Schwerhörigkeit ist ein globales Gesundheitsproblem mit zahlreichen negativen Folgen für die betroffenen Patienten und die Gesellschaft im Allgemeinen. Als Hauptrisikofaktor für Demenz spielt die Schwerhörigkeit eine zentrale Rolle und hat demnach Auswirkungen, die weit über das individuelle Wohlbefinden hinausgehen und das sozioökonomische Gefüge der Gesellschaft beeinflussen. Die Patienten leiden unter sozialer Isolation und eingeschränkter Lebensqualität. Der begleitende Tinnitus wird mit Stress, Angst und Depression in Verbindung gebracht. Die übergreifende Motivation für die vorliegende Habilitationsschrift war es, das derzeitige Verständnis der Schwerhörigkeit zu erweitern, um die Behandlungsergebnisse zu optimieren. In den letzten Jahren wurde die Existenz von Immunzellen in der Cochlea nachgewiesen. Es ist jedoch nach wie vor schwierig, die verschiedene Immunzelltypen der Cochlea anhand molekularer Marker zu unterscheiden. Obwohl die Maus das wichtigste Tiermodell in der Hörforschung ist, scheint die Immunfärbung bestimmter Proteine in der Cochlea von Mäusen aufgrund der „Mouse-on-mouse“-Hintergrundfärbung besonders problematisch zu sein. Der Mangel an zugelassenen medikamentösen Behandlungen für die Schwerhörigkeit stellt nach wie vor eine weitere Herausforderung dar. Bei der chirurgischen Therapie des Cholesteatoms sind die Behandlungsergebnisse aufgrund der hohen Rezidivrate oft suboptimal, sodass häufig mehrere Ohroperationen erforderlich sind und eine permanente Schwerhörigkeit resultiert. Hier könnte die Entwicklung einer medikamentösen Therapie von großer Bedeutung sein. Darüber hinaus bleiben einige klinische Aspekte der Behandlung der Schallleitungsschwerhörigkeit bei Mittelohrpathologien umstritten. Die Computertomografie erhält bei Verdacht auf Otosklerose zunehmend Einzug in die klinische Routine, bleibt aber aufgrund der damit verbundenen Kosten und Strahlenbelastung kontrovers. Bei hochgradiger, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit bleibt die Cochlea-Implantation (CI) die Behandlung der Wahl. Die Hörergebnisse sind aber nach wie vor unterschiedlich, insbesondere bei langer Ertaubungsdauer und angeborener Ertaubung. Diese Einschränkung ist besonders bei Patienten mit einseitiger Ertaubung (SSD) und asymmetrischem Hörverlust (AHL) von Bedeutung. Das Fehlen zuverlässiger elektrophysiologischer oder radiologischer Prädiktoren für den Erfolg der CI bei SSD- und AHL-Patienten könnte auf das unvollständige Verständnis der assoziierten zentralen Veränderungen zurückzuführen sein. Außerdem kann die konventionelle Outcome-Messung, die sich ausschließlich auf die Hörfähigkeit stützt, den Leidensdruck der Patienten nicht adäquat erfassen. Angesichts der erheblichen Auswirkungen der Schwerhörigkeit lag das Ziel der vorliegenden Studien darin, ausgewählte experimentelle und klinische Strategien bei der Diagnostik und Therapie der Schwerhörigkeit zu evaluieren. In den vorgestellten Studien wurden verschiedene Aspekte der Pathophysiologie, der diagnostischen Ansätze und der potenziellen therapeutischen Interventionen für verschiedene Hörstörungen untersucht. Die erste Studie zielte darauf ab, ein Immunfluoreszenzprotokoll mit einer doppelten Blockierungstechnik zu entwickeln und optimieren, um das Problem des unerwünschten “Mouse-on-mouse”-Hintergrundsignals zu lösen. Hierbei wurde das Muster der “Mouse-on-mouse”-Hintergrundfluoreszenz in der Cochlea zum ersten Mal beschrieben. Dieses doppelte Blockierungsprotokoll ermöglichte die präzise Visualisierung spezifischer Proteinexpression in der Cochlea der Maus durch die Immunfluoreszenzfärbung. Die zweite Studie konzentrierte sich auf die Charakterisierung der Expression von dem Mikroglia-Marker, TMEM119, in der Cochlea. Hierbei zeigte sich, dass TMEM119-Expression nicht in den Iba1-positiven Makrophagen exprimiert wurde. Stattdessen wurde TMEM119 in bestimmten Zelltypen in der Stria vascularis und dem Spirallimbus nachgewiesen. Die Ergebnisse sprechen nicht für die Verwendung von TMEM119 als Marker für Mikroglia in der Cochlea. Die Einführung von Lärmtrauma wirkte sich nicht auf das qualitative Expressionsmuster von TMEM119 in der Cochlea aus. Weitere Studien sind erforderlich, um die Funktion von TMEM119 in der Cochlea besser zu charakterisieren und seine potenzielle Rolle in der Pathophysiologie der Cochlea zu klären. In der dritten Studie wurde eine immunhistochemische Analyse zur Charakterisierung der M1/M2-Makrophagenpolarisation in menschlichen Cholesteatompräparaten eingesetzt. Hierbei korrelierte eine höhere Anzahl von M1-Makrophagen (und damit ein höheres M1/M2-Verhältnis) signifikant mit einer fortgeschrittenen Ossikelarrosion. Es ist zu erwarten, dass die Ergebnisse zur Entwicklung medikamentöser Therapie beitragen, da die pharmakologische Beeinflussung der Makrophagenpolarisation sich bei anderen entzündlichen Erkrankungen therapeutisch sinnvoll erwies. Die vierte Studie untersuchte den Nutzen der routinemäßigen CT-Bildgebung bei der Otosklerose. In der untersuchten Kohorte korrelierte das Vorhandensein von otosklerotischen Herden bei der CT-Diagnostik nicht mit dem präoperativen Audiogramm oder dem Operationsergebnis. In der untersuchten Kohorte lieferten die CT-Bilder keine neuen Erkenntnisse, die die Entscheidung über die Durchführung der Operation oder die Wahl der zu operierenden Seite beeinflusst hätten. Daher sprechen die vorliegenden Ergebnisse nicht für den routinemäßigen Einsatz der präoperativen CT-Diagnostik bei klinischem Verdacht auf Otosklerose. Die fünfte Studie untersuchte die Lateralisation des Weber-Stimmgabeltests bei Patienten mit langjähriger SSD oder AHL. In dieser Patientenkohorte korrelierte eine im Kindesalter einsetzende einseitige Taubheit signifikant mit der fehlenden Lateralisation des Weber-Stimmgabeltests und dem Fehlen von ipsilateralem Tinnitus. Die Ergebnisse deuten auf einen zentralen Anpassungsprozess durch chronische einseitige auditorische Deprivation hin, der vor der kritischen Periode der auditorischen Reifung beginnt. Diese Hypothese könnte teilweise das suboptimale CI-Ergebnis bei langjähriger SSD erklären. Die Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass der Weber-Test als einfaches, schnelles und kostengünstiges Instrument für das Screening von CI-Kandidaten geeignet ist und somit die Beratung von Patienten mit langjähriger einseitiger Taubheit verbessern könnte. Die sechste Studie befasste sich schließlich mit einer Vergleichsanalyse von CI-Patienten mit SSD und AHL in Hinblick auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, Tinnitusbelastung und psychischen Komorbiditäten. Die präoperative Stressbelastung und Angstsymptomatik waren bei SSD-Patienten signifikant höher als bei AHL-Patienten. Diese Unterschiede verringerten sich jedoch sechs Monate nach der CI-Versorgung und waren teilweise nicht mehr statistisch signifikant. Die Ergebnisse zeigten, dass SSD- und AHL-Patienten sich präoperativ signifikant unterscheiden. Bei SSD-Patienten können psychosoziale Faktoren eine stärkere Auswirkung auf das subjektive Ergebnis der CI-Versorgung haben als bei AHL-Patienten. Diese Aspekte sollten sowohl in der präoperativen Beratung als auch in der postoperativen Rehabilitation Beachtung finden. Zusammengenommen sollen die vorgestellten Studien einen umfassenden Überblick über die Schwerhörigkeit bieten, der von der Grundlagenforschung bis hin zur klinischen Evaluation der Diagnostik und Therapie reicht. Durch die Verknüpfung dieser Studien in einem gemeinsamen Kontext trägt diese kumulative Habilitationsschrift zu einem breiteren Verständnis der Schwerhörigkeit bei und unterstützt die Entwicklung verbesserter diagnostischer und therapeutischer Ansätze in Zukunft.