Mit der Digitalisierung und dem Aufkommen partizipativer Plattformen haben sich die Bedingungen zur Herstellung medialer Sichtbarkeit verändert. Zugleich hat feministischer Aktivismus mit der Digitalisierung neue Formen angenommen. Feministische Hashtag-Kampagnen oder Initiativen wie Wikipedia-Schreibaktionen für Frauen verfolgen vor allem die Absicht, Sichtbarkeit und Anerkennung für Frauen und/oder Geschlechterungerechtigkeiten in der digitalen Öffentlichkeit einzufordern. In dieser Dissertation stelle ich die übergeordnete Frage: Welche Bedingungen und Folgen haben Sichtbarkeiten innerhalb von Netzwerköffentlichkeiten für feministischen Online-Aktivismus? Frühere Forschung zeigt, dass Sichtbarkeiten und aktivistische Initiativen auf partizipativen Plattformen durchzogen sind von Geschlechterungleichheiten und antifeministischer Gegenmobilisierung. Ungleichheiten in digitalen Öffentlichkeiten wurden bisher vor allem als Ergebnis ungleichen Zugangs zu und ungleicher Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien erforscht. Zugang und Nutzung reichen aber nicht immer aus, um zu erklären, warum Geschlecht einen Einfluss darauf zu haben scheint, wer oder was tatsächlich öffentlich sichtbar wird. (Un-)Sichtbarkeiten auf partizipativen Plattformen verstehe ich dabei im Sinne des Netzwerk-Gatekeeping-Ansatzes als Ergebnis konnektiver Prozesse des (Un-)Sichtbarmachens und damit als emergente Netzwerkphänomene. Da diese Prozesse auf sozialen Interaktionen basieren, schlage ich theoretisch vor, Sichtbarkeit um Anerkennung und Missachtung als soziale, moralisch-normative Beziehungsformen zu erweitern. Entlang der zwei Dimensionen Aufmerksamkeit und Anerkennung lassen sich Sichtbarkeiten und ihre Folgen für feministischen Online-Aktivismus innerhalb partizipativer Plattformen systematisieren und untersuchen. In der ersten empirischen Studie untersuche ich Unterschiede in der Netzwerksichtbarkeit von verschiedenen Akteurstypen innerhalb des deutschsprachigen #MeToo-Protestes auf Twitter. Auch wenn sich überwiegend private Nutzer*innen beteiligten, erhielten vor allem die Accounts einiger Massenmedien und einzelner Journalist*innen große Sichtbarkeit. Außerdem zeigte sich eine starke Gegenmobilisierung und Abwertung von #MeToo durch antifeministische Akteur*innen, welche die Möglichkeiten zur strategischen Vernetzung intensiver nutzten als Unterstützer*innen des Protests. Die zweite Studie widmet sich der Möglichkeit zur (böswilligen) Beeinflussung solcher Twitter-Diskurse durch die Automatisierung von Accounts. Indem dieselben Twitteraccounts mit drei verschiedenen Erkennungsverfahren auf sogenannte Social Bots getestet werden, zeige und diskutiere ich die Grenzen der methodischen Möglichkeiten, Automatisierung zu erkennen und damit den Einfluss von Social Bots auf Diskurse zu bestimmen. Die dritte Studie untersucht, wie Nutzer*innen in der Wikipedia über die Löschung von Biografie-Artikeln diskutieren. Da hier explizit ausgehandelt und festgeschrieben wird, welches Wissen „relevant“ für die Öffentlichkeit ist, eignet sich das Beispiel gut, um den Zusammenhang zwischen Sichtbarkeit und Anerkennung zu untersuchen. Aus dem Ergebnis, dass Frauenbiografien häufiger als Männerbiografien infrage gestellt werden, folgere ich, dass Sichtbarkeit nicht immer nur ermächtigend wirkt, sondern Geschlechterunterschiede auch aufgrund mangelnder Anerkennung in Form von Kontrolle und Überwachung entstehen.
With digitization and the emergence of participatory platforms, the conditions for creating media visibility have changed. At the same time, feminist activism has taken on new forms because of digitization. Feminist hashtag campaigns or initiatives such as Wikipedia writing campaigns for women primarily demand visibility and recognition for women and/or gender injustices in the digital public sphere. In this thesis, I ask: What are the conditions and consequences of visibility within networked public spheres for feminist online activism? Previous research shows that visibilities and activist initiatives on participatory platforms are permeated with gender inequalities and antifeminist counter-mobilization. Inequalities in digital publics have been studied primarily as a result of unequal access to and use of information and communication technologies. However, access and use are not always sufficient to explain who or what becomes visible in the media. In this context, I understand (in)visibilities on participatory platforms in terms of the networked gatekeeping approach as the result of connective processes of creating (in)visibilities and thus as emergent network phenomena. Since these processes are based on social interactions, I propose to theoretically expand visibility by recognition and misrecognition as social, moral-normative forms of relations. Along the two dimensions of attention and recognition, visibilities and their consequences within participatory platforms for feminist online activism can be systematized and examined. In the first empirical study, I examine differences in the networked visibility of different actor types within the German-language #MeToo protest on Twitter. Even though mostly private users participated, the accounts of some mass media and individual journalists received high visibility. Furthermore, a strong counter-mobilization by antifeminist actors emerged, using the possibilities for strategic networking more intensively than supporters of the protest. The second study focusses on the possibility of (maliciously) influencing such Twitter discourses through account automation. By testing the same Twitter accounts with three different detection methods for so-called social bots, I show and discuss the limits of the methodological possibilities to detect automation and thus to determine the influence of social bots on discourses. The third study examines how Wikipedia users discuss the deletion of biographical articles. Since it is explicitly negotiated and defined which knowledge is “notable” for the public, this example is well suited to investigate the connection between visibility and recognition. From the finding that the notability of women’s biographies is questioned more often than that of men’s biographies, I conclude that visibility is not always empowering, but that gender differences also arise due to a lack of recognition in the form of control and surveillance.