Es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich manche Frauen bewusst auf Beziehungen zu Straftätern einlassen. Sie lernen ihre zukünftigen Partner erst nach deren Inhaftierung kennen, gestalten mit ihnen eine Partnerschaft „über Gefängnismauern hinweg“, also eine „transmurale“ Beziehung. Zu der Frage, warum sich Frauen bewusst für eine Partnerschaft unter so „erschwerten Bedingungen“ entscheiden, gibt es bislang keine konkreten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Frage der Partnerwahl und Beziehungsgestaltung als protektiver oder aber als Risikofaktor für die jeweiligen straffällig gewordenen Partner ist von nicht geringer Relevanz. Im Bereich der Prognoseforschung ist die Partnerschaft ein wichtiges Kriterium zur Einschätzung des sog. sozialen Empfangsraums. Ziel des Pilotprojekts war es, die Gruppe dieser Frauen näher zu beschreiben. Dazu wurden die Frauen in Bezug auf ihren Bindungsstil, soziodemographischen und familiären Hintergrund, bezüglich ihrer Persönlichkeit, interpersonaler Probleme, ihrer partnerschaftlichen und allgemeinen Beziehungsgestaltung untersucht. Der Bindungsstil wurde anhand des Erwachsenen-Bindungsprototypen-Rating (EBPR) erfasst. Thema der vorliegenden Arbeit sind vorwiegend die Motive für die Partnerwahl „über Gefängnismauern hinweg“. Wesentlich schien, sowohl die expliziten (bewussten) wie auch die impliziten (nicht bewussten) Motive der Frauen, die in diesem Prozess zum Tragen kommen, zu erfassen. Die Motivanalyse erfolgte anhand videogestützter Interviews zu biographischen Entwicklungsverläufen, wichtigen Lebensereignissen, der aktuellen Lebenssituation und speziellen partnerschaftlichen Beziehungsmustern (EBPR- Leitfaden, selbst entwickelter Anamnesebogen). Die erhobenen Informationen wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unter Nutzung der Videoauswertung unterzogen. Die Untersuchung erfolgte im Zeitraum 9/2010 - 11/2012 mit 17 Teilnehmerpaaren aus 7 deutschen Bundesländern. Im Ergebnis konnten insgesamt 13 Motivkategorien für das Eingehen der Partnerschaft herausgearbeitet werden, wobei 4 Motivgruppen von den Frauen offen präsentiert wurden: Das „Helfermotiv“ – der Wunsch, gebraucht zu werden, das „Fairnessprinzip“ - Ethisch-moralische Entscheidungskriterien wie Ehrlichkeit und Gerechtigkeitsempfinden/ Fairness, der „Abenteueraspekt“ – unkonventionelles Rebellentum, die „Angst vor Zurückweisung“. Weitere 9 Motivkategorien konnten als „verdeckte Motive“ herausgearbeitet werden: „Wiedergutmachungsmotiv“ – Gefühl, Schuld auf sich geladen zu haben, „Heldentopos“ – die Suche nach einem „echten“ Mann, „Affiliationsmotiv“ – der Bedarf nach Zugehörigkeit auf der Basis von einem Gefühl der Andersartigkeit, „Schutzinstinkt“ – die Suche nach einem Beschützer, das „Eifersuchtsmotiv“, „Kontrollmotiv“, „Reinszenierungstendenz“ - Wachsen an der Partnerschaft, das „Autonomiemotiv“ - Kontinuierliche Nähe wird als Belastungsmoment erlebt, „Narzisstische Aufwertung“. Die unterschiedliche Bedeutsamkeit der Motivkategorien zeigt sich auch an der unterschiedlichen „affektiven Aufladung“ bei der jeweiligen Schilderung der Probandinnen. So ergibt sich bei der Interviewauswertung von jeder Teilnehmerin eine individuelle Motivkombination, die ihrer Persönlichkeit, ihrem biographischen Hintergrund und ihrem Wertesystem entspricht.
It is a well-known phenomenon that some women get involved intentionally in a relationship with an offender. They become acquainted with their future partners only after their arrest, arrange a romantic relationship “across prison walls“, thus a “transmural“ relationship. Regarding the question as to why women decide on purpose for a partnership under such “difficult conditions“, there is so far no concrete scientific evidence. The question of the choice of partner and the configuration of the relationship as a protective or a risk factor for the offending partner is of importance in the prediction of criminal recidivism. Therefore the partnership seems to be an important criterion in prediction research to assess the situation of the prisoner upon release. Goal of the pilot project was to characterize in detail that group of women. For that purpose the women were investigated regarding their attachment style, sociodemographic and family backgrounds, in relation to their personality, interpersonal problems and to the configuration of couple relationships and in general. To assess attachment styles the Adult Attachment Prototype Rating (EBPR) was applied. Central topic of the present paper is the investigation of the motives for a partner choice “across prison walls”. It seemed essential to understand both the explicit (conscious) as well as the implicit (non conscious) motives that were of importance in the process of choosing a mate. The analysis of the motives ensued by video- supported interviews on biographic development, important life events, actual situation in life, and specific patterns in partnerships (EBPR-guideline and a specially developed anamnestic questionnaire). The collected data were assessed by means of qualitative content analysis using the videosequences. The research took place from 9/2010 to 11/2012 with 17 participating couples from 7 German Federal states. As a result, a total of 13 categories of motives were distinguished among which 4 groups of motivational goals were presented openly by the women: “aid motive”, “principle of fairness”, “adventure aspect” and “fear of rejection”. Another 9 categories could be distinguished as “hidden motives”: “motive of reparation”, “topos of hero”, “motive of affiliation”, “protection instinct”, “motive of jealousy”, “motive of control”, “tendency to revictimization”, “demand for autonomy”, “narcissistic self-achievement”. The different importance of the motive categories is also shown in the different "affective charge" within the women´s particular description. Thus there arises in the interview evaluation of each participant, an individual design combination that matches their personality, biographical background and their value system.