Years of global crises since the turn of the millennium and recently the coronavirus pandemic have made the opening fault lines of rationality in digital knowledge society more visible. This paper draws from work on the digital transformation of knowledge societies. It considers how the conditions of this transformation have not only profoundly influenced the established knowledge order but also facilitated the emergence of counter-knowledge orders. Counter-knowledge orders dissolve knowledge contexts, reorganize hierarchies and claim roles in digitalized knowledge societies to create and maintain subversive alternatives freed of the established order’s rules and impositions. To exemplify the analytical power of counter-knowledge orders as a concept, this paper considers the far right as a counter-knowledge order. This approach is shown to help reconcile the apparent contradictions and inadequacies that are criticized in the dominant counterpublic framework for studying the far right from a knowledge centered perspective. For the far right, the allure of counter-knowledge orders lies in the simultaneous assumption of different social power positions that the established order grants and withholds. The paper concludes that the far-right struggle for hegemony can ultimately be understood as an attempt to (re-) gain control over the entire knowledge process. The anti-democratic, illiberal and exclusionary presuppositions of far-right ideology at the basis of all dimensions of the far-right counter-knowledge order are well-documented in the literature. From a social-epistemologist perspective, however, it is important to stress that counter-knowledge orders are not a‑priori assuming any illiberal ideology per se and may, in different contexts, even be seen as a necessity for a more just knowledge order. The simultaneous danger and necessity of counter-knowledge orders in liberal democracy merit further exploration in the future. Moreover, it is important to scrutinize the societal conditions that uniquely enable the far-right counter-knowledge order to capitalize on these dynamics.
Die globalen Krisen seit der Jahrtausendwende, zuletzt die Coronapandemie und Kriege in Nahost sowie der Ukraine, haben Bruchlinien digitaler Wissensgesellschaften deutlicher sichtbar gemacht, die nicht nur entlang von Überzeugungen zum jeweiligen Gegenstand verlaufen, sondern die gesellschaftlichen Systeme und Ordnungen sowie die Mechanismen deren Etablierung selbst in Frage stellen. Dieser Text befasst sich damit, wie die digitale Transformation der Wissensgesellschaft und deren Bedingungen die Entstehung von Gegenwissensordnungen begünstigen. Gegenwissensordnungen nutzen die Bedingungen einer digitalisierten Wissensgesellschaft zur Auflösung von Wissenskontexten, zur Reorganisation von Hierarchien und zur Beanspruchung von Rollen innerhalb dieser Kontexte. Gegenwissensordnungen konstruieren so eine subversive Alternative, die nicht an die Regeln und Zumutungen der etablierten Ordnung gebunden ist. Zur Veranschaulichung des Konzepts der Gegenwissensordnungen, wird hier die extreme Rechte (far right) betrachtet und gezeigt, wie dieser Ansatz unter anderem hilft, scheinbare Widersprüche und Unzulänglichkeiten in der Analyse der Far Right in der politischen Kommunikationsforschung aufzulösen. Die Anziehungskraft einer Gegenwissensordnung für die extreme Rechte liegt in der Gleichzeitigkeit der Inanspruchnahme verschiedener Positionen sozialer Macht, die von der herrschenden Ordnung zugestanden und vorenthalten werden, d. h. in der Verknüpfung von Widerstand und Defensivität. Abschließend wird betont, wie wichtig es ist, die extreme Rechte als eine Gegenwissensordnung zu untersuchen, um ihre potenziellen Auswirkungen auf die liberale Demokratie zu verstehen. Die antidemokratischen, illiberalen und ausgrenzenden Voraussetzungen der rechtsextremen Ideologie, die allen Dimensionen der rechtsextremen Gegenwissensordnung zugrunde liegen, sind in der Literatur gut dokumentiert. Aus einer sozialepistemologischen Perspektive ist es jedoch wichtig zu betonen, dass Gegenwissensordnungen nicht von vornherein eine illiberale Ideologie voraussetzen und in verschiedenen Kontexten sogar als Notwendigkeit für eine gerechtere Wissensordnung angesehen werden können. Die gleichzeitige Gefahr und Notwendigkeit von Gegenwissensordnungen in der liberalen Demokratie verdienen es, in Zukunft weiter erforscht zu werden. Darüber hinaus ist es wichtig, die gesellschaftlichen Bedingungen zu untersuchen, die es der rechtsextremen Gegenwissensordnung ermöglichen, aus dieser Dynamik Kapital zu schlagen.