Es existieren verschiedene Modelle mit denen Organe von Kleintieren isoliert perfundiert werden können. Die Ergebnisse sind nicht uneingeschränkt auf die Physiologie des Menschen übertragbar. Ein besserer Ansatz ist die Verwendung von Großtierorganen. Verglichen mit der menschlichen Niere besitzt beispielsweise die Schweineniere die histologisch größte Übereinstimmung. In der vorliegenden Arbeit wurde daher ein Modell entwickelt, mit dem Schlachthausnieren von Schweinen unter physiologisch stabilen Perfusionsbedingungen, in der sogenannte steady-state Phase (pH-, pO2-, pCO2-, Hämatokrit, K+, Na+, Ca2+ und Mg+ im Plasma konstant) mit autologem Blut, extrakorporal und normotherm über einen längeren Zeitraum perfundiert werden können. Die überwiegende Anzahl der perfundierten Schlachthausnieren befand sich infolge der langen Ischämie- und Konservierungszeiten in einem poly- und hyposthenurischen akuten Nierenversagen (ANV). Die Zeitspanne zwischen der Tierschlachtung und der Explantation der Nieren (warme Ischämiedauer) betrug 19 ± 2,4 min, die Zeit von der Kältekonservierung bis zum Anschluss an die Perfusionseinheit (kalte Ischämiedauer) 5 ± 0,5 h. Anhand verschiedener gemessener bzw. berechneter Funktionsparametern konnte der Verlauf eines akuten Nierenversagens während der 100 minütigen steady-state Perfusion dargestellt werden. So zeigte beispielsweise die Medianstatistik für die tubuläre Natrium-Rückresorption deutlich erniedrigte Werte von 0,5 - 0,9 mmol * min -1 *100g NG als Ausdruck einer massiven Schädigung. Überraschenderweise zeigte sich keine Korrelation der tubulären Natrium- Rückresorption mit dem lysosomalen Marker ß-NAG, der bei tubulären Nierenschäden freigesetzt wird. Der renal vaskuläre Widerstand mit Werten von 0,33 - 0,34 mmHg * min ml-1 war während der gesamten Perfusionszeit deutlich erhöht sowie der renale Sauerstoffverbrauch mit Werten von 3,0 - 4,1 ml/min -1 * 100g NG infolge der geringen tubulären Natrium-Rückresorption deutlich vermindert. Ebenso war die Clearance für Kreatinin mit Werten von 4,2 - 7,6 ml min -1 * 100g Nierengewicht und für Sinistrin® (Inulin like) mit Werten von 4,6 - 12 ml min -1 * 100g Nierengewicht infolge glomerulärer Schäden erniedrigt. Erstmals wurde Sinistrin® mit der kommerziell nicht mehr erhältlichen Inuquant®-Methode (Fa. Fresenius, Linz, Österreich) im Plasma und Urin der isoliert perfundierten Schlachthausniere gemessen. Kreatinin wurde als Referenzwert mittels der Jaffé-Methode nachgewiesen. Kreatinin- und Sinistrin®-Clearance Werte von sechs narkotisierten Schweinen dienten als Kontrollgruppe. Zur Validierung der Messgenauigkeit und Qualitätskontrolle wurden photometrisch kommerziell erhältliche Sinistrin®-Standards und eigens angefertigte Verdünnungsreihen mit aufsteigenden Sinistrin®-Konzentrationen gemessen. Ebenso konnte erstmalig der Einfluss des poly- und hypostenurischen ANV der isoliert perfundierten Schlachthausniere auf die vollenzymatische Inuquant®-Methode zur Sinstrin®-Messung dargestellt werden. Photometrisch konnten anfangs im Plasma von 38/55 Nieren nur negative Extinktionswerte für Sinistrin® gemessen werden. Erst nach Änderung einzelner Arbeitsschritte der Messanleitung der Inuquant®-Methode zur Bestimmung der Sinistrin®-Konzentration im Plasma und im Urin der isoliert perfundierten Schlachthausniere konnten positive Extinktionswerte gemessen werden. Zum einen musste die Inkubationstemperatur und -zeit der Plasmaproben von 56 ° C auf 65 °C erhöht bzw. von 20 min auf 35 min verlängert werden, zum anderen war für eine vollständige Hydrolyse des Sinistrins® eine Erhöhung der Inulinase- Konzentration von 37,5 U auf 75 U erforderlich. Danach wurde bei 17/55 Nieren die Sinistrin®- und Kreatinin-Clearance mittels der klassischen Clearance- Formel berechnet und methodisch miteinander verglichen werden. Eine Erklärung für die anfänglich negativen Extinktionen der Sinistrin®-Messung liefern die im Zytoplasma lokalisierten, ubiquitär vorkommenden glykolytischen Enzyme Phosphoglukoisomerase und Phosphohexoisomerase, die bei fehlender Inaktivierung zu einem vorzeitigen Umsatz von Fruktose zu Fruktose-6-Phosphat und damit zu verfälschten Messwerten führen können. Vermutlich wurden, bedingt durch die langen Ischämie- und Konservierungszeiten, diese Enzyme vermehrt freigesetzt. Die von der Fa. Fresenius vorgegebenen Arbeitsschritte zur Sinistrin®-Messung durch die vollenzymatische Inuquant®-Methode waren auf das vorliegende Modell der isoliert perfundierten Schlachthausniere nicht übertragbar und mussten, wie beschrieben, durch weitere Arbeitsschritte modifiziert werden. Bei dem Vergleich der Nierenfunktionsparameter einzelner Nieren zeigte die Urin-Osmolalität, die tubuläre Natriumexkretion, die intrazelluläre Kaliumfreisetzung oder der renale Gefäßwiderstand einen Zusammenhang zwischen dem Nativgewicht der Nieren nach Explantation, der prozentualen Gewichtszunahme der Nieren nach der hypothermen Nierenkonservierung und der Gewichtszunahme im Verlauf der steady-state Perfusion. Ein cut-off wurde bei einer Nierengewichtszunahme von prä- zu postperfusionem > 30 % gesetzt. Dieser ergab eine Einteilung der Nieren für Gruppe I mit einer definierten Gewichtszunahme prä- zu postperfusionem < 30 % und für Gruppe II > 30 %. Verglichen wurden die beiden Gruppen mittels einer nichtparametrischen Varianzanalyse, die einen Vergleich der Nierenfunktionsparameter im Perfusionsverlauf in Abhängigkeit von der Nierengewichtszunahme erlaubt. Es konnte gezeigt werden, dass ein geringes Nativgewicht und eine prozentual geringere Nierengewichtszunahme im Perfusionsverlauf bessere Nierenfunktionsparameter ergaben. In der Gruppe I zeigte sich bei einzelnen Nieren nahezu physiologische Werte beispielsweise für die tubuläre Natrium-Rückresorption mit Werten bis 4,6 mmol min -1 * 100 g NG, für den renalen Sauerstoffverbrauch bis 7,5 mmol min -1 * 100 g NG oder für die Sinistrin®-Clearance mit Werten bis 50 ml min -1 * 100 g NG. Die vorgestellte Methode der normotherm mit autologem Blut isoliert perfundierten porcinen Schlachthausniere ermöglicht in einer physiologisch nahezu konstanten steady-state Phase die Untersuchung verschiedener Fragestellungen zum Themenkomplex des akuten Nierenversagens.