Die chronologische Bewertung des archäologischen Untersuchungsmaterials sowie dessen Deutung gehen eine enge Symbiose ein. Ihr Bindeglied ist das europäische Entwicklungsdenken. Dessen verbreitete Akzeptanz macht archäologische Forschung in seiner heutigen Ausprägung erst möglich. Wegbereiter dieser Form des Zeitverstehens waren geologische, paläontologische und ethnografische Feldbeobachtungen. Insbesondere das ethnografische Präsens wurde auf die menschliche Vor- und Frühgeschichte ausgedehnt. So entstand das Bild der kulturellen Statik der Steinzeit und der sich zur Gegenwart hin beschleunigenden Geschichte. Dieser Gegensatz resultiert letztlich aus der Verschmelzung der Plausibilitäten ‚unserer‘ kulturellen Eigenzeit mit der der wissenschaftlichen Beobachtungssituation. Die eigenen Zeitkonventionen wirken sich auf den fachlichen Umgang mit kultur- und naturwissenschaftlichen Datierungen und Chronologiesystemen aus. Sie führen zu der hier untersuchten inhaltlichen Unbestimmtheit des archäologischen Deutens. Vergleichbares gilt auch für den Umgang mit dem archäologischen Quellenmaterial. Hier ist auf zwei Ebenen eine wissenschaftliche Unbestimmtheit zu konstatieren. Einerseits ist es die chronologische Unschärfe, andererseits beinhaltet das Untersuchungsobjekt (Befunde und Funde) selbst in sich verschiedene Zeitdimensionen. Diese werden im Rahmen der archäologischen Forschung als objektcharakterisierende Eigenschaften erfasst. Hinzu kommen noch weitere Einflussfaktoren, die ebenfalls zur Unbestimmtheit wissenschaftlicher Aussagen beitragen. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Auswirkungen dieser Einflussfaktoren auf den archäologischen Umgang mit Zeit hinterfragt.
The chronological assessment of archaeological material as well as its cultural and historical interpretation incurs a close symbiosis. Their tie is the European development thinking, whose widespread scientific and social acceptance made archaeological research in its contemporaneous shape possible. Trailblazers of this form of time comprehension were geological, paleontological and ethnographic field observations. Especially the so-called ethnographic present was generalised in terms of stages of human pre- and proto-history and created pictures of phases of long-term cultural stasis: The past was perceived as static and unprogressively. It was opposed antithetically to an accelerating modernity. This opposition was an out-put the fusion of “our” proper time with the scientific situation of watching. Our commonly agreed time conventions have an effect on the scientific handling of cultural and scientific age determination and chronological systems. They cause in respect of content indeterminacy in archaeological interpretation. A comparable indetermination can be stated while dealing with archaeological source material itself. On the one hand archaeological research has to deal with chronological blur or lack of definition. One the other hand the archaeological source material incorporates different time dimensions. These have to be detected in the realm of archaeological research as object characterizing attribute or quality. Further influencing factors contribute to the indeterminacy of scientific conclusion. This contribution questions the effects of these mentioned influencing factors on archaeological practice and its relation to “time” and “time observations”.