In dieser Dissertation soll der Versuch unternommen werden, die klassische psychoanalytische Theoriebildung über die Natur der Scham voranzutreiben. Die Theorie und das Konzept der Scham als Affekt, das in der klassischen Psychoanalyse verankert ist, wird dabei im Lichte der modernen Intersubjektivitätstheorie und -Forschung entworfen. Aus dieser intersubjektiven Sichtweise heraus besteht die Hauptthese darin, dass Scham in erster Linie als ein intersubjektives Geschehen zu konzeptuallisieren ist, nicht als intrasubjektives Geschehen. Dies wird auch durch eine besondere Eigenschaft der Scham, ihre ansteckende Natur deutlich. Was die Verortung der Scham angeht, wird postuliert, dass Scham als Affekt nicht einfach im Selbst eines Menschen wurzelt, d.h. subjektive Bedeutung besitzt. Scham geht auch nicht primär nur aus inneren Motiven (v.a. exhibitionistischen Motiven) hervor, sondern muss als ein Relikt einer interpersonalen Situation der Beschämung und Demütigung angesehen werden, als Erleben fehlender intersubjektiver Anerkennung. Diese wird als Zurückweisung, Missachtung und im schlimmsten Fall als Verworfensein und Ausgestoßensein empfunden und erlitten. Der abwertende, verachtende oder nicht resonierende Blick ist die entscheidende Komponente dabei.
In this thesis, the attempt is made to reconceptualize the classical psychoanalytic theory of the nature of shame. The theory and the concept of shame as an affect, that is deeply rooted in classical psychoanalysis is seen in light of the modern theory and research of intersubjectivity. Seen from this intersubjective perspective, the main argument lies in conceptualizing shame first of all as an intersubjective event, not an intrasubjective event. This is confirmed by one special quality of shame, its contagious nature. In respect to the place of shame, the argument runs that shame as an affect is not simply rooted in the self of a human being, i.e. has subjective meaning. Shame doesn´t result primary from inner motives (exhibitionistic motives), but represents a relict of an interpersonal situation of shaming and humiliation, as an experience of denied intersubjective appreciation. This is experienced as rejection, contempt and in the worst case as annihilating separation and expulsion. The devaluating, contemptuous or unempathic look is the decisive factor therein.