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Lahmheit stellt weltweit eine der größten Herausforderungen in der Milchkuhhaltung dar, sowohl aus tierschutzrechtlicher, als auch ökonomischer Sicht. Ziel dieser Arbeit war es, die aktuelle Prävalenz lahmer Kühe anhand einer umfangreichen Stichprobe zu ermitteln. Weiterhin sollte der Einfluss von Weidezugang und potenziellen Risikofaktoren auf die Lahmheitsprävalenz in verschiedenen Laufstall-Haltungssystemen untersucht werden.
Die für diese Untersuchung verwendeten Daten waren Teil einer groß angelegten Beobachtungsstudie in 3 Regionen Deutschlands: Nord (Schleswig-Holstein und Niedersachen), Ost (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen) und Süd (Bayern). Die Datenerhebung erfolgte von Dezember 2016 bis August 2019. In jedem der 659 Betriebe wurde der Status praesens bei einem einmaligen Betriebsbesuch durch Interviews, Frage- und Erhebungsbögen, Probensammlungen und Scorings management- und tierbezogene Daten erhoben. Zur visuellen Beurteilung des Gangbildes wurde eine 5-Punkte-Skala (modifiziert nach Sprecher) angewandt, wobei Tiere mit einem Sprecher-Score von ≥3 als lahm und Tiere mit einem Sprecher-Score von ≥4 als schwer lahm eingestuft wurden.
Die mittlere Lahmheitsprävalenz auf Betriebsebene betrug 29,4% und 8,2% für schwer lahme Kühe. Bezüglich des Weidezugangs verdeutlichen die Ergebnisse dieser Studie einen positiven Einfluss auf die Lahmheitsprävalenz. Mit zunehmender Weidedauer (bis etwa 10 Stunden pro Kuh und Tag) nahm die Lahmheitsprävalenz in den besuchten Herden kontinuierlich ab. Bereits kurze Perioden des Weidezugangs von mindestens 2 Stunden pro Kuh und Tag durchschnittlich im Jahr, haben sich positiv auf das Gangbild ausgewirkt.
Hinsichtlich der Risikofaktoren in Laufstallhaltungen zeigten die Ergebnisse, dass die Gestaltung der Liegeboxen und die Art der Fütterung mit der Lahmheitsprävalenz assoziiert sind. Kühe aus Betrieben mit Hoch-Tiefboxen oder Tiefboxen zeigten ein geringeres Risiko eine Lahmheit zu entwickeln als Kühe in Betrieben mit Hochboxen. Durch die Verwendung von Einstreu kann das Risiko für eine Lahmheit in Hochboxen gesenkt werden, erreicht aber nicht die Werte von Hoch-Tiefboxen oder Tiefboxen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass mit steigender Liegeboxenbreite das Risiko für Lahmheit abnimmt.
In Betrieben, die eine TMR (Total-Mischration) verfüttern, war das Lahmheitsrisiko geringer als in Betrieben, die eine AMR (Teil-TMR mit individueller Kraftfutterzuteilung) oder eine Einzelkomponentenfütterung durchführten.
Speziell für die Erstlaktierenden konnte gezeigt werden, dass die Art und Weise der Lahmheitsbeobachtung den Anteil lahmer Tiere beeinflusst. Die tägliche Lahmheitsbeurteilung (im Vergleich zu seltener als täglich) und Lahmheitsbeurteilung zusammen mit anderen Routinetätigkeiten (im Vergleich zur Lahmheitsbeobachtung als separater Arbeitsschritt) waren mit einem geringeren Lahmheitsrisiko verbunden. Dies zeigt, dass durch die frühzeitige Erkennung bei gleichzeitig zeitnaher und angemessener Behandlung lahmer Kühe in der ersten Laktation, chronische Lahmheitsfälle sowohl bei primiparen als auch bei multiparen Kühen verhindert werden können.
Die vorliegende Studie liefert Belege für entscheidende Zusammenhänge zwischen managementbedingten Risikofaktoren und der Höhe der Lahmheitsprävalenz auf Betriebsebene, insbesondere der Kuhkomfort und der Weidezugang sind hier hervorzuheben. Zukünftige Studien sollten die festgestellten Assoziationen in Longitudinalstudien validieren und daraus geeignete Maßnahmen ableiten. In weiteren Interventionsstudien könnten diese Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Anhand der besten Betriebe aus dieser Studie können Richtwerte für andere Betriebe mit ähnlichen Betriebscharakteristika abgeleitet werden. Insgesamt muss durch kontinuierliche und evidenzbasierte Beratung der Betriebe mit nachfolgend konsequenter Umsetzung der Maßnahmen, die zu hohe Lahmheitsprävalenz deutscher Milchkühe verringert werden.
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600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften::610 Medizin und Gesundheit::610 Medizin und Gesundheit