Die Angst vor der Postfaktizität macht sich in den Wissenschaften, so auch in der Archäologie bemerkbar und erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Status-Quo und zukünftige Strategien, um zum einen mit der Angst und zum anderen mit ‚Postfaktizität‘ umzugehen. Der Rückzug auf vermeintlich sichere, empiristische Positionen, wie sie bisweilen im Glauben an objektive, naturwissenschaftliche Methoden oder die Faktizität archäologischer Materialität praktiziert wird, greift häufig zu kurz. Denn nicht nur naturwissenschaftliche ‚Fakten‘, sondern auch Thesen der Geistes- und Sozialwissenschaften werden durch die Diffamierung als ‚fake news‘ angeprangert. Eine Trennung in ‚faktische‘ Wissenschaft und ‚postfaktische‘ un-/nicht-/pseudowissenschaftliche Diskurse erscheint wenig ausschlaggebend für den Erfolg vergangenheitsbezogener Konstruktionen. Vielmehr existiert schon immer eine Gemengelage aus unterschiedlichsten Interessen und Assoziationen. Durch einen Rekurs auf das Konzept des ‚wilden‘ Wissens in Anlehnung an Claude Lévi-Strauss, diskutieren wir u. a. anhand des ‚Kriegergrabs‘ Bj 581 aus Birka und des Cheddar Man, wie vielschichtig der Konstruktionsprozess der Vergangenheit ist. Erst wenn wir verstehen, wie die Vergangenheiten entlang der Achsen wildes Wissen/rationales Wissen, Faktizität/Postfaktizität und digitaler/analoger Diskussion entstehen, lassen sich die Aufgaben und Herausforderungen einer Archäologie im ‚postfaktischen Zeitalter‘ einschätzen und zugleich erkennen, dass wir schon immer in einem solchen lebten.
The fear of alternative facts makes itself felt in the sciences as well as in archaeology. It requires an examination of the status quo and future strategies to deal with both the fear and the alternative facts. We suggest that the retreat to a supposedly safe, empiricist position and the belief in the objectivity of scientific methods and the factuality of archaeological material is the wrong approach. Our reasoning is that scientific facts as well as theses of the humanities and social sciences are being denounced as “fake news”. A separation into “factual” science and “post-factual” or pseudo-scientific discourses does not appear to be crucial for the success of constructions of the past. Rather, there is always a mixed situation of different interests and associations. With recourse to Claude Lévi-Strauss’s concept of the “savage mind”, we discuss the “warrior grave” Bj 581 from Birka as well as the Cheddar Man to illustrate how complex the construction of past is. We can only assess the tasks and challenges of archaeology in the “post-truth era”, when we understand how “the past” emerges in the tensions between “savage knowledge” and “rational knowledge”, between facts and alternative facts, as well as between digital and analogue discussions. And only then can we realize that we have always lived in such an era.