfür gerade bei onkologischen Patienten dringend erforderlich. Die Tumorkachexie infolge einer fortschreitenden Mangelernährung reduziert die Lebensqualität der onkologischen Patienten, deren Toleranz gegenüber antitumoralen Therapien, die Immunantwort auf die Tumorzellen und die Infektabwehr, und sie führt zu einer Zunahme von postoperativen Komplikationen, Invalidität und Behandlungskosten. Darüber hinaus ist sie bei onkologischen Patienten eine Hauptursache für deren Mortalität. Durch die frühzeitige Diagnose einer Mangelernährung und eine individuelle, patientenorientierte Ernährungstherapie besteht jedoch die Möglichkeit Lebensqualität und Krankheitsverlauf zu verbessern. Ziel der vorliegenden prospektiven Querschnittstudie war die Erfassung des Ernährungszustandes und die Detektion einer Malnutrition onkologischer Patienten mit Identifikation von Surrogatparametern sowie im Weiteren die Entwicklung einer neuen zeitsparenden, kostengünstigen und in die Routine einfach zu implementierenden Messmethode zur Diagnostik einer Mangelernährung. Dazu wurden zwischen September 2008 und März 2009 insgesamt 206 Patienten einer gastroenterologisch-onkologischen Schwerpunktabteilung eines akademischen Lehrkrankenhauses eingeschlossen. Das Patientenkollektiv bestand aus 95 (46.1%) männlichen und 111 (53.9%) weiblichen Personen. Das mittlere Alter lag bei 66 Jahren, in einem Bereich zwischen 31 und 96 Jahren. 19.4% der 206 Patienten hatten ein Mammakarzinom, 16.5% ein Kolonkarzinom, 14.1% ein Bronchialkarzinom, 12.6% ein Rektumkarzinom, jeweils 9.2% ein Lymphom bzw. Pankreas-/Papillenkarzinom, 8.3% ein Magenkarzinom und 10.7% „sonstige Tumorerkrankungen“. Der Ernährungszustand wurde mittels eines neuen Fragebogens (basierend auf dem SGA und dem NRS), dem BMI, der THF, dem OAU, Gesamteiweiß, Albumin, Präalbumin, Transferrin, BIA (ECM/BCM-Index, Phasenwinkel, BIA-Vektorgraph) bewertet. Die modifizierten Versionen des SGA und NRS wurden durch die Bezeichnung mSGA und mNRS gekennzeichnet. Zur Identifikation signifikanter Prädiktoren zur Vorhersage einer Mangelernährung wurden die Zusammenhänge zwischen den erhobenen Variablen und der Diagnose einer Mangelernährung nach mSGA und mNRS auf ihre Signifikanz hin untersucht. Die Prävalenz der Mangelernährung variierte stark in Abhängigkeit vom verwendeten Diagnosekriterium und der untersuchten Patientengruppe (Patienten gesamt: 8.5%-73.2%, Patienten in Remission: 0%-61.5%, Patienten mit aktiver Tumorerkrankung: 8.7%-78.3%). Basierend auf dem mSGA nahm die Prävalenz mit höherem Alter, Fortschreiten des klinischen Stadiums und Verschlechterung des Funktionsstatus (nach WHO) zu. Sie war auch abhängig von der jeweiligen Tumordiagnose, besonders häufig betroffen waren Patienten mit Pankreas-/ Papillenkarzinom (84.2%), Magenkarzinom (64.3%) und Bronchialkarzinom (51.7%). Ein signifikanter Zusammenhang zur mSGA-Einschätzung zeigte sich für alle erhobenen Variablen mit Ausnahme des Geschlechts, zum mNRS-Summenwert für fast alle Variablen ausschließlich des Geschlechtes, des Vorhandenseins von Aszites, des OAM und der THF. Die durch alle Prädiktoren erklärte Varianz betrug 93.7% für den mNRS und 90.7% für den mSGA. In einem zweiten Schritt wurden das klinische Stadium, das Alter, die Art der Nahrungszufuhr, der Gewichtsverlust innerhalb der letzten 3 und 6 Monate und der Verlust von subkutanem Fettgewebe als besonders bedeutsame Prädiktoren zur Einschätzung der Mangelernährung (nach dem mSGA und mNRS) identifiziert. In einem letzten Schritt wurde überprüft, für welche der beiden abhängigen Variablen mSGA und mNRS diese sechs Prädiktoren bedeutsam sind. Zur Vorhersage des mNRS waren alle sechs außer dem Verlust an subkutanem Fettgewebe bedeutsam, für die Vorhersage des mSGA nur die Nahrungszufuhr, der Gewichtsverlust innerhalb der letzten sechs Monate und der Verlust an subkutanem Fettgewebe. Die durch die sechs Prädiktoren erklärte Varianz betrug 90.2% für den mNRS und 85.5% für den mSGA. Das Modell mit den sechs Prädiktoren ermöglicht also eine fast ebenso gute Vorhersage einer Mangelernährung wie das Modell mit allen Prädiktoren. Eine Anwendung dieser sechs Prädiktoren zusammen mit dem Serum-Albuminspiegel und dem CRP macht auch eine Verlaufsbeobachtung, insbesondere unter Ernährungstherapie, möglich. Weiterführend kann die Körperzusammensetzung mittels BIA bestimmt werden. Zu ihrer Interpretation sollte besonders der ECM /BCM-Index, der Phasenwinkel und der BIA-Vektorgraph herangezogen werden. Die Validität und Spezifität der hier entwickelten Methode zur Diagnostik einer Mangelernährung sollte durch weiterführende Studien, unter anderem auch mittels einer Verlaufskontrolluntersuchung, überprüft werden.
At hospital admission, many patients, in particular those with oncological diseases, suffer from malnutrition which frequently deteriorates during their hospital stay. Despite the fact that malnutrition is associated with increased morbidity and mortality leading to rising treatment costs, malnutrition in the routine clinical setting is often not recognized or is even disregarded. Therefore, only a small proportion of patients receive a nutritional evaluation and therapy. Under-assessment of malnutrition is due in part to the lack of standard diagnostic criteria, or rather to lack of a diagnostic “gold standard” (best-case scenario) for routine assessment of a patient’s nutritional status. In contrast to other disorders, there is no existing central database for malnutrition. These factors lead to a lack of training and awareness among hospital staff regarding the presence of malnutrition. However, tools for the identification of existing malnutrition or of those at greater risk are urgently needed, in particular for cancer patients. Cachexia as a result of progressive malnutrition in cancer patients reduces their quality of life, their tolerance towards anti-tumor therapies, their immune response to tumor cells, and their defense against infections. It also leads to an increase in post-operative complications, invalidity and treatment costs. In addition, malnutrition is a leading cause of death in cancer patients. Early diagnosis of malnutrition followed by patient-tailored nutrition therapy provides the possibility to improve the quality of life and the course of the underlying disease. The objectives of this prospective cross-sectional study among cancer patients are the assessment of their nutritional status, the detection of malnutrition, the identification of surrogate parameters for malnutrition, and the development of a new time- saving and cost-efficient method for the diagnosis of malnutrition that is easy to implement in the day-to-day routine. Between September 2008 and March 2009 a total of 206 patients of the department of gastrointestinal oncology of an academic teaching hospital were enrolled. The patient cohort consisted of 95 (46.1%) males and 111 (53.9%) females. The mean age was 66 years, ranging from 31 to 96 years. Of the 206 patients 19.4% had breast cancer, 16.5% colon cancer, 14.1% lung cancer, 12.6% rectal cancer, 9.2% a lymphoma, 9.2% pancreatic/papillary cancer, 8.3% stomach cancer, and 10.7% “other malignancies”. The nutritional status was assessed by means of a new questionnaire based on the modified SGA (Subjective Global Assessment) and NRS (Nutritional risk screening), i.e. mSGA and mNRS, BMI, TSF (Triceps skinfold thickness), MUAC (mid-upper arm circumference), total protein, albumin, prealbumin, transferrin and BIA (Bioelectrical impedance analysis), (ECM/BCM index, phase angle, BIA vector graph). The prevalence of malnutrition varied greatly depending on the diagnostic criteria and the diagnostic cancer group (the overall prevalence ranged from 8.5% to 73.2%, among patients in remission it was 0%-61.5%, and among patients with an active cancer 8.7%-78.3%). Based on the mSGA the prevalence increased with age, advanced clinical stage and worsening of performance status (WHO). Prevalence also depended on the respective cancer diagnosis. Particularly frequently affected were patients with pancreatic/papillary cancer (84.2%), stomach cancer (64.3%) and lung cancer (51.7%). In order to identify significant predictors for malnutrition, the correlation between the other collected variables and the diagnosis of malnutrition according to mSGA and mNRS was analyzed. There was a significant correlation between the mSGA assessment and all collected variables except gender, and between the mNRS and all variables except gender, preexisting ascites, MAMC (mid-upper arm muscle circumference) and TSF. The variance explained by all of the predictors was 93.7% for mNRS and 90.7% for mSGA. In a second step, the clinical cancer stage, age, the route of food intake, weight loss during the past 3 months, weight loss in the past 6 months, and the loss of subcutaneous adipose tissue were identified as six particularly important predictors for the assessment of malnutrition (using mSGA and mNRS). Finally, the association between these six predictors and the two dependent variables, mSGA and mNRS, was investigated. For the prediction of mNRS all six variables were significant except weight loss in the past 6 months; for the prediction of mSGA only the route of food intake, weight loss in the past 6 months, and the loss of subcutaneous adipose tissue were significant. The variance explained by the six predictors was 90.2% for the mNRS and 85.5% for the mSGA. Hence, the model with the six predictors enabled the prediction of malnutrition nearly as well as the model with all predictors. The six predictors together with serum albumin and CRP can be used for follow-up monitoring, in particular during nutritional therapy. Furthermore, the body composition can be determined using BIS measurement. For its interpretation the ECM/BCM index, the phase angle and the BIS vector graph could be applied. The validity and specificity of the present prediction method developed for the diagnosis of malnutrition is to be investigated in further studies, including longitudinal studies.