Eine gut ausgeprägte Fähigkeit zur Perspektivenübernahme gilt als Grundlage für zufriedenstellende zwischenmenschliche Beziehungen. Damit Lehrkräfte positive Beziehungen zu Schüler*innen und Eltern erleben und in Gesprächen mit diesen kompetent beraten können, ist es wichtig, dass sie die Perspektive von Schüler*innen und Eltern übernehmen. Perspektivenübernahme zählt zu den allgemeinen sozial-emotionalen Kompetenzen, die Lehrkräfte erwerben sollen, und gilt als fester Bestandteil der Beratungskompetenz von Lehrkräften. Perspektivenübernahme ist insbesondere für die Beziehung zwischen Lehrkräften und Eltern von Bedeutung, da Kontakte und Gespräche mit Eltern von Lehrkräften häufig als belastend empfunden werden. Es ist jedoch unklar, inwieweit sich die Perspektivenübernahme als Kompetenz von Lehrkräften durch gezielte Interventionen fördern lässt. In drei Studien wurde daher untersucht, ob sich die Bereitschaft zur Perspektivenübernahme (gegenüber Schüler*innen und Eltern) in Beratungssituationen bei angehenden Lehrkräften fördern lässt. Hierzu wurde eine fallbasierte Lerngelegenheit entwickelt, bei der angehende Lehrkräfte im kooperativen Setting Aufgaben zu einem anstehenden Elterngespräch bearbeiten. Das Einnehmen der Perspektiven der fiktiven Gesprächsteilnehmer*innen wurde in einigen Bedingungen mit Hilfe einer Metapher gezielt unterstützt, indem die sogenannte „Hut-auf-Methode“ angewendet wurde. In Studie 1 wurde die Wirksamkeit der Lerngelegenheit mithilfe eines Interventions-Wartekontrollgruppendesigns mit 397 Lehramtsstudierenden untersucht. Dabei wurden drei Bedingungen realisiert: eine Interventionsgruppe mit der „Hut-auf-Methode“, eine Interventionsgruppe ohne die „Hut-auf-Methode“ und eine Wartekontrollgruppe. In Studie 2 wurde die Wirksamkeit der Intervention mithilfe eines Prä-Post-Designs mit 41 Referendar*innen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt untersucht, wobei die Lerngelegenheit ausschließlich in der Version mit der „Hut-auf-Methode“ eingesetzt wurde. Studie 3 wurde mit einem Prä-Post-Interventionsgruppendesign und 515 Lehramtsstudierenden durchgeführt. Hier wurden zwei Instruktionsbedingungen verglichen, um zu überprüfen, ob es notwendig ist, die Perspektivenübernahme direkt mit der „Hut-auf-Methode“ zu instruieren oder ob eine indirekte Instruktion gleichermaßen wirksam ist. Zusätzlich zur selbstberichteten Bereitschaft zur Perspektivenübernahme wurden weitere abhängige Variablen zur indirekten Erfassung der Perspektivenübernahme implementiert, die vermutlich weniger durch soziale Erwünschtheit verzerrt sind: die Einstellung gegenüber der Person, deren Perspektive übernommen wurde, sowie die empathische und emotionale Sprache in Texten, die sich mit dieser Person befassen. In allen drei Studien zeigte sich nach der Bearbeitung der Lerngelegenheit ein positiver Effekt auf die Bereitschaft zur Perspektivenübernahme sowohl gegenüber Schüler*innen (Studien 2 und 3) als auch gegenüber Eltern (Studien 1, 2 und 3). Interessanterweise zeigte Studie 3, dass es keinen Unterschied machte, ob die Perspektivenübernahme direkt oder indirekt instruiert wurde. Zusätzlich wurde festgestellt, dass die Bereitschaft, die Perspektive der Schüler*innen einzunehmen, bei Lehramtsstudierenden grundsätzlich höher ausgeprägt ist als die Bereitschaft, die Perspektive der Eltern einzunehmen. Referendar*innen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt zeigten diesen Unterschied nicht. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Perspektivenübernahme im Rahmen der (universitären) Lehrkräftebildung durch niedrigschwellige Lernangebote gefördert werden kann. Dies ist besonders wichtig für die Beratung von Eltern, da die Bereitschaft der Lehramtsstudierenden, deren Perspektive zu übernehmen, geringer ist und Elterngespräche im Schulalltag häufig als belastend empfunden werden.