Einleitung: Das kognitive Schätzen wird als ein Prozess verstanden, bei der eine Antwort generiert wird für den das exakte Wissen nicht vorhanden ist. Im Alltag kommt dem Schätzen eine sehr wichtige Bedeutung zu, weil wir häufiger schätzen als „wissen“. Es wird vermutet, dass am Prozess des kognitiven Schätzens mehrere funktionelle Systeme, vor allem die Exekutivfunktion, das Arbeitsgedächtnis und das semantische Gedächtnis beteiligt sind. Die existierenden kognitiven Schätztests bestehen aus Fragestellungen, die aus dem Allgemeinwissen beantwortet werden können. Gegenstand der vorliegenden Arbeit war es, die kognitive Schätzleistung von Kontrollpersonen (KP), Alzheimer- Patienten (AD) und depressiven Patienten (LLD) zu den Qualitäten Länge, Menge, Zeit, Geschwindigkeit und Gewicht zu erfassen. Dazu wurden eigens entwickelte, leicht durchführbare, kognitive Schätzaufgaben angewandt. Diese sollten sich von den bestehenden kognitiven Schätztests darin unterscheiden, dass für einige der Schätzaufgaben tatsächliche Objekte präsentiert wurden (Zeit, Menge, Gewicht), um so den Einfluss des semantischen Gedächtnisses zu reduzieren und eine alltagsnahe Operationalisierung zu erreichen. Methoden: An der Untersuchung nahmen insgesamt 140 Personen beiderlei Geschlechtes teil, davon 48 Patienten mit einer Alzheimer-Demenz (AD), diagnostiziert anhand der NINCDS-ADRDA- und DSM-IV-Kriterien (74.9±9.3 Jahre; MMSE 21.6±3.9), 44 Patienten mit einer Altersdepression (LLD), diagnostiziert anhand der DSM-IV- Kriterien für depressive Störungen (63.7±11.0 Jahre; MMSE 27.3±1.6) und 48 Kontrollpersonen (KP) (62.5±7.8 Jahre; MMSE 29.2±1.1). Die an der Studie teilnehmenden Personen unterliefen eine ausführliche klinische, neuropsychologische, radiologische und laborchemische Untersuchung. Das Schätzen der Zeit wurde anhand einer Kugelrollbahn erfasst – dabei sollten die Probanden die Zeit schätzen die eine Kugel zum herunterrollen einer Kugelbahn benötigt bevor (Kugelbahn A) und nachdem (Kugelbahn B) sie die Kugel herunterrollen sahen. Das Schätzen der Menge wurde anhand eines Glasbehälters mit Murmeln erfasst. Dabei mussten die Probanden die Menge der in dem Glas befindlichen Murmeln schätzen. Für das Schätzen des Gewichtes musste ein Papierstapel in die Hände genommen werden und dessen Gewicht geschätzt werden. Für Länge und Entfernung mussten die Länge einer 2 Euro Münze und die Entfernung zwischen Rom und Madrid geschätzt werden, ohne dass dafür Objekte präsentiert wurden. Ebenso sollte die Geschwindigkeit eines galoppierenden Pferdes geschätzt werden. Alle statistischen Berechnungen wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS (SPSS 13.0 für Windows, Chicago, 2005) durchgeführt. Ergebnisse: AD- und LLD-Patienten erzielten im Vergleich zu der Kontrollgruppe signifikant schlechtere Leistungen in den eingesetzten neuropsychologischen Testverfahren. Im kognitiven Schätzen erzielten AD-Patienten die signifikant schlechteste Leistung im Schätzen der Zeit, die eine Kugel zur runterrollen einer Bahn braucht und LLD-Patienten im Schätzen der sich in einem Glassbehälter befindlichen Murmeln. Insgesamt waren Schätzaufgaben für die tatsächliche Objekte präsentiert wurden durch die untersuchten Störungen (LLD, AD) mehr beeinträchtigt als Aufgaben für die keine Objekte präsentiert wurden. Im Weiteren zeigten sich Korrelationen zwischen den Testverfahren, die auf die Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit, Sprachleistung und semantischen Gedächtnis abzielen und den Schätzaufgaben. Diskussion: Zusammenfassend zeigen unsere Daten, dass das objektbezogene kognitive Schätzen durch die Demenz und die Depression beeinträchtigter ist als das nicht-Objektbezogene. Die bei dem kognitiven Schätzen eine wichtige Rolle einnehmenden neuroanatomischen Bereiche sind anhand unserer Daten das frontale (Exekutivfunktion, Aufmerksamkeit) und das temporale Kortex (Sprachleistung). Daneben nimmt noch das semantische Gedächtnis eine wichtige Rolle im nicht-objektbezogenen Schätzen ein. Das kognitive Schätzen kann wertvolle Informationen über die alltagspraktischen Fähigkeiten liefern, dessen Ausmaß in weiteren Studien untersucht werden sollte.
Introduction Cognitive estimation is understood as a process where an answer is generated without knowing the exact facts. In everyday life, we often estimate rather than know. It is assumed that working memory, semantic memory and executive functioning are the cortex areas involved in the process. Existing cognitive estimation tests consist of tasks which mostly can be answered from semantic memory. The goal of this present study was to assess cognitive estimation in controls (C), in patients with Alzheimer’s disease (AD) and Late-Life-Depression (LLD) with a cognitive estimation test that is not based on semantic memory alone. To achieve this aim, we designed a new, easy to use cognitive estimation test which differentiated from existing tests in that for some of the tasks real objects were presented (time, quantity, weight). For others (size, speed) no objects were presented - these had to be answered from memory alone. Methods Overall we investigated 140 subjects: 48 AD subjects diagnosed according to the NINCDS-ADRDA- and DSM-IV-criteria (age: 74.9±9.3; MMSE 21.6±3.9), 44 LLD subjects diagnosed according to the DSM-IV criteria (age: 63.7±11.0; MMSE 27.3±1.6) and 48 control subjects (age: 62.5±7.8; MMSE 29.2±1.1). Subjects were investigated with several screening tests and extensive neuropsychological, clinical, radiological, and laboratory investigations. Cognitive estimation of time was performed by presenting a marble together with a marble track. Subjects were asked to estimate the time the marble needs to roll down the track (Marble track A). Thereafter subjects were asked to observe the marble roll and re-estimate the time needed (Marble track B). Estimation of quantity was performed by showing a glass jar filled with marbles. Subjects were asked to estimate the number of marbles in the jar. Estimation of weight was assessed by having subjects lift a pile of paper and estimating its weight. Estimation of length was performed by estimating the diameter of a 2 € coin without presenting it to the subject. Estimation of distance was performed by asking the subject to estimate the distance between Rome and Madrid. In addition, subjects were asked to estimate the speed of a galloping horse. All statistical analyses for the investigation of group differences were carried out using the statistics program SPSS (SPSS 11.0 for Windows, Chicago, Ill., 2001). Results Compared to controls AD and LLD patients preformed significantly worse on most neuropsychological tests but not so on cognitive estimation tasks: compared with the other groups AD patients preformed significantly worse on the estimation of time (marble track A and B) and LLD patients on the estimation of quantity (marbles in jar), but in contrast, estimation of weight, length and the speed of a galloping horse were alike in controls and patients. Overall tasks for which objects were presented were more impaired thru the examined diseases than the ones where no objects were presented. Correlations were found between the cognitive estimation tasks for which objects were presented and tests of executive functioning, verbal- and attention tasks. Moreover correlations were found between the cognitive estimation tasks for which no objects were presented and tests of semantic memory. Discussion: In summary our data shows that cognitive estimation tasks for which object were presented was more impaired than when no objects were presented. The cortex areas involved in the process of cognitive estimation are according to our findings the frontal (executive functioning, attention) and temporal (verbal tasks) cortex. Moreover for the non object based tasks also the semantic memory plays an important part. Using cognitive estimation tasks as screening tests for diseases can give useful information about the abilities of daily living; though more studies are needed to examine the exact relations.