Perspektiven des Konstrukts Shared Decision Making Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung bei Brustkrebs im Spannungsfeld zwischen Vermittlung von Unsicherheit und Wunsch nach Sicherheit Die qualitative Erhebung wurde im Rahmen des Förderschwerpunktes des BMGS: Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess im Zeitraum von 2002 bis 2005 durchgeführt. Im Fokus der Untersuchung stand das Aufklärungsgespräch zwischen Oberärzten und neu erkrankten Brustkrebspatientinnen auf einer gynäkologischen Station in einer Universitätsklinik. Die Studie verfolgte dabei zwei Fragestellungen, zum einen: Was verstehen die Beteiligten (Patientinnen, Ärzte, Forscher) unter dem Konstrukt Shared Decision Making, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede tauchen in ihren Perspektiven auf? Des Weiteren die Frage: Wie wird SDM in der Forschungslandschaft konzeptualisiert, und inwiefern spiegelt dies die Erfahrungen der Beteiligten bei der Entscheidungsfindung im untersuchten Feld wider? Dazu wurden 19 von Brustkrebs betroffene Frauen, 6 Ärzte und 7 Experten interviewt; es entstanden darüber hinaus 12 Videomitschnitte von Aufklärungsgesprächen, die nach der Methode der Grounded Theory ausgewertet wurden. Zunächst wird die Erfahrungswelt der an Brustkrebs erkrankten Frauen beschrieben. Brustkrebs ist eine schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankung. Die Diagnosestellung wird dabei als sozialer Herstellungsprozess zwischen Medizinsystem und Patientin betrachtet. Die Diagnosephase stellt den zeitlichen Rahmen dar, in dem ein Shared Decision Making stattfinden soll. Die Entscheidungsfindungen von Arzt und Patientin im Untersuchungsfeld werden dargestellt und nach einer Partizipationsmöglichkeit für Betroffene untersucht. Es lässt sich feststellen, dass die realen Entscheidungsprozesse häufig nicht einer rationalen Logik mit klar gegliederten Präferenzen folgen, wie in der kognitiven Entscheidungstheorie postuliert, sondern eher einer pragmatischen Handlungsfähigkeit. Nicht nur die Entscheidungsprozesse unterscheiden sich bei den befragten Akteuren, auch die Vorstellungen über das Konstrukt Shared Decision Making differieren. So sehen die betroffenen Frauen eher die Beziehungsebene zum Arzt als relevantes Kriterium für eine gemeinsame Entscheidung. Häufig setzen neu erkrankte Patientinnen das Vertrauen in den Arzt mit einer Entscheidungsbeteiligung gleich. Als zentral stellte sich in dieser Dynamik die Kategorie der Vermittlung von Ungewissheiten dar. Für die neu erkrankte Frau ist diese Zeit der Ungewissheit jedoch häufig von dem Wunsch nach Sicherheit geprägt. Diese Sicherheit sucht sie im Vertrauen zum Arzt. Vertrauen in den Arzt und eine Delegation der Entscheidung an den Arzt bedeuten somit für die befragten Frauen keine Abschiebung der relevanten Entscheidung. Für die Ärzte bedeutete SDM häufig ein Verfahren, um medizinische Informationen zu transportieren und Patientinnen in die Therapie miteinzubinden. Damit gerät SDM sehr nah an eine Compliance-Vorstellung und könnte somit manipulativ genutzt werden. SDM kann deshalb nicht nur Informationsvermittlung sein, sondern sollte in ein Interaktionsmodell eingebettet sein. Für eine Implementierung von SDM ist es wichtig, zunächst die jeweiligen Kontextbedingungen zu analysieren. So sind die Erkrankungsart, das Setting und die Therapiemodalitäten relevant für die Auslotung der Möglichkeiten und Grenzen zur Umsetzung. Im untersuchten Feld würde bereits eine Ablaufänderung der Aufklärungsgespräche als ambulantes Vorgespräch einen ersten Schritt zu einer gemeinsamen Entscheidungsfindung bedeuten.
Concepts of Shared Decision Making in primary breast cancer - the decision is hard Background: This qualitative study was a supplement to a decision aid intervention research with newly diagnosed breast cancer patients initiated by the German Ministry of health. Nearly 2/3 of the breast cancer patients wish an active or collaborative interaction with their doctors. They state that they plan their therapy together with the professionals. Video analyses and observation however show that in the concrete situation the physicians led the consultation. This discrepancy should be investigated by interviewing the different parties (patients, physicians, and SDM-experts). Methods: 19 breast cancer patients, 8 physicians and several SDM-experts were interviewed. The crucial question was: What do patients, physicians, and experts mean, if they talk about shared decision making, and how the decision finding really works? The interviews and 12 videos analyses are based on the method of grounded theory. Results: Newly diagnosed breast cancer patients experience a diagnose shock. The situation is dominated by anxiety and the wish of a secure and quick treatment. In many cases patients only have little knowledge about breast cancer and the different treatments. The confidence in their physicians compensates this uncertain situation. Breast cancer patients do not differentiate SDM and the relationship to their physicians. This dynamic shows why the wish for an active involvement can exist in parallel with the delegation of the decision to their physicians. Furthermore the study shows that the subjective concept of SDM and the decision-making process of the interviewed partners differ a lot. Conclusion: If SDM will be implemented in clinical practice the different concepts and decision findings have to be accepted. We have to learn more about the specific decision makings. For the SDM concept it is important to know that in the perception of newly diagnosed breast cancer patients collaboration and patient involvement is not contradictory to decision delegation.