Naturwissenschaftsdidaktische Forschungen, die auf Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) und insbesondere des maschinellen Lernens (ML) zurückgreifen, stellen ein neues und dynamisches Feld dar. Vor dem Hintergrund vieler bereits vorliegender Arbeiten, bei denen Anwendungen im Bereich des Assessments oder der Evaluationen von ML-Modellen hinsichtlich ihrer Validität und Effektivität im Mittelpunkt stehen, argumentiert dieser Beitrag, dass zukünftige Forschung stärker das transformative Potenzial von ML für das Lehren und Lernen sowie für die Forschung selbst in den Blick nehmen sollte – ohne dabei ethische und erkenntnistheoretische Herausforderungen als Teil kritischer Reflexionen aus dem Blick zu verlieren. Anhand zweier Kontinuen, die durch die Antipoden „Grundlagen- und Praxisorientierung“ sowie „inkrementelle und disruptive Innovation“ aufgespannt werden, werden diese Perspektiven mittels vier beispielhafter Forschungsfelder zusammengeführt: Erstens „Unterricht individualisieren“, zweitens „Lernprozesse verstehen – durch physiologische Sensoren und multimodale Analysen“, drittens „qualitative und quantitative Daten integrieren“ und schließlich „mit künstlicher Intelligenz forschen“. Der Beitrag nutzt den Stand internationaler Forschungsarbeiten und naturwissenschaftsdidaktischer Problemstellungen, um das Potenzial und die kritische Reflexion von KI-Anwendungen für die Naturwissenschaftsdidaktiken weiter zu spezifizieren. Forschenden wird eine Orientierung im Forschungsbereich vorgeschlagen und wesentliche Herausforderungen für die Weiterentwicklung des Feldes werden beschrieben, die naturwissenschaftsdidaktische Forschungen im Bereich ML in den kommenden Jahren informieren könnten.
Science education research that draws on machine learning (ML) methods represents a rapidly and dynamically developing field. Against the background of much work focusing on assessment or evaluations of ML models for their validity and effectiveness, this paper argues that future research should place greater emphasis on the transformative potential of ML for teaching and learning without losing sight of ethical and epistemological challenges as part of critical reflection. Using two continuums spanned by the antipodes of “basic research and practical orientation” and “incremental and disruptive innovation,” these perspectives are brought together through four exemplary research areas: First, “Individualizing instruction”; second, “Understanding learning processes through physiological sensors and multimodal analysis”; third, “Integrating qualitative and quantitative data”; and finally, “Researching with AI”. This paper uses the state of international research and science didactic problems to further specify the potential of ML for science education. Orientation is suggested to researchers, and key challenges for the advancement of the field are described that could inform science education research in ML in the coming years.